OGH vom 30.05.2012, 8ObA17/12a

OGH vom 30.05.2012, 8ObA17/12a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger und Mag. Wolfgang Kozak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten Druck - Journalismus - Papier, 1034 Wien, Alfred Dallinger Platz 1, vertreten durch Milchram Ehm Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband für das Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen in der Bundessparte Transport und Verkehr, 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 63, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 2 ASGG, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag des Antragstellers auf Ergänzung des Beschlusses 8 ObA 17/12a vom „bezogen auf jene Ansprüche der Lehrlinge aus dem Titel der Lehrlingsentschädigung, die für den Zeitraum vor dem gebühren“, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , 8 ObA 17/12a, wurde dem (Eventual )Antrag des Antragstellers „es werde festgestellt, dass Lehrlinge, die eine Lehre im Lehrberuf Bürokaufmann/Bürokauffrau in Unternehmen absolvieren, die das Gewerbe der Vermietung von Kraftfahrzeugen ohne Beistellung eines Lenkers (Kraftfahrzeugvermietung) betreiben, Anspruch auf eine Lehrlingsentschädigung zumindest gemäß dem Bundeskollektivvertrag für Angestellte im Personenbeförderungsgewerbe mit PKW haben,“ stattgegeben. Die weiteren Anträge wurden abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Antragsteller die Ergänzung dieses Beschlusses „für den Zeitraum vor dem “ . Der Bundeskollektivvertrag für Angestellte im Personenbeförderungsgewerbe mit PKW sei erst am in Kraft getreten. Aufgrund dieses Wirksamkeitsbeginns scheide die Anwendung des normativen Teiles des Kollektivvertrags auf jene noch nicht verjährten Ansprüche der Lehrlinge aus dem Titel der Lehrlingsentschädigung aus, die für die Zeit vor dem gebührten. Über diese Ansprüche sei noch nicht entschieden worden. Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung bestehe deshalb, weil die derzeit noch nicht verjährten Ansprüche, die bis in das Jahr 2009 zurückreichten, laufend von Verjährung bedroht seien. Das zugrunde liegende Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG bewirke eine Verjährungsunterbrechung und vermeide die Einleitung einer Vielzahl von Individualverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist nicht berechtigt.

1.1 Gegenstand der Ergänzung gemäß § 423 ZPO (iVm § 2 ASGG) sind alle Urteile einschließlich jener der Rechtsmittelinstanzen. Gemäß § 430 ZPO ist § 423 ZPO auch auf die Ergänzung von Beschlüssen sinngemäß anzuwenden (8 Ob 6/11g).

1.2 § 423 ZPO kommt nur dann zur Anwendung, wenn über einen „Anspruch“ nicht vollständig entschieden oder ein Anspruch übergangen wurde. Unter „Anspruch“ ist nur ein Sachentscheidungsbegehren zu verstehen, also ein Begehren, das selbständiger Gegenstand eines urteils- oder beschlussmäßigen Ausspruchs sein kann. Die Urteils- bzw Beschlussergänzung ist eine Folge des in § 405 ZPO normierten Grundsatzes der Bindung des Gerichts an die Sachanträge der Parteien. Dieser Grundsatz verpflichtet das Gericht auch dazu, vollständig über alle Sachanträge zu erkennen ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny ² § 423 ZPO Rz 1 und 3).

2.1 Mit Beschluss vom hat der Oberste Gerichtshof in Ansehung der Lehrlingsentschädigung dem Feststellungsantrag des Antragstellers iSd § 54 Abs 2 ASGG in Form des zweiten Eventualbegehrens vollinhaltlich stattgegeben.

Die geforderte Mindestentlohnung der Lehrlinge nach dem Bundeskollektivvertrag für Angestellte im Personenbeförderungsgewerbe mit PKW wurde vom Antragsteller als selbständiger Eventualfall zu den beiden anderen im Feststellungsantrag angeführten Kollektivverträgen gesehen. Dementsprechend wurde die Lehrlingsentschädigung (hilfsweise) „zumindest gemäß dem Bundeskollektivvertrag für Angestellte im Personenbeförderungsgewerbe mit PKW“ begehrt. Dieses klar formulierte Begehren setzte das Inkrafttreten des genannten Kollektivvertrags voraus. Ein Begehren für die Vergangenheit hat der Antragsteller nicht erhoben.

Für die Beurteilung der Ergänzungsfähigkeit der Entscheidung ist allein der Sachantrag maßgebend. Unter Zugrundelegung des Begehrens ist kein Teil der Sachanträge unerledigt geblieben.

2.2 Angemerkt wird, dass der Antragsteller den Anspruch auf die Lehrlingsentschädigung nach dem in Rede stehenden Kollektivvertrag auch in seinem Vorbringen nicht auf die Vergangenheit bezogen hat. In einem Klammerausdruck wurde darauf hingewiesen, dass der Kollektivvertrag am in Kraft getreten sei. Zudem wurde ausgeführt, dass die Ansprüche aus dem Titel der Entgeltdifferenzen laufend von Verjährung bedroht seien und durch das gegenständliche Feststellungsverfahren eine Verjährungsunterbrechung bewirkt werden könne. Dennoch wurde anders als im nunmehrigen Ergänzungsantrag nicht darauf Bezug genommen, dass die zu klärende Rechtsfrage auch Ansprüche vor dem betrifft.

3. Insgesamt liegt kein Ergänzungsfall vor. Der Antrag auf Ergänzung des Beschlusses vom war daher abzuweisen.