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OGH vom 29.08.2002, 8Ob127/02p

OGH vom 29.08.2002, 8Ob127/02p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irene B*****, Private, *****, Prater*****, vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien wider die beklagte Partei K*****, *****, Große Mohren*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 29.069,12 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 193/01z-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 7 Cg 48/01g-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird soweit sie sich gegen die Abweisung des Klagebegehrens auf Zahlung von EUR 10.900,93 (S 150.000 an Ersatz für den Entgang des Lebenskostenbeitrages) richtet gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

II. Im Übrigen, das ist hinsichtlich der Abweisung eines weiteren Betrages von EUR 18.168,20 (S 250.000 an Schmerzengeld) wird der Revision Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in diesem Umfang sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung:

Der Lebensgefährte der Klägerin wurde am im Krankenhaus der Beklagten im 2. Wiener Gemeindebezirk wegen eines linksseitigen Leistenbruches operiert. In weitere Folge traten dramatische postoperative Probleme auf, die letztlich zum Tod des Lebensgefährten der Klägerin am führten. Dieser Tod löste bei der Klägerin "psychische Probleme", insbesondere Schlafstörungen aus. Die Klägerin hatte ihren Lebensgefährten bereits 1977 kennengelernt und zog dann 1980 von ihrem Wohnort Berlin zu ihrem Lebensgefährten nach Wien. Seit damals bestand zwischen ihr und ihrem Lebensgefährten eine durchgehende Lebensgemeinschaft, in der die Kosten zumindest vorwiegend von dem Lebensgefährten der Klägerin bestritten wurden. Die Klägerin begehrte einerseits S 250.000 an Schmerzensgeld und andererseits an entgangenem Lebenskostenbeitrag S 150.000. Die Klägerin stützt sich auf ihre langjährige Lebensgemeinschaft mit dem verstorbenen Patienten der Beklagte. Dessen Tod habe bei der Klägerin schwere Depressionen, Schlaflosigkeit, Erschöpfungszustände und eine Vereinsamung hervorgerufen.

Die vorgenommene Operation sei dem Patienten, der sich in gutem Gesundheitszustand befunden habe, von den Ärzten der Beklagten empfohlen worden. Obwohl der Patient nach der Operation grünlich erbrochen, an starken Schmerzen, Übelkeit und Schluckauf gelitten und kalte Schweißausbrüche, aber keinen Stuhl gehabt habe, hätten die Ärzte der Beklagten entgegen jeder medizinischen Kunst den Patienten nur mit fortgesetzter erhöhter Schmerzstillung und einem Einlauf behandelt. Die erst am fünften Tag vorgenommene neuerliche Operation habe dann gezeigt, dass es zu einer Darmperforation und einer Entleerung des Darminhaltes gekommen war, die eine Sepsis bewirkt hätten, was in weiterer Folge dann trotz Einlieferung in eine Intensivstation auch zum Tod des Patienten geführt habe. Ein lückenloser und widerspruchsfreier Befundbericht sei nicht erstellt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass die Operation fehlerfrei durchgeführt und dokumentiert worden sei. Der Patient habe aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes und auch anderer Einschränkungen offensichtlich über zu geringe Abwehrkräfte verfügt, um die Sepsis zu überwinden. Erst am 3. Tag nach der Operation sei es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen. Eine laporoskopische Schädigung des Darmes sei so selten, dass ein ärztlicher Kunstfehler nicht vorliege.

Aufgrund einer Lebensgemeinschaft könne die Klägerin keine Unterhaltsansprüche geltend machen. Die Klägerin habe als Lebensgefährtin auch keinen selbständigen Schmerzengeldanspruch. Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich aus dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dass dem Begehren der Klägerin als Lebensgefährtin selbst ausgehend von einem ärztlichen Kunstfehler keine Berechtigung zukomme. Als mittelbar Geschädigte habe sie aus dem Entfall der Beitragsleistung keinen Schadenersatzanspruch. § 1327 ABGB sehe diesen nur bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Parteien nicht Folge. Es erörterte rechtlich, dass zwar die neuere Judikatur den nahen Angehörigen einen Schmerzensgeldanspruch für Schockschäden bzw. bei grober Fahrlässigkeit auch für bloße Seelenschmerzen ohne eigene Gesundheitsschäden zubillige, dies jedoch nicht für den Lebensgefährten zutreffe.

