OGH vom 24.02.2009, 10Ob84/08p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Stefan L*****, geboren am , *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, MA 11, Amt für Jugend und Familie - Rechtsvertretung für den 2. und 20. Bezirk, Meldemannstraße 12-14/2. Stock, 1200 Wien), dieses vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte in Wien, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 375/08b-U13, womit infolge Rekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 5 P 15/08v-U4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der am geborene Stefan L***** ist der Sohn von Carmen A***** und Radu-Christian L*****. Der Minderjährige, der bei seiner Mutter in Österreich lebt, und seine Eltern sind rumänische Staatsbürger. Ob die Mutter seit der Antragstellung () in Österreich als Arbeitnehmerin unselbständig oder selbständig erwerbstätig oder als Arbeitslose sozialversichert war/ist, steht ebensowenig fest, wie der (aktuelle) Aufenthaltsort des Vaters, der nach seiner letzten bekannten Adresse in Großbritannien lebt(e). Am beantragte der Minderjährige die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG. Es gebe für ihn lediglich den vorgelegten Prozenttitel (Urteil des Bezirksgerichts Bacau/Rumänien vom , wonach der Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 25 % seines Nettoeinkommens ab für den Minderjährigen bis zu dessen Volljährigkeit verpflichtet ist). Der Vater sei ausgebildeter Pädagoge und „unbekannten Aufenthaltes in England". Der Unterhaltstitel sei seit Erlassung älter als drei Jahre und eine Neufestsetzung aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners nicht möglich. Es sei nicht offenbar, dass die unterhaltspflichtige Person zu keinerlei Unterhaltsleistung im Stande sei.
Das Erstgericht bewilligte dem Minderjährigen monatliche Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG in der Höhe von derzeit 245 EUR für die Zeit vom bis .
Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Bundes den Beschluss des Erstgerichts im antragsabweisenden Sinn ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zulässig sei. Strittig sei, ob der Antragsteller nach den Bestimmungen der Verordnung (EWG) 1408/71 Anspruch auf Unterhaltsvorschuss habe. In den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung falle eine Person, die zumindest einen Elternteil habe, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger im Sinn des § 2 Abs 1 iVm Art 1 lit f Z 1 der Verordnung sei. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 4/07b; 6 Ob 121/07y und 1 Ob 267/07g) knüpfe der Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse als Familienleistungen im Sinne der VO 1408/71 an die Rechtsstellung des Unterhaltsschuldners an, in dessen Haushalt das Kind nicht lebe und der den ihm auferlegten Geldunterhalt als Familienlast nicht tragen könne oder wolle. Die Unterhaltsvorschüsse substituierten Geldleistungen des säumigen Unterhaltsschuldners. Das Kind, das im Haushalt seiner Mutter lebe und deshalb dieser gegenüber keinen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen habe, falle nur in seiner Eigenschaft als Familienangehöriger des Vaters (Geldschuldners) in den persönlichen Geltungsbereich der VO 1408/71. Dieser sei hier unbekannten Aufenthalts in Großbritannien. Ob er beschäftigt sei oder Sozialleistungen beziehe, sei nicht bekannt. Für den Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse sei jenes System sozialer Sicherheit ausschlaggebend, in das der Geldunterhaltsschuldner, in dessen Haushalt das Kind nicht lebe, eingebunden sei. Ein im Inland aufhältiges Kind habe als Staatsbürger eines anderen Mitgliedstaats und Familienangehöriger eines nur in diesem Mitgliedstaat (un)selbständig Berufstätigen und allein dort in das System sozialer Sicherheit eingebundenen Geldunterhaltsschuldners keinen Anspruch auf Gewährung österreichischer Unterhaltsvorschüsse, weshalb der Antrag abzuweisen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zulässig sei, weil ein Fall mit unbekanntem Aufenthalt des Unterhaltsschuldners in einem Mitgliedstaat vom Höchstgericht noch nicht entschieden worden sei.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen mit dem Antrag auf Wiederherstellung der antragstattgebenden Entscheidung des Erstgerichts; hilfsweise wird die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses unter Zurückverweisung der Rechtssache an das Rekurs- oder an das Erstgericht beantragt.
