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OGH vom 27.04.2016, 8Ob126/15k

OGH vom 27.04.2016, 8Ob126/15k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. D***** P*****, vertreten durch Mag. Elisabeth Kempl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei P***** KG, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 36.695,58 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 5 R 124/15i 31, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 23 Cg 70/13i 26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einschluss des bereits rechtskräftig abgewiesenen Teilbegehrens insgesamt zu lauten hat:

„1. Der zwischen der klagenden und der beklagten Partei am abgeschlossene Vertrag wird aufgehoben.

2. Die Klagsforderung besteht mit 36.695,58 EUR zu Recht.

3. Die Gegenforderung der beklagten Partei besteht mit 3.000 EUR zu Recht.

4. Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 33.695,58 EUR, Zug um Zug gegen Rückstellung des Kraftfahrzeugs *****, Fahrgestellnummer WVGZZZ5NZEW511804, zu bezahlen.

5. Das auf Zahlung weiterer 3.000 EUR gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.

6. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.872,26 EUR (darin 2.255 EUR Barauslagen und 1.436,21 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 5.880 EUR (darin 753 EUR USt und 1.362 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs und Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erwarb bei der Beklagten mit Kaufvertrag vom einen Neuwagen der Marke *****, Modell „*****“, in der Lackfarbe „*****“ um einen Gesamtkaufpreis von 36.695,58 EUR. Am wurde ihr das Fahrzeug übergeben. Bereits im Jahre 2009 hatte die Klägerin einen Neuwagen der gleichen Marke und Modellserie und mit der gleichen Lackfarbe bei der Beklagten erworben, mit dem sie rundum zufrieden war, weshalb sie wieder das gleiche Modell haben wollte.

Die Klägerin benutzte die jeweiligen Fahrzeuge seit 2009 für den Weg zu ihrem Arbeitsplatz und stellte sie dort während ihrer Arbeitszeit, die auch Nachtdienste umfasste, auf einem naturbelassenen Parkplatzareal unter Bäumen ab. Die dort parkenden Fahrzeuge werden immer wieder durch Vogelkot verunreinigt. In solchen Fällen reinigte die Klägerin ihr 2009 erworbenes Fahrzeug entweder mit einer Handwäsche oder in einer Waschstraße, wodurch sich die Verschmutzungen entfernen ließen, ohne Verfärbungen auf dem Lack zu hinterlassen.

Vor dem Ankauf des klagsgegenständlichen Neuwagens sah sie sich auf der Internetseite der Beklagten zu diesem Modell den Punkt „Lackierungen“ an und las dort Folgendes: „ Das aufwendige Lackierverfahren von ***** wird allerhöchsten Ansprüchen gerecht. Die Basis für einen perfekten Lackauftrag bildet die galvanische Verzinkung als zuverlässiger Korrosionsschutz. (…).“

Die Klägerin führte das Ankaufsgespräch im Jahr 2013 wieder mit dem selben Verkaufsmitarbeiter der Beklagten. Es wurde besprochen, dass sie diesmal einen ***** mit Automatik und Spiegel erwerben wollte, ansonsten sollte alles so bleiben wie beim ersten Kauf im Jahre 2009. Die Klägerin wollte zunächst eine blaue Lackierung, entschloss sich aber über Hinweis des Verkäufers, dass es für ein schwarzes Fahrzeug bessere Verwertungsmöglichkeiten auf dem Gebrauchtwagenmarkt gebe, wiederum für den Lack „*****“.

Die Klägerin ging bei Abschluss dieses Kaufvertrags davon aus, dass das Fahrzeug eine Lackqualität entsprechend dem Vorgängermodell und entsprechend den Werbeaussagen auf der Internetseite der Beklagten aufweisen würde. Von der Beklagten wurde ihr nicht mitgeteilt, dass sich hinsichtlich der Qualität des Lacks im Hinblick auf Umwelteinflüsse wie Vogelkot oder bei den technischen Standards gegenüber 2009 etwas verändert habe. Es wurden ihr keine besonderen Verwahrungs und Pflegehinweise erteilt.