Ebenso unberechtigt sei das Begehren auf Leistung eines Ersatzes für den entgangenen Unterhaltsbeitrag, da es sich bei der Klägerin um eine bloß mittelbar Geschädigte handle. § 1327 ABGB sehe jedoch Ersatzansprüche nur für die gesetzlichen Unterhaltsansprüche vor. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig, da keine Rechtsfrage mit einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung zu entscheiden gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der klagenden Parteien ist soweit sie sich gegen die Abweisung des Schmerzengeldbegehrens richtet zulässig und auch berechtigt. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob der Umfang des Angehörigenbegriffes bei Schockfällen auch Lebensgefährten umfasst liegt nicht vor.

Soweit sich die Revision gegen die Abweisung des Begehrens auf Ersatz des Unterhaltsbeitrages richtet ist sie mangels Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Der als "entgangener Lebenskostenbeitrag" pauschal geforderte Anspruch muss schon daran scheitern, dass ja § 1327 ABGB ausdrücklich die Frage der Unterhaltsansprüche von Hinterbliebenen regelt und dabei völlig eindeutig auf die gesetzlichen Unterhaltsansprüche abstellt, die (bloße) Lebensgefährtin aber keine gesetzlichen Unterhaltsansprüche hat (vgl RIS-Justiz RS0022552 mwN = SZ17/132, 2 Ob 64/92; RIS-Justiz RS0031792; zur erschöpfenden Umschreibung des Kreises der Anspruchsberechtigten: Reischauer in Rummel, ABGB² Rz 16 zu § 1327; Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft - ein Überblick, NZ 1995, 49 [60]). Diesbezüglich ist daher keine erhebliche Rechtsfrage zu beantworten.

Zum Schmerzengeldanspruch:

Nach § 1325 ABGB gebührt bei Verletzungen am Körper die Zahlung eines angemessenen Schmerzengeldes. Körperverletzung im Sinne dieser Bestimmung ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit. Innere Verletzungen oder Nervenschäden fallen jedenfalls dann unter den Begriff der Körperverletzung, wenn sie mit körperlichen Symptomen einhergehen, die als Krankheit anzusehen sind (ZVR 1977/54; ZVR 1995/46;

Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller Schmerzengeld7, 137; Reischauer in Rummel, ABGB² Rz 5 zu § 1325; Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 8/47;

Karner, Der Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung, 95). Nach der neueren Rechtsprechung gebührt nahen Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten "Schockschaden" mit Krankheitswert ebenfalls Schmerzengeld, weil diese "Dritten" durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar

Geschädigte anzusehen sind (vgl zu 2 Ob 79/00g = JBl

2001, 659 = RdW 2001/556 = ZVR 2001/52 [zust Karner] mwN etwa ZVR

1995/46, ZVR 1997/75; vgl auch allgemein RIS-Justiz RS0031111 mwN; Koziol, Haftpflichtrecht I² 161, nunmehr I³ Rz 8/47; Apathy, EKHG, Rz 1 zu § 13; Reischauer aaO Rz 5 zu § 1325 dazu auch Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller aaO, mwN; Danzl, Schmerzengeldansprüche für Angehörige der Opfer des Unglücks von Kaprun? ZVR 2000, 398 ff;