Der Präsident des Oberlandesgerichts Wien als Vertreter des Bundes beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Der Revisionsrekurs des Antragstellers wurde entsprechend dem Auftrag des erkennenden Senats vom auch dem Vater und der Mutter zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung zugestellt. Nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist wurden die Akten dem Obersten Gerichtshof neuerlich zur Entscheidung vorgelegt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber wendet sich gegen die (auf der zitierten jüngeren Rechtsprechung beruhende) Beurteilung, dass für den Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse jenes System ausschlaggebend sei, in das der Geldunterhaltsschuldner, in dessen Haushalt das Kind nicht lebe, eingebunden sei. Er beruft sich ua darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung aufgrund der Entscheidungen des EuGH Familienangehörige „von Wanderarbeitnehmern" im Sinn der Verordnung (EWG) 1408/71 Anspruch auf Familienleistungen hätten, die der Staat - wie nach § 2 Abs 1 UVG - für Inländer vorsehe. Da der Unterhaltsschuldner derzeit unbekannten Aufenthalts (vermutlich in Großbritannien aufhältig aber nicht erreichbar) sei, sei nicht eindeutig klar, ob und in welches soziale System er derzeit eingebettet sei; jedenfalls könne aber keine „alleinige Einbindung" in das soziale System von Großbritannien erschlossen werden. Der Revisionsrekurswerber macht damit auch geltend, er falle in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung, weil er zumindest einen Elternteil habe, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger im Sinne des Art 2 Abs 1 dieser Verordnung sei. Seinen Ausführungen kommt daher - im Ergebnis (vgl 10 Ob 78/08f) - Berechtigung zu.
Der Senat, der nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs seit als Fachsenat für Rechtssachen nach dem UVG (ausschließlich) zuständig ist, hat zu dem von dem Antragsteller (allein) auf die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 idgF (im Folgenden: VO 1408/71) gestützten Anspruch auf Unterhaltsvorschuss Folgendes erwogen:
1. Zunächst ist festzustellen, dass die Vorschriften der VO 1408/71 weiterhin in Geltung stehen, da bisher noch keine Durchführungsverordnung zu der Verordnung (EG) Nr 883/2004 erlassen worden ist (vgl RIS-Justiz RS0121167 ua).
2. Weiters steht aufgrund der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH (vgl , Rs C-85/99, Offermanns, Slg 2001, I-2261; , Rs C-255/99, Humer, Slg 2002, I-1205; , Rs C-302/02, Effing, Slg 2005, I-553) unbestritten fest, dass der von dem Antragsteller beanspruchte Unterhaltsvorschuss nach dem UVG eine Familienleistung im Sinn des Art 4 Abs 1 lit h der VO 1408/71 ist und damit in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt.
3.1. Der persönliche Geltungsbereich der VO 1408/71 wird in ihrem Art 2 festgelegt. In dessen Abs 1 wird bestimmt, dass die Verordnung für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene gilt. Der Begriff „Familienangehöriger" wird in Art 1 lit f Z i der VO definiert als jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird. Da nach der Rechtsprechung des EuGH die Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten grundsätzlich nicht für Familienleistungen gilt (vgl EuGH, , Rs C-85/99, Offermanns, Slg 2001, I-2261 Rz 34 mwN), kommt es für den unterhaltsberechtigten Antragsteller, um in den persönlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 zu fallen, nur mehr darauf an, ob er seine Stellung von einem Elternteil ableiten kann (vgl Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom , Rs C-85/99, Offermanns, Slg 2001, I-2261 Rz 55 ua). Der persönliche Anwendungsbereich nach Art 2 VO 1408/71 ist daher eröffnet, wenn der Antragsteller als Familienangehöriger eines Arbeitnehmers, Selbständigen oder Studierenden anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH und der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fällt somit eine Person, die einen Elternteil hat, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger im Sinn des Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 lit f Z i der VO 1408/71 ist, in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung (EuGH, , Rs C-255/99, Humer, Slg 2002, I-1205 Rz 54; RIS-Justiz RS0116311). Dieser Grundsatz wurde auch in der vom Rekursgericht zitierten jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 4/07b; 6 Ob 121/07y) ausdrücklich aufrecht erhalten. Der Begriff des „Arbeitnehmers" wird in Art 1 lit a Z i der VO 1408/71 definiert. Danach besitzt eine Person die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der VO 1408/71, wenn sie gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist. Dieser Begriff des Arbeitnehmers setzt nicht eine umfassende Vollversicherung voraus, vielmehr genügt schon die Pflichtversicherung gegen ein Risiko - so etwa die verpflichtende Unfallversicherung für geringfügig Beschäftigte zur Begründung der Arbeitnehmereigenschaft (4 Ob 117/02p = SZ 2002/77). Als Arbeitnehmer im Sinn der Verordnung gilt auch eine Person, die die Voraussetzungen für den Bezug aus der Arbeitslosenversicherung erfüllt (4 Ob 124/05x;