Tatsächlich war die ÖNORM für Fahrzeuglacke im Jahre 2010 dahin geändert worden, dass die Lackdicke für Originallackierungen reduziert wurde und nur mehr lösungsmittelfreie Lacke zu verwenden waren. Diese Änderung bewirkte, dass Neufahrzeuglacke im Vergleich zum technischen Standard im Jahre 2009 eine geringere technische Beständigkeit gegenüber Umwelteinflüssen aufwiesen.

Auch das 2013 gekaufte Klagsfahrzeug ist mit lösungsmittelfreiem Lack versehen und weist eine den reduzierten ÖNORM Standards entsprechende Lackstärke auf (Bandbreite von 70 μm bis 300 μm), wodurch es gegenüber den vor 2010 geltenden Standards eine erhöhte Angriffsmöglichkeit für Umwelteinflüsse, wie etwa Abätzungen durch Vogelkot, bot.

Bereits zwei oder drei Wochen nach der Übergabe des Fahrzeugs im Juli 2013 traten weißliche Flecken auf dem schwarzen Lack auf, die von Vogelkot herrührten, obwohl die Klägerin das Fahrzeug regelmäßig reinigte und den Kot nicht eintrocknen ließ. Bereits Anfang Oktober 2013 waren am gesamten Fahrzeug weißliche Flecken zu sehen, wo der Lack durch Vogelkot angeätzt wurde. Die Flecken führen zu einer optischen Beeinträchtigung und zu einer verkürzten Nutzungsdauer. Ob eine Spezialreinigung zur Entfernung der Flecken führen kann, ist ungewiss; eine Reparaturlackierung wäre möglich. Ohne Behandlung ist davon auszugehen, dass der Lack in zwei bis drei Jahren an diesen Stellen abblättert und Rost entsteht.

Es war für die Klägerin wesentlich, dass der Lack des neuen ***** die gleiche Qualität aufweist wie jener des 2009 gekauften Fahrzeugs. Hätte sie gewusst, dass die Lackqualität geändert wurde und Vogelkot nun trotz ordnungsgemäßer Reinigung Flecken auf dem Lack hinterlässt, hätte sie das Fahrzeug nicht gekauft.

Zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung wies das Klagsfahrzeug einen Kilometerstand von 12.000 auf.

In der am beim Erstgericht eingelangten Klage werden die Aufhebung des Kaufvertrags und die Rückzahlung des Kaufpreises begehrt.

Die Lackierung weise einen nicht nur geringfügigen Mangel auf, dessen Behebung die Beklagte verweigere. Das Wandlungsbegehren werde auch auf einen von der Beklagten veranlassten Irrtum gestützt. Sie habe eine „Lackgarantie“ übernommen und durch Werbeaussagen der Klägerin fälschlicherweise vermittelt, dass das Fahrzeug eine besonders hochwertige Lackierung aufweise.

Die Beklagte wandte ein, das Fahrzeug sei mit mangelfreier Werkslackierung an die Klägerin ausgeliefert worden. Die vorhandenen Beschädigungen seien offenbar auf unzureichende Reinigung zurückzuführen. Besondere Anforderungen an die Lackqualität seien im Verkaufsgespräch kein Thema gewesen. Für Ansprüche aus der „Lackgarantie“ sei die Beklagte nicht passiv legitimiert.

Im Fall der Wandlung müsse sich die Klägerin ein angemessenes Benützungsentgelt anrechnen lassen, weil das Fahrzeug uneingeschränkt verwendbar sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises abzüglich 750 EUR Benützungsentgelt, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Die Klägerin habe sich bezüglich Qualität und Beständigkeit der Lackierung ihres Neuwagens in einem für die Kaufentscheidung wesentlichen Irrtum befunden, der von der Beklagten durch Vernachlässigung ihrer im Einzelfall bestehenden Aufklärungspflichten über die gegenüber dem Vorgängerfahrzeug verschlechterte Qualität veranlasst worden sei. Der Beklagten stehe eine Gegenforderung aus dem Titel des Benützungsentgelts zu. Für 12.000 gefahrene Kilometer sei ein Benützungsentgelt von 3.000 EUR der Höhe nach angemessen, jedoch habe sich die Klägerin nur den bis zur erstmaligen Erhebung des Wandlungsbegehrens angefallenen Teil von einem Viertel (§ 273 ZPO) anrechnen zu lassen.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten Folge und wies mit dem angefochtenen Urteil das Klagebegehren zur Gänze ab.

