OGH vom 24.07.1996, 8ObA2051/96t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer und Erwin Macho als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gabriele G*****, Serviererin, ***** vertreten durch Dr.Paul Friedl, Rechtsanwalt in Eibiswald, wider die beklagte Partei Siegmund W*****, Gastwirt, ***** vertreten durch Dr.Herbert Grass und Dr.Leonhard Ogris, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen S 100.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 76/95-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 33 Cga 215/94g-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich eines Teilbetrages von S 100.000,-- sA aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin war beim Beklagten in dem von ihm gepachteten Gasthaus als Serviererin beschäftigt. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses war sie unter anderem verpflichtet, jeweils vor der Sperrstunde den Inhalt der Aschenbecher in einen vorhandenen Kunststoffkübel zu entleeren und die allenfalls noch vorhandene Aschenglut mit Wasser zu löschen. Nach Verrichtung dieser Tätigkeit brach in der Nacht vom 4. zum im Gasthaus ein Brand mit erheblichem Sachschaden aus. Die Klägerin wurde wegen des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB verurteilt; im Strafverfahren erwuchsen ihr Verteidigungskosten von S 8.400,--.
Der Versicherer des vom Beklagten in Bestand genommenen Gebäudes klagte die Parteien dieses Verfahrens auf Ersatz der von ihm erbrachten Schadenersatzleistung. Die Klägerin und der Beklagte wurden zur Zahlung von S 497.736,-- zur ungeteilten Hand sowie zum Kostenersatz von S 88.432,10 verurteilt. Auf diese Schuld hat die Klägerin bisher keine Zahlung geleistet. In diesem Verfahren verzeichnete sie in erster Instanz Verfahrenskosten von S 114.907,68. Diese Kosten sowie die Verteidigungskosten begehrt die Klägerin nunmehr vom Beklagten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 100.000,-- statt und wies das Mehrbegehren ab. Ausgehend von den eingangs gekürzt wiedergegebenen Feststellungen führte es aus, in sinngemäßer Anwendung des § 2 Abs 2 DHG und auf Grund einer nach Billigkeit vorzunehmenden Interessenabwägung sei die Klägerin von der alleinigen Schadenstragung zu entlasten.
Das Berufungsgericht gab der allein vom Beklagten erhobenen Berufung Folge und wies auch das restliche Klagebegehren von S 100.000,-- ab. Ein Rückgriffsanspruch des Arbeitnehmers bestehe erst nach Ersatz des Schadens durch den Arbeitnehmer; Prozeß- und Exekutionskosten seien ein Teil dieses im DHG abschließend geregelten Rückgriffsanspruches. Die Revision sei gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig, denn es fehle an einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die sich ausdrücklich mit der Frage der selbständigen Klagbarkeit der Prozeß- und Exekutionskosten befasse.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung des Gerichtes erster oder zweiter Instanz zurückzuverweisen; hilfsweise es dahin abzuändern, daß der Beklagte zur Zahlung von S 100.000,-- sA an die Klägerin verpflichtet werde.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantworung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel aus, für den Fall, daß der Beklagte dem Dritten Schadenersatz in voller Höhe leiste, hätte dies zur Folge, daß die Klägerin die ihr erwachsenen Prozeß- und Verteidigerkosten aus eigenem zu tragen hätte.
Da der beklagte Arbeitgeber dem Dritten für die Verfahrenskosten des
Arbeitnehmers nicht aufgrund der §§ 1313 a bis 1316 ABGB haftet oder
aufgrund einer anderen gesetzlichen Verpflichtung vom Dritten
(Versicherer des Verpächters) zum Ersatz des Schadens in Anspruch
hätte genommen werden können, ist das DHG auf den Ausgleich zwischen
den Streitteilen nicht unmittelbar anwendbar. Nur in dem Maß, als die
Kosten des vom Dritten gegen den Arbeitnehmer angestrengten
Verfahrens vom Arbeitgeber im Rahmen des § 3 Abs 2 DHG ersetzt
werden, handelt es sich um einen im Rahmen des DHG von der
vollständigen Regelung erfaßten Teil des Ausgleiches zwischen
Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Hingegen handelt es sich nicht um einen
solchen Ausgleich zwischen Solidarschuldnern (vgl § 1302 ABGB), wenn
der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entweder zur Führung des Verfahrens
gegen den geschädigten Dritten aufforderte oder er durch einen Ersatz
des Schadens an den Dritten einem Rückgriff des Arbeitnehmers im
Rahmen des § 3 Abs 2 DHG die Rechtsgrundlage entzieht. Es liegt
mangels Akzessorietät bzw einer Solidarschuldnerschaft des
Arbeitgebers ein sogenannter Eigenschaden des Arbeitnehmers vor, der
von der Regelung des DHG nicht erfaßt wird, weil damit der Bereich
der Gehilfenhaftung und der Solidarschuldnerschaft des Arbeitgebers
überschritten wird. Diese Lücke ist im Wege der Analogie unter
Bedachtnahme auf die Regelung des § 1014 ABGB zu schließen. Für
diesen Eigenschaden des Arbeitnehmers ist unter den besonderen
Voraussetzungen der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber im Rahmen der ihn
treffenden Risikohaftung ersatzpflichtig (vgl Arb 10.784 = ZAS
1991/8, 57 [zust. Oberhofer] = DRdA 1991/12, 137 [kritisch Kerschner]
= RDW 1989, 342 = ind 1941), Blomeyer, Der Eigenschaden des
Arbeitnehmers, FS Kissel, 77, bejaht diesen Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers, insbesondere wenn der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers (aaO 93), im Rahmen der "Arbeitsadäquanz" (Blomeyer aaO 92; ebenso Oberhofer in Anm ZAS 1981, 59) tätig wurde, es ist aber auch das Eigenverschulden des Arbeitnehmers (Blomeyer aaO 95) unter Ausschluß des von diesem Freistellungsanspruch nicht erfaßten allgemeinen Lebensrisikos des Arbeitnehmers, das dieser grundsätzlich selbst zu tragen hat, erfaßt (Blomeyer aaO 91; derselbe in MünchAR § 58 mit ausdrücklicher Erwähnung der Prozeßkosten des gegen den Arbeitnehmer gerichteten Schadenersatzanspruches bei FN 23 unter Hinweis auf BAG , 7 AZR 670/79 = AP Nr 5 zu § 249 BGB, Vorteilsausgleichung).
Da die für die Beurteilung des Freistellungsanspruches der Klägerin im Bereiche ihrer "Außenhaftung" maßgeblichen Voraussetzungen mit den Streitteilen bisher noch nicht erörtert wurden, ist die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz erforderlich und diese hat insoweit sodann ergänzende Feststellungen zu treffen. Erheblich werden insbesondere die ausdrücklichen oder stillschweigenden Weisungen des Beklagten an die Klägerin vor dem Schadenersatzprozeß sein.
Die Auslagen der Klägerin für ihren Verteidiger im Strafverfahren sind nicht schlechthin ein nicht ersatzfähiger Vermögensschaden (vgl Kerschner in Tomandl [Herausgeber], Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis. Die Reichweite der Arbeitgeberhaftung nach § 114 ABGB, 57, bes 67). Zwar ist die Verurteilung der Klägerin ausschließlich auf ihr strafbares Verhalten zurückzuführen, jedoch darf dabei die Arbeitsadäquanz und eine mögliche Arbeitgeberweisung, die Klägerin solle sich zur entsprechenden Wahrung von Abwehransprüchen gegenüber der Versicherung (Bindungswirkung einer strafgerichtlichen Verurteilung = EvBl 1996/34, 224 = RdW 1996, 15; dazu Oberhammer, Verstärkter Senat - Bindung an das Strafurteil, ecolex 1995, 790) im Strafverfahren eines Verteidigers bedienen, nicht außer Acht gelassen werden. Ein auf derartige Umstände zurückzuführender Anteil der Verteidigerkosten könnte nach Billigkeit analog zu § 2 DHG ersatzfähig sein, wobei nach Maßgabe des Verschuldens (Fahrlässigkeit) sich die Klägerin eine Kürzung gefallen lassen müßte (vgl zum Ersatz von Verteidigerkosten BAG , 8 AZR 260/94 = BB 1995, 1488 = NZV 1995, 397).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.