Karner, Rechtsprechungswende bei Schock- und Fernschäden Dritter?,

ZVR 1998, 182 [183]), Karner, Schmerzengeld für Angehörige, ecolex

2001, 37). Die Rechtswidrigkeit einer solchen Körperverletzung wird

dabei zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche

die Erstverletzung verhindern soll, aber aus der bei Verletzung

absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung abgeleitet

(OHG zu 2 Ob 79/00g = JBl 2001, 659 = RdW 2001/556 = ZVR

2001/52 [zust Karner] mwN Welser in Koziol/Welser II11 283 f). Die

Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung wird dadurch

eingegrenzt, dass es eines besonders starken Zurechnungsgrundes

bedarf, also die Verletzungshandlung gegenüber dem Angehörigen in

hohem Maß geeignet erscheint, einen Schockschaden herbeizuführen (OGH

zu 2 Ob 79/00g = JBl 2001, 659 = RdW 2001/556 = ZVR

2001/52 mwN = Karner, Rechtsprechungswende bei Schock- und

Fernschäden Dritter?, aaO 186 ff; derselbe in Der Ersatz ideeller

Schäden bei Körperverletzung 102). Der Schock muss im Hinblick auf

seinen Anlass verständlich sein ( zu 2 Ob 79/00g = JBl

2001, 659 = RdW 2001/556 = ZVR 2001/52 mwN Heinrichs in Palandt60

Vorbem § 249 dBGB Rn 71). Auslöser für die erlittene psychische Erkrankung in diesem Sinne kann aber bei nahem Verwandten auch die Todesnachricht sein, weil bei einer besonders engen persönlichen Verbundenheit, wie sie zwischen nahen Angehörigen typischerweise besteht, die Erstschädigung (Tötung) auch für den dritten Schockgeschädigten so gefährlich ist, dass von einer deliktischen Zufügung des Schockschadens gesprochen werden kann ( zu 2 Ob 79/00g = JBl 2001, 659 = RdW 2001/556 = ZVR 2001/52 mwN = insbes Koziol Haftpflichtrecht I³ Rz 8/47 und 11/11, Karner Der Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung, 102 f). Hier hat nun die Klägerin einen Schockschaden behauptet, dem Krankheitswert zukommt, da sie geltend gemacht hat, dass sie durch den von der Beklagten zu verantwortenden Tod des Lebensgefährten unter anderem eine schwere Depression bekommen habe. Im Hinblick darauf bedarf es auch keines Eingehens auf die Rechtsprechung, wonach bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers auch ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung iS des § 1325 ABGB geführt hat, in Betracht komme ( = ZVR 2001/73 [zust Karner] = JBl 2001, 660 = ASoK 2001, 323 [zust Stärker] = NZV 2002, 26; ecolex 2001/235 [krit Helmich]; zustimmend, aber gegen die Einschränkung auf grob schuldhaftes Verhalten des Schädigers auch im Bereich der Gefährdungshaftung, Schobel, Ersatzfähigkeit reiner Trauerschäden, RdW 2002/195).

Entscheidend ist vielmehr die Frage, wie eng der Kreis "naher Angehöriger" die Schmerzengeld für Schockschäden in diesem Sinne geltend machen können, zu ziehen ist.

Die vom Berufungsgericht zitierte Entschließung (75) 7 des Ministerkomitees des Europarates vom über den Schadenersatz im Falle von Körperverletzung oder Tötung (vgl Wiesbauer, Die Empfehlungen des Europarats zur Vereinheitlichung der Rechtsbegriffe des Schadenersatzes bei Körperverletzung und Tötung RZ 1977 4 ff und 24 ff; BRD dBGBl 1976 II 323) geht eher von einem engen Angehörigenbegriff aus, der grundsätzlich den Lebensgefährten nicht erfasst. Sie stellt allerdings nicht bloß auf tatsächliche krankheitswertige Schockschäden ab. Auch kommt ihr keine unmittelbare Wirksamkeit zu.

Generell wird die Entwicklung der europäischen Rechtsordnungen in dieser Frage des Schadenersatzes eher dahin beschrieben, dass auch Lebensgefährten solche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden (vgl etwa Bar Gemeineuropäisches Deliktsrecht 2, 76 ff; vgl zu den weitgehenden Regelungen in Schweden Schmerzengeld für Angehörige? VersRAI 2002, 11 [15]; allgemein enger BRD vgl etwa Ulmer im Münchener Kommentar3 § 847 Rz 16).

In der österr. Literatur tritt insbesondere Karner in seiner Glosse zu der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 2 Ob 79/00g (ZVR 2001/52) dafür ein, auch den Lebensgefährten zu den geschützten Angehörigen zu zählen. Nach seiner Ansicht ist weniger auf die formale familienrechtliche Beziehung abzustellen, sondern auf die tatsächliche Intensität der persönlichen Verbundenheit. Die Judikatur hat den Begriff der Lebensgemeinschaft vor allem im Zusammenhang mit dem Ruhen des nachehelichen Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft behandelt. Danach sind für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft drei Kriterien maßgeblich, nämlich die Eheähnlichkeit, die Wohn-Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft und drittens eine gewisse Dauer. Das eine oder andere Element kann weniger ausgeprägt sein oder sogar zur Gänze fehlen. Die "Dauer" ist bereits erfüllt, wenn die Partner ein längeres Zusammenleben beabsichtigen (vgl etwa Stabentheiner aaO 51 mwN insbes FN 27, 28, 30; Engel, rechtliche Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft JRP 1994, 160, [162]). Als charakteristisch wird auch die jederzeitige Auflösbarkeit der Lebensgemeinschaft hervorgehoben (RZ 1990/32 = EFSlg 60.111; EFSlg 54.315; JBl 1991, 589).

Wesentlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung des Umfanges des Angehörigenbegriffes ist das für die Erfassung der Schadenersatzansprüche von "Angehörigen" für Schockschäden maßgeblichen Kriterium, dass die Verletzungshandlung gegenüber dem "Angehörigen" typischerweise in hohem Maß geeignet erscheint, einen Schockschaden herbeizuführen.

Der Angehörigenbegriff muss solche Personen erfassen, bei denen in der Rechtsordnung eine typische Verbindung mit der verstorbenen Person in einer Weise verankert ist, dass auch dem schädigenden Dritten gegenüber der Schockschaden als typische Folge seiner Verletzungshandlung gesehen werden kann. Zu fordern ist, dass dies auch nach außen zum Ausdruck kommen muss, da es sonst - aus Beweisgründen- dem Lebensgefährten anheimgestellt wäre, sich jeweils zu seinen Gunsten auf seine Stellung zu berufen oder nicht. Die Stellung eines Lebensgefährten wurde nun von der Rechtsordnung mehrfach erfasst (vgl etwa Engel, Rechtliche Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, JRP 1994, 160 ff sowie Stabentheiner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft - ein Überblick, NZ 1995, 49 ff).

Entscheidend scheinen dabei nun weniger jene Regelungsbereiche, die die Lebensgefährten wegen ihrer typischen Bindung gegenüber einem unbeteiligten Dritten "schlechter" stellen ( § 32 Abs 1 KO oder § 4 AnfO) oder ihre "Befangenheit" berücksichtigen (vgl etwa § 73 Abs 2 StGB iVm §§ 152 und 153 StPO), sondern vielmehr jene Regelungen aus denen hervorgeht, dass der Gesetzgeber und die Judikatur der Beziehung der Lebensgefährten zueinander zu deren Gunsten auch gegenüber Dritten Gewicht zumessen.

Grundsätzlich anerkannt in diesem Zusammenhang ist etwa, dass auch eine Lebensgemeinschaft zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit bei der Übernahme von Bürgschaften für den Lebensgefährten führen kann. Die Judikatur hat daher die allgemeinen Grundsätze für eine allfällige Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger auch zugunsten von Lebensgefährten angewendet (vgl. etwa = SZ 71/117; = RdW 1998, 541 = ÖBA 1998/742; = ÖBA 1998/754). Die besondere Stellung der Lebensgefährtin wurde zuletzt bei der Zuerkennung der Besuchskosten anerkannt (vgl ).

Für die Abgrenzung wesentlich scheint, aber besonders die in § 14 Abs 3 MRG geschaffene Begriffsbestimmungen einer Lebensgemeinschaft, auch wenn sie einen mietrechtlichen Charakter hat (Stabentheiner, aaO; Deixler-Hübner, Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft6 Rz 235; Engel, aaO). Geht doch der Gesetzgeber dabei im Ergebnis davon aus, dass es die so definierte Lebensgemeinschaft es aus der typischerweise bestehenden engen, nach außen ersichtlichen Verbindung rechtfertigt, zugunsten des Lebensgefährten und zu Lasten auch eines sich rechtskonform verhaltenden Vertragspartners- des Vermieters- das Eintrittsrecht festzulegen. § 14 Abs 3 MRG fordert nun für die Qualifikation einer Person als Lebensgefährte des Mieters, dass diese mit dem Mieter "bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat"; dem dreijährigen Zusammenleben wird der gemeinsame Bezug der Wohnung gleichgehalten.

Sonst finden sich kaum Legaldefinitionen der Lebensgemeinschaft. Allerdings enthalten manche Regelungen nähere Voraussetzungen für die Anerkennung der Lebensgefährten.

§ 123 Abs 8 lit b i Vm § 123 Abs 7 ASVG ermöglicht die Einbeziehung von Lebensgefährten in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn diese mindestens 10 Monate mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt leben und ihm unentgeltlich diesen führen. Weitere Voraussetzung ist, dass kein arbeitsfähiger Ehegatte vorhanden ist. Auch kann nur eine Person einbezogen werden.