Es verneinte eine Aufklärungsverpflichtung der Beklagten über die Änderung der Lackqualität, zumal diese auf neuen technischen Standardvorgaben beruhe. Mit (auch) umweltschutzbedingten Änderungen der technischen Eigenschaften eines Fahrzeugmodells müsse von vornherein gerechnet werden. Es habe der Beklagten mangels besonderer Anhaltspunkte nicht klar sein können, dass die Klägerin eine unveränderte Qualität des Lacks „*****“ erwartet habe. Es habe 2013 auf dem Neuwagensektor auch keine Alternative zu einem lösungsmittelfreien Lack gegeben. Die Werbeaussagen über ein „allerhöchsten Ansprüchen genügendes Lackierverfahren“ bezögen sich auf die galvanische Verzinkung des Fahrzeugblechs und nicht auf sonstige Eigenschaften. Ein verständiger Erwerber erwarte aufgrund dieser Aussage nicht, dass keinerlei Lackschäden durch Einwirkung ätzender Substanzen auftreten können.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung anstrebt. Die Beklagte hat die ihr nach § 508a Abs 2 ZPO freigestellte Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in korrekturbedürftiger Weise abgewichen ist. Die Revision ist zum überwiegenden Teil auch berechtigt.

1. Die Klägerin hat ihren Anspruch in erster Linie auf Gewährleistung gestützt.

Gemäß § 922 Abs 1 ABGB leistet, wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, Gewähr dafür, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann.

Ob eine Eigenschaft im Sinne des Gesetzes als gewöhnlich vorausgesetzt anzusehen ist, ist an der Verkehrsauffassung zu messen. Der Kaufgegenstand muss der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können (RIS Justiz RS0114333 [insb T 3]).

Bei üblichem, bestimmungsgemäßem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs ist eine Verschmutzung des Lacks durch Vogelkot früher oder später unvermeidlich. Es gehört zu den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften eines fabriksneuen Kraftfahrzeugs des mittelklassigen Preissegments, dass seine Lackierung unter der Voraussetzung regelmäßiger, sorgfältiger Pflege länger als nur zwei oder drei Wochen ab Übergabe gegen alltäglich vorkommende Umwelteinflüsse beständig ist. Selbst wenn man annehmen wollte, dass ein durchschnittlicher Fahrzeugkäufer über die chemische Aggressivität von Vogelkot auf Autolacken Bescheid weiß, entspricht es nicht der allgemeinen Erfahrung, dass solche Verschmutzungen trotz umgehender Entfernung auf einem fabriksneuen Fahrzeug unvermeidlich grobe Lackschäden bewirken.

2. Der Oberste Gerichtshof ist an die Feststellung der Tatsacheninstanzen, dass die Klägerin ihr neues Fahrzeug regelmäßig gereinigt hat und Vogelkot nicht eintrocknen ließ, gebunden. Die Klägerin hat also die einem Käufer zumutbaren Vorbeugungsmaßnahmen gegen Schäden durch diese aggressiven Substanzen eingehalten. Wenn nun die Lackierung des ***** dennoch schon innerhalb der ersten drei Wochen des Gebrauchs dauerhaft beschädigt werden konnte, entsprach sie nicht den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften einer Neuwagenlackierung.

Der Revisionswerberin ist überdies auch beizupflichten, dass die festgestellten Werbeaussagen der Beklagten beim potentiellen Erwerber die berechtigte Erwartung einer qualitativ besonders hochwertigen Lackierung wecken mussten. Auch wenn darin konkret auf den Korrosionsschutz Bezug genommen wird, dürfen die verwendeten Ausdrücke wie „ aufwendiges Lackierverfahren“, „allerhöchste Ansprüche“ und „ Basis für einen perfekten Lackauftrag“ nicht übersehen werden. Selbst bei äußerster Reduktion der Werbeaussage kann sie keinesfalls dahin verstanden werden, dass der über dem galvanischen Rostschutz „perfekt“ aufgetragene Lack nicht einmal alltäglichen Umwelteinflüssen standhält.

Entgegen der Argumentation der Beklagten geht es im vorliegenden Fall nicht um eine überzogene Käufererwartung, dass ätzende Verschmutzungen den Lack überhaupt nie beschädigen könnten, sondern um die berechtigte Erwartung, dass es nicht praktisch unabwendbar schon in kürzester Zeit zu solchen Beschädigungen kommt.

3. Das vom Berufungsgericht hervorgehobene Argument, die Lackierung des ***** habe der geltenden ÖNORM entsprochen und es seien seit 2010 alle Neufahrzeuge mit lösungsmittelfreiem Lack versehen, vermag zur Lösung der Rechtsfrage nichts beizutragen.

Auch wenn fest steht, dass lösungsmittelfreie Lacke allgemein weniger gegen Umwelteinflüsse beständig sind als lösungsmittelhältige, besagt dies nicht, dass alle auf dem Markt befindlichen lösungsmittelfreien Autolacke durchwegs von gleicher (konkret: gleich minderer) Qualität sind, und dass qualitativ bessere Lacke als der beim Klagsfahrzeug verwendete innerhalb des Sortiments nicht erhältlich wären. Derartiges hat die Beklagte auch nicht vorgebracht.

Fest steht auch, dass die Beständigkeit eines Fahrzeuglacks nicht nur von der chemischen Zusammensetzung, sondern auch von der Dicke des Auftrags abhängt. Die ÖNORM V 5051, auf die sich die Vorinstanzen bezogen haben, sieht für Originallackierungen an den Außenflächen eine Bandbreite zwischen 70 und 300 ɥm vor.

Das Klagsfahrzeug weist unstrittig (Sachverständigengutachten Blatt 34) eine Lackschichtdicke im Bereich von 120 ɥm bis maximal 129 ɥm auf, womit es im unteren Drittel der nach der ÖNORM zulässigen Bandbreite liegt. Daraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass Neufahrzeuge mit einer dickeren und dadurch auch widerstandsfähigeren Lackierung nicht auf dem Markt erhältlich wären.

4. Nach § 932 Abs 2 ABGB kann der Übernehmer wegen eines Mangels von den in § 932 Abs 1 ABGB genannten Gewährleistungsbehelfen (Verbesserung, Austausch der Sache, angemessene Minderung des Entgelts oder Aufhebung des Vertrags) zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre, oder wenn der Gewährleistungspflichtige die Verbesserung verweigert (8 Ob 145/10x mwN).

Eine Verbesserung des Fahrzeugs durch Behebung der Lackschäden hat die Klägerin von der Beklagten, die jeglichen Sachmangel in Abrede stellt, vor Klagseinbringung vergeblich verlangt.

Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich, dann hat der Übernehmer nach § 932 Abs 4 ABGB das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung (vgl 5 Ob 191/05g; 4 Ob 80/12m; Ofner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 932 ABGB Rz 2; vgl auch Reischauer , Das neue Gewährleistungsrecht und seine schadenersatzrechtlichen Folgen, JBl 2002, 137 [143 f]).

Bei der Prüfung, ob allenfalls ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen (RIS Justiz RS0119978). Es sind dabei die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Aufhebung des Vertrags im Hinblick auf die damit verbundenen Folgen für die Parteien, aber auch die „Schwere“ des Mangels zu berücksichtigen (8 Ob 63/05f; 3 Ob 202/10t). Die Behebbarkeit des Mangels und ein allfälliger geringer Behebungsaufwand sind für die Beurteilung der Geringfügigkeit des Mangels nicht allein ausschlaggebend (RIS Justiz RS0119978 [T8]).