10 Ob 36/08d).
3.2. Im vorliegenden Fall steht in diesem Zusammenhang lediglich fest, dass der Vater unbekannten Aufenthalts in Großbritannien sei;
es sind daher Feststellungen darüber erforderlich, ob die Mutter des Antragstellers, mit der er in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit dem Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen () in Österreich als Arbeitnehmerin unselbständig oder selbständig erwerbstätig oder als arbeitslose Arbeitnehmerin sozialversichert war/ist (10 Ob 75/08i; 10 Ob 83/08s). Als tätige oder arbeitslose EWR-Arbeitnehmerin oder Selbständige, die einem Zweig der sozialen Sicherheit im Sinn des Art 4 der VO 1408/71 untersteht, würde sie und damit auch der Antragsteller als ihr Kind in den persönlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 fallen (vgl Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom , Rs C-85/99, Offermanns, Slg 2001, I-2261 Rz 56 f).
4.1. Eine weitere Voraussetzung für die Anwendung der VO 1408/71 ist das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts. Diese Voraussetzung ist dahin zu verstehen, dass eine Anwendung der Vorschriften über die Koordination von Leistungen der sozialen Sicherheit nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte in Betracht kommt. Der danach als Grundvoraussetzung für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu fordernde gemeinschaftliche, grenzüberschreitende Bezug setzt also voraus, dass Personen, Sachverhalte oder Begehren eine rechtliche Beziehung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen. Diese Umstände können in der Staatsangehörigkeit, dem Wohn- oder Beschäftigungsort, dem Ort eines die Leistungspflicht auslösenden Ereignisses, vormaliger Arbeitstätigkeit unter dem Recht eines anderen Mitgliedstaats oder ähnlichen Merkmalen gesehen werden (vgl Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 Art 2 VO 1408/71 Rz 6 und 14 mwN; RIS-Justiz RS0117828 [T1] ua). Dieser notwendige grenzüberschreitende Bezug kann daher nicht nur dadurch zustande kommen, dass der Unterhaltsschuldner von der Freizügigkeit als tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger Gebrauch macht oder Grenzgänger ist, sondern auch dadurch, dass dies der Elternteil tut, bei dem sich das Kind aufhält (Neumayr in Schwimann ABGB3 § 1 UVG Rz 20 mwN).
4.2. Sollte die Voraussetzung zu Punkt 3.2. erfüllt sein, würde der grenzüberschreitende Gesichtspunkt im vorliegenden Fall also darin bestehen, dass die Mutter, bei der sich der Antragsteller aufhält, eine rumänische Staatsangehörige ist, die in Österreich arbeitet und somit von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat (10 Ob 75/08i).
5. Nach Art 3 Abs 1 VO 1408/71 haben die Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staats, „soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen". Auch dieses Gleichbehandlungsgebot, das dazu dient, Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu beseitigen, die sich aus Rechtsvorschriften oder Verwaltungspraktiken eines einzelnen Mitgliedstaats ergeben, führt daher nicht zum Verbot einer unterschiedlichen Behandlung, die sich gegebenenfalls aus Unterschieden der aufgrund von Kollisionsnormen wie Art 13 Abs 2 VO 1408/71 anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften über Familienleistungen ergibt (, Effing, Slg 2005, I-553 Rz 51; 4 Ob 4/07b).
6.1. Es ist daher im Folgenden zu prüfen, ob auf den Antragsteller, der gemeinsam mit seiner Mutter in Österreich wohnt, das österreichische Unterhaltsvorschussgesetz oder im Hinblick auf den Wohnort des Vaters (Geldunterhaltsschuldners) in Großbritannien die Regelungen über die dortigen Familienleistungen anzuwenden sind.
6.2. Die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für Familienleistungen und damit für den österreichischen Unterhaltsvorschuss richtet sich grundsätzlich nach den Kollisionsnormen der Art 13 ff der VO 1408/71. Ziel dieser Bestimmungen ist es, dass jede Person einer einzigen bestimmten Sozialrechtsordnung unterliegt; es sollen daher durch die Verordnung weder Versicherungslücken noch Doppelversicherungen oder Doppelleistungen entstehen (vgl Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 Art 13 VO 1408/71 Rz 1).