§ 67 Abs 2 VerSVG kennt den Ausschluss des Regresses der Versicherung gegen einen "in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen". Davon wird auch der Lebensgefährte erfasst, der in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushalts-Wirtschafts-Wohngemeinschaft lebt. Andernfalls wäre der Versicherte infolge der Wirtschaftsgemeinschaft wieder mit dem

eingetretenen Schaden belastet ( = VersE

1410 = EvBl 1989/59 = SZ 61/258 uva).

Neben dem im Wesentlichen allgemein vorausgesetzten Grundverständnis einer Lebensgemeinschaft als eheähnliche Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft lassen sich als Kriterien aus den genannten gesetzlichen Regelungen das Erfordernis einer - nach außen auch nachvollziehbaren - Wohngemeinschaft, einer Untergrenze der erwiesenen Dauerhaftigkeit und in gewissem Umfang auch des Fehlens eines Ehepartners erkennen.

Auf die näheren Abgrenzungen, insbesondere in welchem Ausmaß und ob alle Voraussetzungen immer erfüllt sein müssen ist hier nicht näher einzugehen, da die Klägerin die Voraussetzungen zur Gänze erfüllt. Sie hat mit dem verstorbenen Patienten über 20 Jahre in einer Wirtschafts- Geschlechts- und Wohngemeinschaft gelebt. Dass dieser eine Ehegattin hätte, wurde nicht vorgebracht.

Damit ist der Klägerin aber dann, wenn die Todesnachricht bei ihr tatsächlich eine Depression mit Krankheitswert hervorgerufen hat und die Beklagte für den Tod des Patienten wegen eines Behandlungsfehlers einstehen muss, für die mit der Krankheit verbundenen Schmerzzustände auch ein Schmerzengeld zuzubilligen.

Im fortgesetzten Verfahren werden daher die Krankheitszustände der

Klägerin und deren Verursachung durch die Todesnachricht näher zu

prüfen sein. Zur Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers ist

vorweg auch festzuhalten, dass grundsätzlich die Beweislast für das

vorliegen des Behandlungsfehlers und dessen Kausalität für den

eingetretenen Schaden den Patienten bzw den Angehörigen trifft (vgl

etwa = RdM2002/4 mwN = JBl 2000, 657

[Jabornegg] = RdM 2000/11 = EvBl 2000/79; 6 Ob 3/98d, SZ 69/199, JBl

1995, 453 uva.). Schon aus dem Wesen des Behandlungsvertrages (vgl

auch § 22 a ÄrzteG) ergibt sich die Verpflichtung zur Führung von

Aufzeichnungen (vgl = RdM 2002/4 mwN=

RIS-Justiz RS0038270 = insbes OGH 1 Ob 550/84 = SZ 57/98 = EvBl

1985/32 = JBl 1985, 159; SZ 67/9 uva; Stellamor/Steiner Handbuch des

österreichischen Arztrechts I, 470; Juen Arzthaftungsrecht 125).

Verletzt nun der Arzt -wie hier behauptet- diese Dokumentationspflicht, so hat dies als beweisrechtliche Konsequenz zur Folge, dass zugunsten des Patienten -Angehörigen- zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten beim Nachweis ärztlicher Behandlungsfehler eine der Schwere der Dokumentationspflichtverletzung entsprechende Beweiserleichterung Platz zu greifen hat. Damit soll es zu einer gerechten Rollenverteilung im Arzt-Patienten-Verhältnis kommen (vgl = RdM 2002/4 mwN = SZ 68/207 = JBl 1996, 181 = RdM 1996/7; OGH 3 Ob 2121/96z = RdM 1998/7 = EvBl 1998/24; Giesen Arzthaftungsrecht4, 327).

Da sich die Vorinstanzen mit der Feststellung begnügt haben, dass der Tod "psychische Probleme, insbesondere Schlafstörungen" auslöste (AS 35) und daraus nicht klar ist, ob die von der Klägerin behauptete Depression (Gesundheitsschädigung) vorliegt, werden dazu genauere Feststellungen zu treffen sein, ebenso gegebenenfalls zu den von der Beklagten zu vertretenden Behandlungsfehlern und zu der Höhe des daraus resultierenden Schmerzengeldes.

Insgesamt war daher die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurückzuverweisen.