OGH vom 21.12.2010, 8Ob120/10w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Adoptionssache der antragstellenden Parteien 1. S***** G*****, geboren am *****, türkischer Staatsbürger, als Wahlkind sowie 2. A***** G*****, geboren am *****, österreichischer Staatsbürger und 3. F***** G*****, geboren am *****, österreichische Staatsbürgerin, als Wahleltern, alle vertreten durch Kopp Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 190/10f 5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Antragsteller bestreiten nicht mehr, dass die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt nach § 26 Abs 1 Satz 1 IPRG kumulativ nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des erwachsenen Wahlkindes zu beurteilen sind ( Neumayr in KBB² § 26 IPRG Rz 4; Verschraegen in Rummel ³ IPRG § 26 Rz 3, 16; RIS Justiz RS0119783).
2. Gemäß Art 308 des türkischen Zivilgesetzbuches Nr 4721 vom (ZGB) ist unter anderem allgemeine Voraussetzung der Adoption, dass die zu adoptierende Person mindestens 18 Jahre jünger sein muss als der Adoptierende. Gemäß Art 313 ZGB kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine mündige Person adoptiert werden, wenn sie infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauerhaft hilfsbedürftig ist und der Adoptierende sie mindestens fünf Jahre gepflegt hat (Z 1) bzw bei Vorliegen anderer wichtiger Gründe wenn die zu adoptierende Person mindestens fünf Jahre mit dem Adoptierenden in Hausgemeinschaft gelebt hat (Z 3). Insoweit wird die Rechtslage im Revisionsrekurs nicht bestritten, weshalb auch dem behandelten Verfahrensmangel (mangelnde Erörterung der Auskunft des Bundesministeriums für Justiz über den Inhalt des türkischen Rechts) von vornherein keine Relevanz zukommt. Ebenso wenig ist strittig, dass hier zwischen der Wahlmutter und dem Wahlkind der erforderliche Altersunterschied von mindestens 18 Jahren nicht gegeben ist und dass es im maßgebenden Entscheidungszeitpunkt (Entscheidung des Erstgerichts; RIS Justiz RS0048768) auch an einer mindestens fünfjährigen Hausgemeinschaft oder Pflege gefehlt hat.
3. Dem Obersten Gerichtshof kommt keine Leitfunktion bei der Anwendung fremden Rechts zu, es ist nicht seine Aufgabe, einen Beitrag zur Auslegung ausländischen Rechts zu leisten (RIS Justiz RS0042948 [T1]). Das Vorliegen einer qualifizierten Rechtsfrage wäre nur dann denkbar, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt worden wäre (8 ObA 62/07m mwN). Derartiges zeigen die Revisionswerber in ihrem Rechtsmittel aber nicht auf.
4. Richtig ist, dass für die Auslegung fremden Rechts die Anwendungspraxis durch die herrschende ausländische Rechtsprechung maßgebend ist (RIS Justiz RS0080958; RS0042948; Verschraegen aaO § 3 IPRG Rz 3). Die Revisionsrekurswerber behaupten aber gar nicht, dass die oben genannten Bestimmungen des türkischen Rechts von der ständigen türkischen Rechtsprechung in einem von ihrem eindeutigen Wortlaut abweichenden Sinn ausgelegt werden. Ihre Behauptung, die oben genannten Bestimmungen normierten nur Richtwerte, die im Einzelfall unterschritten werden könnten, begründen sie vielmehr mit dem österreichischen Recht, wobei sie in erster Instanz § 180 Abs 2 ABGB ins Treffen geführt haben. Diese Bestimmung erklärt aber ausdrücklich eine geringfügige Unterschreitung der Altersdifferenz von 18 Jahren unter bestimmten Umständen als unbeachtlich. Eine vergleichbare Bestimmung sieht das türkische Recht nicht vor. Dass die türkische Rechtsprechung dennoch von unterschreitbaren Richtwerten ausgeht, wird im Revisionsrekurs nicht geltend gemacht. Damit zeigen aber die Revisionsrekurswerber keine im oben dargestellten Sinn qualifizierte Rechtsfrage auf.
5. Schon aus diesem Grund ist die Entscheidung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden. Auf die sonstigen im Revisionsrekurs angesprochenen Umstände ist daher nicht mehr einzugehen.