6.3. Gemäß Art 13 Abs 1 VO 1408/71 unterliegen Personen, für die die Verordnung gilt, abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats; dieser ist nach Titel II der Verordnung zu bestimmen. Gemäß Art 13 Abs 2 lit a VO 1408/71 unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt. Gemäß Art 73 der VO 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staats (Beschäftigungsstaat), als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staats wohnten. Dabei werden Familienleistungen gemäß Art 75 Abs 1 der VO 1408/71 in dem in Art 73 dieser Verordnung genannten Fall vom zuständigen Träger des Staats gewährt, dessen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer oder den Selbständigen gelten. Sie werden nach den für diesen Träger geltenden Bestimmungen unabhängig davon gezahlt, ob die natürliche oder juristische Person, an die sie zu zahlen sind, im Gebiet des zuständigen Staats oder in dem eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sich dort aufhält.
6.4. In der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 4 Ob 4/07b; 6 Ob 121/07y; 1 Ob 267/07g) wurde die Ansicht vertreten, dass der Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse als Familienleistungen im Sinn der VO 1408/71 an die Rechtsstellung des Unterhaltsschuldners anknüpfe, in dessen Haushalt das Kind nicht lebe und der den ihm auferlegten Geldunterhalt als Familienlast nicht tragen könne oder wolle. Es sei daher für das Bestehen eines solchen Anspruchs nach den Kollisionsregeln der VO 1408/71 (nur) jenes System sozialer Sicherheit maßgebend, in das der Geldunterhaltsschuldner eingebunden sei.
6.5. Dieser Ansicht, die in Widerspruch zur früheren Judikatur des Obersten Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen (4 Ob 117/02p = SZ 2002/77; 9 Ob 157/02g ua) steht, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Es ist nach den zitierten Kollisionsnormen der VO 1408/71 vielmehr davon auszugehen, dass grundsätzlich das Recht des Mitgliedstaats anwendbar ist, in dem der Arbeitnehmer oder Selbständige beschäftigt ist, der die Anwendung der VO 1408/71 begründet. Eine solche Anknüpfung an den versicherungspflichtigen Arbeitnehmer/Selbständigen ist im Rahmen der VO 1408/71 grundsätzlich auch sachlich gerechtfertigt, weil der überwiegende Teil der erfassten Sozialleistungen auf Versicherungssystemen beruht (vgl Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom , Rs C-302/02, Effing, Slg 2005, I-553 Rz 32 f). Eine Einschränkung der Anknüpfung ausschließlich an die Stellung des Vaters als Geldunterhaltsschuldner ist den zitierten Koordinierungsregelungen nicht zu entnehmen und würde überdies auch mit den oben dargelegten Ausführungen, wonach sowohl die Rechtsstellung des Vaters als Arbeitnehmer als auch jene der Mutter als Arbeitnehmerin/Selbständige im Sinne der VO 1408/71 die Anwendung dieser Verordnung zu begründen vermag, in Widerspruch stehen (10 Ob 75/08i; 10 Ob 78/08f; 10 Ob 83/08s; 10 Ob 87/08d). Familienleistungen werden daher in der Regel nach den Vorschriften des Mitgliedstaats gewährt, in dem der Arbeitnehmer bzw Selbständige beschäftigt ist, durch den der Anspruch auf Familienleistungen vermittelt wird (Neumayr aaO § 1 UVG Rz 39).
6.6. Im vorliegenden Fall unterläge die Mutter des Antragstellers, sollte sie seit dem Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung in Österreich als Arbeitnehmer unselbständig oder als Selbständiger erwerbstätig oder als arbeitsloser Arbeitnehmer sozialversichert gewesen sein, nach den dargestellten Kollisionsnormen allein österreichischem Recht. Ausgehend davon hätte der Antragsteller einen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach dem österreichischen UVG. Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn der Vater ebenfalls von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und auch der VO 1408/71 unterliegen würde, da im Falle eines Zusammentreffens von Ansprüchen aus mehreren Mitgliedstaaten der Anspruch im Wohnsitzstaat der Kinder vorgehen würde (10 Ob 83/08s mwN; 10 Ob 78/08f; 10 Ob 87/08d).
7. Das Verfahren erweist sich somit insoweit als ergänzungsbedürftig, als das Erstgericht nicht festgestellt hat, ob die Mutter des Antragstellers seit dem Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung () in Österreich als Arbeitnehmerin unselbständig oder selbständig erwerbstätig oder als arbeitslose Arbeitnehmerin sozialversichert war (10 Ob 75/08i; 10 Ob 83/08s). Dem Revisionsrekurs des Antragstellers ist daher Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung seines Verfahrens im dargelegten Sinn aufzutragen.
8. Im Unterhaltsvorschussverfahren gibt es auch nach dem neuen Außerstreitrecht keinen Kostenersatz (2 Ob 48/06g; 10 Ob 44/08f mwN).