Der Revisionswerberin ist hier zuzustimmen, dass ein Lackmangel, der nicht nur eine optische Beeinträchtigung bewirkt, sondern bereits nach drei bis vier Jahren zu Roststellen und insgesamt zu einer verkürzten Nutzungsdauer führt, nicht mehr als geringfügig angesehen werden kann. Selbst wenn was nicht fest steht beim Klagsfahrzeug ein Auspolieren der Flecken technisch noch möglich wäre, könnte damit kein auf Dauer befriedigender Zustand hergestellt werden, weil beim nächsten Kontakt mit Vogelkot wieder mit Beschädigungen zu rechnen wäre.

Das von der Klägerin erhobene Wandlungsbegehren erweist sich daher dem Grunde nach als berechtigt.

5. Auf die von den Vorinstanzen eingehend behandelte Irrtumsproblematik muss bei diesem Ergebnis nicht mehr weiter eingegangen werden.

Ob die geringe Widerstandsfähigkeit des Lacks des Klagsfahrzeugs eine Eigenschaft ist, die allen Fahrzeugen dieser Marke (bzw Modellreihe, Farbe) anhaftete, sodass die Beklagte in Kenntnis dieser Eigenschaft Aufklärungspflichten getroffen hätten, oder ob allenfalls nur ein kleiner Teil der Produktion betroffen war und die Beklagte mangels Kenntnis des Problems gar nicht darüber aufklären hätte können, bedarf daher keiner näheren Erörterung.

6. Der Revision ist lediglich in Bezug auf die (mit 3.000 EUR im Rechtsmittelverfahren aufrecht erhaltene) Gegenforderung der beklagten Partei keine Folge zu geben.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Interessenabwägung bei einem berechtigten Wandlungsbegehren nur jenen Wertverlust zu berücksichtigen hat, der bis zu dem Zeitpunkt entstanden ist, zu dem der Kläger erstmals berechtigt Wandlung begehrt hat (RIS Justiz RS0120321; 8 Ob 63/05f; 2 Ob 95/06v ua). Der Verkäufer kann sich bei verzögerter Abwicklung auf eine bloß theoretische Gebrauchsmöglichkeit ebenso wenig berufen wie auf den rein infolge Zeitablaufs eingetretenen Wertverlust (4 Ob 286/04v).

Diese Einschränkung gilt aber nicht für die Anrechnung jenes tatsächlichen Nutzens, den der Kläger durch eine fortgesetzte Verwendung der Sache lukriert hat, indem er sich den Aufwand für eine Ersatzbeschaffung erspart hat (8 Ob 74/13k; 2 Ob 95/06v). Die Klägerin hat sich durch die weitere Benützung des Klagsfahrzeugs bis zum Ende des erstinstanzlichen Verfahrens Kosten erspart, die sie für ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug oder eine alternative Beförderungsmöglichkeit aufwenden hätte müssen.

Nach dem Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter können die Mitgliedstaaten im hier vorliegenden Fall einer Vertragsauflösung ( Quelle AG Rz 39) vorsehen, dass eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung erfolgt ist.

Die pauschale Bemessung dieser Ersparnis durch das Erstgericht mit 3.000 EUR blieb der Höhe nach von beiden Streitteilen unbekämpft. Eine lediglich aliquote Anrechnung dieses Betrags nur für den Zeitraum bis zum ersten außergerichtlichen Wandlungsbegehren würde dem Zweck des Vorteilsausgleichs widersprechen und ist nicht vorzunehmen.

7. Der Revision war daher im Ergebnis teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO. Die Klägerin ist auch unter Berücksichtigung der höheren Gegenforderung letztlich nur mit einem noch geringfügigen, in allen Verfahrensabschnitten 10 % des Klagebegehrens unterschreitenden Teil unterlegen, sodass die Beklagte ihr die gesamten Verfahrenskosten, jedoch auf Basis des obsiegten Betrags, zu ersetzen hat ( Klauser/Kodek JN ZPO 17 , § 43 ZPO E 79, 82).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00126.15K.0427.000