OGH vom 28.02.2017, 9Ob87/16h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. WeixelbraunMohr in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Valentin Piskernik, Rechtsanwalt in Perchtoldsdorf, gegen die beklagte Partei D ***** s.r.o., *****, vertreten durch Dr. Günther Csar, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen 11.400 EUR sA (Revisionsinteresse: 10.000 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 19 R 24/16i-29, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 2 C 898/14h24, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
II. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang der Abweisung eines Klagsbetrags von 1.400 EUR sA unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 10.000 EUR samt 4 % Zinsen seit zu zahlen sowie die mit 3.474,33 EUR (darin 627,25 EUR Barauslagen; 475,78 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.865,44 EUR (darin 151,33 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.195,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Vormieter der streitgegenständlichen Genossenschaftswohnung planten, die Wohnung samt Möbel und Investitionen weiterzugeben und beauftragten deshalb die Beklagte, einen Nachmieter gegen eine Ablöse von 13.500 EUR zu finden. Die Beklagte bewarb die Wohnung im Internet, wo die Klägerin auf sie aufmerksam wurde. Der Geschäftsführer der Beklagten informierte die Klägerin, dass es sich um eine geförderte Genossenschaftswohnung handle, deren Vergabe an die Klägerin ungewiss sei, das Inventar samt Einrichtung um 13.500 EUR verkauft werde, die Miete 498 EUR betrage und eine Maklerprovision von 1.671 EUR anfalle. Er zeigte ihr ua auch eine Auflistung der Möbel und Investitionen. Die Klägerin war mit einer Ablöse in Höhe von 10.000 EUR einverstanden. Der Geschäftsführer der Beklagten und sie vereinbarten schließlich, dass die Klägerin der Beklagten die Ablöse von 10.000 EUR sowie eine Maklerprovision von 1.400 EUR für die Vermittlung der Wohnung und der Möbel zahlen werde. Mangels Zustimmung der Genossenschaft und Scheitern des Mietvertrags würde der Betrag an die Klägerin zurückgezahlt werden. Bei Zustandekommen des Mietvertrags würde die Wohnung an die Klägerin übergeben und die Ablöse von 10.000 EUR an die Vormieter ausgezahlt werden. Nachdem der Betrag von 11.400 EUR auf dem Konto der Beklagten eingelangt war, kündigten die Vormieter die Wohnung. Infolge von Unsicherheiten, ob sie die Wohnung von der Genossenschaft erhalten werde, teilte die Klägerin einem der Vormieter mit, dass sie die Wohnung nicht erhalten werde. Der Geschäftsführer der Beklagten erklärte ihr, dass sie den bezahlten Betrag zurückbekommen würde, falls das tatsächlich der Fall sei. Der Klägerin wurde letztlich von der Genossenschaft mitgeteilt, dass sie die Wohnung ab mieten könne. Die Genossenschaft forderte die Vormieter auf, die Wohnung geräumt zu übergeben, weshalb diese die Möbel entfernten und die leere Wohnung am übergaben. Am übergab die Genossenschaft der Klägerin die Schlüssel für die Wohnung. Noch am selben Tag überwies die Beklagte die 10.000 EUR an die Vormieter.
Soweit revisionsgegenständlich, begehrte die Klägerin von der Beklagten die (Rück-)Zahlung von 10.000 EUR sA. Dem Betrag stehe keine Gegenleistung gegenüber.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte ein, aufgrund der getroffenen Treuhandvereinbarung verpflichtet gewesen zu sein, den Betrag zu dem Zeitpunkt, als feststand, dass die Klägerin die Wohnung erhalte, an die Vormieter auszufolgen.
Das Erstgericht wies die Klage ab, weil die Auszahlungsbedingung, dass die Klägerin die Wohnung erhalte, eingetreten sei. Dass sie die Möbel nicht erhalten habe, begründe einen Schaden der Klägerin, der jedoch nicht der Beklagten zugerechnet werden könne, weil die Übergabe der Möbel durch die Vormieter erfolgen hätte müssen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Verpflichtung eines Treuhänders richte sich nach der Parteienvereinbarung. Bedingung für die Ausfolgung der 10.000 EUR an die Vormieter sei lediglich der Abschluss des Nutzungsvertrags zwischen der Klägerin und der Genossenschaft gewesen. Eine weitere Verpflichtung der Beklagten, sicherzustellen, dass die Möbel an die Klägerin übergeben würden, habe nicht bestanden.
In ihrer dagegen gerichteten – nachträglich gemäß § 508 Abs 1 ZPO für zulässig erklärten – Revision beantragt die Klägerin im Hinblick auf die Ablöse eine Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe.
Die Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I. Die Revisionsbeantwortung der Beklagten ist verspätet. Der Abänderungsbeschluss des Berufungsgerichts mit der Mitteilung nach § 508 Abs 5 ZPO wurde der Beklagten am zugestellt. Die Revisionsbeantwortung wurde am beim Erstgericht eingebracht. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit ist jedoch jener Zeitpunkt maßgebend, an dem die Revisionsbeantwortung beim funktionell zuständigen (§ 507a Abs 3 Z 1 ZPO) Berufungsgericht einlangte (RIS-Justiz RS0043678 [T1]). Dies war hier erst am , sohin nach Ablauf der Revisionsbeantwortungsfrist der Fall.
II. Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. Mögen auch Fragen der Vertragsauslegung aufgrund ihrer Einzelfallbezogenheit in der Regel keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO begründen, besteht hier zur Annahme der Vorinstanzen, die Auszahlung des Treuhanderlags sei hier lediglich vom Zustandekommen des Nutzungsvertrags zwischen der Klägerin und der Genossenschaft abhängig gewesen, Korrekturbedarf.
2. Bei einer mehrseitigen Treuhand ist der Treuhänder zur bestmöglichen Interessenwahrung gegenüber allen Treugebern verpflichtet (RIS-Justiz RS0107334). Der Inhalt der Treuhand richtet sich im Einzelnen nach den Parteienvereinbarungen. Diesen muss entnommen werden, welche Einschränkungen das Eigentum des Treuhänders gegenüber dem allgemeinen Eigentumsbegriff erfährt (RIS-Justiz RS0010444). Es kommt darauf an, wozu sich der Treuhänder im konkreten Fall verpflichtet hat. Der Inhalt der Treuhandschaft richtet sich also nach den getroffenen Vereinbarungen und der Parteienabsicht (1 Ob 168/10b mwN). Insoweit hat der Treuhänder auch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben einzustehen (RIS-Justiz RS0104573 [T4]). Bei Auftreten eines Konflikts zwischen den Treugebern einer mehrseitigen Treuhand kann der Treuhänder bei unklarer Sach- oder Rechtslage mit einer gerichtlichen Hinterlegung vorgehen (1 Ob 168/10b mwN).
3. Nach den Feststellungen sollte den Vormietern für die Ablöse ihrer Möbel und Investitionen ein Betrag von 10.000 EUR zufließen. Dies war nicht nur den Vormietern und der Klägerin, sondern insbesondere auch der Beklagten bewusst. Die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung, bei Zustandekommen des Mietvertrags würde die Wohnung an die Klägerin übergeben und die Ablöse von 10.000 EUR an die Vormieter ausgezahlt werden, konnte daher aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers nicht anders verstanden werden, als dass die Klägerin für die Ablöse eine möblierte Wohnung erhalten sollte. In der Sicherstellung dieses Austausches lag auch der Zweck der Treuhandvereinbarung. Demgegenüber hat die Klägerin die Wohnung leer – und nach dem Sachverhalt offenkundig auch ohne sonstige ablösebegründende Investitionen – erhalten, womit die mitvereinbarte Auszahlungsbedingung der Übergabe einer möblierten Wohnung nicht eingetreten war. Zum Umfang der Interessenwahrungspflicht eines sorgfältig agierenden Treuhänders hätte im Sinn der genannten Rechtsprechung gezählt, vorab den Eintritt der Auszahlungsbedingung zu prüfen. Da die Beklagte den von der Klägerin erlegten Betrag von 10.000 EUR ohne diese Prüfung an die Vormieter auszahlte, ohne dass die Auszahlungsvoraussetzungen erfüllt gewesen wären, besteht der Anspruch der Klägerin auf den Ersatz des aus der Pflichtverletzung resultierenden Schadens – hier in Höhe des Erlagsbetrags – zu Recht. Gründe für den Ausschluss eines Verschuldens der Beklagten (§ 1298 ABGB) oder für ein anspruchsvereitelndes Verhalten der Klägerin gehen aus den Feststellungen nicht hervor.
4. Der Revision der Klägerin ist daher Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind hinsichtlich des Betrags von 10.000 EUR sA im Sinn eines Klagszuspruchs abzuändern. Der Beginn des Zinsenlaufs wurde nicht bestritten.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens auf § 43 Abs 1 ZPO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO (Obsiegensquote der Klägerin: 88 %, daher Kostenersatz: 76 %, Barauslagenersatz: 88 %, Barauslagenersatz der Beklagten: 12 %) und hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00087.16H.0228.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.