OGH vom 26.02.2020, 9Ob78/19i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.
Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. Korn sowie Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, verteten durch Grasch und Krachler Rechtsanwälte OG in Leibnitz, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse 16.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 100/19d-12, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 49 Cg 2/19w-8, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.237,40 EUR (darin enthalten 372,90 USt und 2,10 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Beklagte (ein Abfallwirtschaftsverband) beauftragte im Frühsommer 2017 nach Durchführung eines Vergabeverfahrens ein Bauunternehmen als Generalunternehmerin mit einem Hallenzubau zu einem bereits bestehenden Abfallwirtschaftszentrum. Die Generalunternehmerin beauftragte ihrerseits die nunmehrige Klägerin (eine Hoch- und Tiefbau GesmbH) als Subunternehmerin mit der Vornahme diverser Baumeisterarbeiten. Die Klägerin nahm den Auftrag an, ohne zuvor die Zahlungsfähigkeit der Generalunternehmerin geprüft zu haben. Mit Beschluss des Landesgerichts ***** vom ***** 7. 2018, AZ *****, wurde über das Vermögen der Generalunternehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete eine offene Werklohnforderung von 141.166 EUR an, die vom Masseverwalter anerkannt wurde. Das Insolvenzverfahren ist nach wie vor anhängig, die für die Gläubiger erreichbare Quote ist ungewiss.
Die Klägerin begehrt die Festellung, der beklagte Abfallwirtschaftsverband hafte für den Zahlungsausfall, den sie im Insolvenzverfahren der Generalunternehmerin erleide.
Die Klägerin bringt vor, der Beklagte habe es als öffentlicher Auftraggeber im Rahmen des Vergabeverfahrens unterlassen, vor Zuschlagserteilung an die Bestbieterin (die Generalunternehmerin) deren wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit zu überprüfen. Da die Generalunternehmerin bereits bei Auftragserteilung zahlungsunfähig gewesen sei, hätte der Beklagte sie mangels Vorlage geeigneter Nachweise über die wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeiten aus dem Vergabeverfahren auszuscheiden gehabt. Dass dies nicht geschehen sei, sei der Beklagten als Verstoß gegen das Bundesvergabegesetz (BVergG) zur Last zu legen. Infolge Verletzung eines Schutzgesetzes hafte der Beklagte für jenen Forderungsausfall, den die Klägerin durch die Insolvenz der Generalunternehmerin erleide. Die Klägerin habe die Prüfung der Liquidität ihres Auftraggebers (der Generalunternehmerin) nur im Hinblick darauf nicht selbst vorgenommen, dass sie auf die Durchführung eines gesetzmäßigen Vergabeverfahrens (samt Bonitätsprüfung) vertrauen durfte.
Der Beklagte bestritt und beantragte die Klageabweisung. Er habe bei der Auftragsvergabe sämtliche vergaberechtlichen Bestimmungen eingehalten. Er sei als öffentlicher Auftraggeber nicht dazu verpflichtet, die finanzielle Leistungsfähigkeit von Bietern zu dem Zweck zu überprüfen, die Position deren Subunternehmer zu besichern. Dies widerspreche dem Sinn und Zweck des BVergG. Die Klägerin hätte selbst Erkundigungen über die Bonität ihres Vertragspartners einholen müssen. Zudem sei das Insolvenzverfahren über die Generalunternehmerin erst vierzehn Monate nach Annahme des Anbots (und völlig überraschend) eröffnet worden.
Das Erstgericht wies das Klagebehren ab. Feststellungen dazu, ob der Beklagte die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Generalunternehmerin im Rahmen des Vergabeverfahrens überprüft hat sowie zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit wurden nicht getroffen. Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, der behauptete Schaden sei nicht vom Schutzzweck des BVergG umfasst, der sich auf den freien, fairen und lauteren Wettbewerb unter Wahrung der Gleichbehandlung aller Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren beziehe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwar enthalte das BVergG 2006 in den § 69 ff iVm § 129 Abs 1 Z 2 das an den Auftraggeber gerichtete Gebot, das Vorliegen der im konkreten Vergabefall notwendigen und verlangten Eignung zu prüfen. Ziel auch dieser Bestimmungen sei jedoch die Sicherstellung der Gleichbehandlung der Bieter und der Verwirklichung der in § 19 BVergG 2006 genannten Grundsätze der Verwirklichung des freien, fairen und lauteren Wettbewerbs unter Wahrung der Gleichbehandlung aller Bieter und Bewerber. Der von der Klägerin geltend gemachte Vermögensschaden sei nicht vom Schutzzweck dieser Bestimmungen umfasst. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen können, dass sie mit einem Unternehmer kontrahiere, dessen Befugnis, finanzielle wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit von dritter Seite im Vergabeverfahren verlässlich geprüft worden sei.
Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision mit der Begründung zu, dass der Oberste Gerichtshof mit einem vergleichbaren Fall noch nicht befasst gewesen sei.
In ihrer Revision wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihren bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingenommenen Standpunkt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
1.1 Schutzgesetze normieren abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RS0027710).
1.2 Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist aber nur für jene Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern sollte (RS0031143).
Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten soll (RS0008775 [T1]). Wie weit der Normzweck (Rechtswidrigkeitszusammenhang) reicht, ist dabei eine Auslegungsfrage im Einzelfall (RS0082346; RS0027553 [T11]).
2.1 Auch das hier noch relevante Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006), BGBl I 2006/17 idF der Novelle BGBl 2007/86 (das in dieser Fassung von beiden Parteien übereinstimmend als Prüfungsmaßstab herangezogen wird), ist eine Schutznorm, deren Schutzobjekt sich den Grundsätzen des Vergabeverfahrens entnehmen lässt (ErläutRV 1171 BlgNR 22. GP 37 f; Fink/Heid in HeidPreslmayr, Handbuch Vergaberecht4 [2015] Rz 770).
2.2 Geschützt ist der freie, faire und lautere Wettbewerb unter Wahrung der Gleichbehandlung aller Bieter und Bewerber (§ 19 BVergG 2006). Nach diesem Maßstab sind alle Handlungen und Unterlassungen von Auftraggebern, Bietern oder Bewerbern im Vergabeverfahren zu messen (ErläutRV 1171 BlgNR 22. GP 38).
2.3 Nach ständiger Rechtsprechung richten sich die Vergabevorschriften zwar zunächst an den Auftraggeber, dienen aber vor allem dem Schutz der Bieter und Bewerber vor unlauterer Vorgangsweise bei der Vergabe (RS0112490). Es soll die freie Teilnahme aller Interessenten am Vergabeverfahren und die Berücksichtigung aller Angebote gewährleistet sein, sodass letztlich der Bestbieter den Vertrag abschließen kann (RS0112490 [T8]). Kommt es zu einem hinreichend qualifizierten Verstoß besteht für den übergangenen Bewerber oder Bieter die Möglichkeit zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen nach § 337 BVergG 2006. Am Vergabeverfahren nicht beteiligte Personen stehen derartige Ansprüche nicht offen (4 Ob 158/17i).
3.1 Die Begriffe des Bewerbers sowie des Bieters sind in § 2 Z 12 und 13 BVergG 2006 definiert. Bewerber ist ein Unternehmer oder ein Zusammenschluss von Unternehmern, der sich an einem Vergabeverfahren beteiligen will und dies durch einen Teilnahmeantrag oder eine Anforderung bzw das Abrufen von Ausschreibungsunterlagen bekundet hat. Bieter ist ein Unternehmer oder ein Zusammenschluss von Unternehmern, der ein Angebot eingereicht hat.
3.2 Der Begriff des Subunternehmers erfuhr durch das BGBl I 2016/7 in § 2 Z 33a BVergG 2006 eine Legaldefinition dahin, dass als Subunternehmer ein Unternehmer zu verstehen ist, der Teile des an den Auftragnehmer erteilten Auftrags ausführt. Dadurch ist klargestellt, dass der Subunternehmer jedenfalls nicht vom Begriff des Bieters mitumfasst ist. Zwischen dem Auftraggeber und dem Subunternehmer bestehen keine vertraglichen Rechte und Pflichten. Auch im vorliegenden Fall war die Klägerin nur Vertragspartnerin (Subunternehmerin) des erfolgreichen Bieters, sie selbst hingegen war als Bieterin in das Vergabeverfahren nicht einbezogen und ist daher vom Schutzzweck des BVergG nicht umfasst.
4. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schutzzweck der § 69 ff iVm 129 Abs 1 Z 2 BVergG 2006:
4.1 Die § 69 ff BVergG 2006 regeln die Eignungsprüfung betreffend die berufliche Befugnis und Zuverlässigkeit, die finanzielle, wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit der am Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmer sowie die dafür heranzuziehenden Nachweise. Zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann der Auftraggeber beispielsweise eine Erklärung über getätigte Umsätze oder die Bonität der Bieter verlangen. Es besteht aber keine Verpflichtung, solche Regelungen in der Ausschreibung zu treffen (§ 74 BVergG 2006; BVA , N/0078-BVA/14/2007-31).
4.2 Nach § 129 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 sind nach entsprechender Prüfung der Angebote alle jene Bieter auszuscheiden, deren Befugnis, finanzielle, wirtschaftliche oder technische Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gegeben ist. Bei Vorliegen von Ausscheidungsgründen stellt die Ausscheidung des Angebots eine sich aus dem Gleichbehandlungsgebot ergebende Verpflichtung zur Sicherung des freien, fairen und lauteren Wettbewerbs dar (Casati in Gölles, BVergG 2018 § 141 Rz 4).
4.3 Wesentliches Ziel der Eignungsprüfung ist, diejenigen Unternehmen von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuscheiden, die aus verschiedenen Gründen die geforderte ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht erwarten lassen (Fuchs in Bachmann ua, Besonderes Verwaltungsrecht12 [2018] 482). Zugleich schützen die Anforderungen an die Eignung des Auftragsnehmers das Interesse des Auftraggebers, für sein Geld eine ordnungsgemäße und einwandfreie Gegenleistung zu erhalten (Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 20062 [2. Lfg 2012] § 70 Rz 17). Der Auftraggeber soll Aufträge nicht an Unternehmen vergeben müssen, die aufgrund ihrer technischen und finanziellen Kapazitäten nicht in der Lage sind, den Auftrag auszuführen (Werschitz/Ragoßnig, Österreichisches Vergaberecht3 35 f).
4.4 Dass der von der Klägerin in der Insolvenz ihres Auftraggebers (des zum Zug gekommenen Bestbieters) erlittene Vermögensschaden (Forderungsausfall) verhindert werden sollte, lässt sich somit auch den § 69 ff iVm § 129 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 nicht entnehmen. Selbst wenn die Beklagte die im konkreten Fall gebotene und verlangte Eignungsprüfung nicht vorgenommen haben sollte (wozu weder positive noch negative Feststellungen bestehen), wäre durch den von der Klägerin geltend gemachten Forderungsausfall nicht jene konkrete Gefahr verwirklicht, die durch die § 69 ff iVm § 129 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 gerade vermieden werden soll.
5. Da die Klägerin und der ihr entstandene Schaden (Forderungsausfall) vom Schutzzweck der § 69 ff iVm § 129 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 nicht umfasst sind, bleibt auch das von ihr ins Treffen geführte Vertrauen auf die Vornahme einer (positiven) Bonitätsprüfung ungeschützt. Geschützt ist lediglich das Vertrauen von Bewerbern und Bietern darauf, dass die eingelangten Angebote sorgfältig und unvoreingenommen geprüft, die Bieter fair (und vor allem) untereinander gleich behandelt werden und es zu keinen unlauteren Vorgangsweisen kommt (1 Ob 284/01y), andernfalls die Gefahr einer unabsehbaren Ausuferung der Haftung bestünde (RS0022638 [T1]).
6.1 Zusammenfassend haben die Vorinstanzen die Frage, ob der von der Klägerin im vorliegenden Einzelfall geltend gemachte Schaden in den Schutzbereich der § 69 ff iVm § 129 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 fällt, im Einklang mit den in § 19 BVergG 2006 eindeutig festgelegten Auslegungsgrundsätzen verneint, ohne dass eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderlich wäre.
6.2 Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zu einer konkreten Fallgestaltung liegt aber dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656).
Die Revision der Klägerin war daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00078.19I.0226.000 |
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