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OGH vom 19.10.2010, 10Ob71/10d

OGH vom 19.10.2010, 10Ob71/10d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen D*****, geboren am , vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 10, Van der Nüll-Gasse 20, 1100 Wien), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 193/10h 18, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 88 PU 13/10h 14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs des Bundes wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am geborene D***** ist die Tochter von S***** und A*****. Der vom Vater A***** zu leistende monatliche Unterhaltsbeitrag wurde mit Vergleich vom in Höhe von 3.050 ATS (221,65 EUR) festgesetzt. Mit Beschluss vom wurden dem Kind Titelvorschüsse gewährt, die mit Beschluss vom auf 2.450 ATS (178,05 EUR) herabgesetzt und mit Beschluss vom auf 208 EUR monatlich erhöht wurden. Mit Beschlüssen vom und vom hat das Erstgericht Unterhaltsvorschüsse in Höhe von monatlich 208 EUR für jeweils drei Jahre weitergewährt, zuletzt bis (ON 5). In den beiden Weitergewährungsanträgen wies der Jugendwohlfahrtsträger darauf hin, dass aus der anhängigen Exekution nicht der (gesamte) laufende Unterhalt der Antragstellerin und ihres Bruder gedeckt werde (2004) bzw dass der Vater keine freiwilligen Unterhaltszahlungen leiste und aus den anhängigen Exekutionen der laufende Unterhalt des Kindes nicht voll gedeckt werde (2007).

Am brachte das Kind, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, einen Antrag auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse in Höhe von 208 EUR monatlich ein (ON 11), der im Wesentlichen damit begründet wurde, dass der Vater nur monatliche Unterhaltszahlungen von 100 EUR leiste; dabei handle es sich um den Maximalbetrag, der durch Pfändung einbringlich gemacht werden könne. Auf ein Ersuchen des Erstgerichts, den Antrag im Hinblick auf die monatliche Teilleistung um 100 EUR einzuschränken (ON 12), antwortete der Jugendwohlfahrtsträger, dass die frühere Rechtsprechung zur „stabilen Teilleistung“ im Hinblick auf die Neufassung des § 3 Z 2 UVG seit nicht mehr anwendbar sei. Außerdem sei von den einlangenden 100 EUR auch der laufende Unterhalt für den (am geborenen) Bruder der Antragstellerin zu bedienen, weshalb nur ein aliquoter Anteil von den 100 EUR als Unterhaltszahlung für D***** diene. Es werde daher um Vorschussweitergewährung in voller beantragter Höhe ersucht (ON 13).

Das Erstgericht gewährte die Vorschüsse für den Zeitraum vom bis in einer monatlichen Höhe von 158 EUR weiter und wies das Mehrbegehren von 50 EUR monatlich ab. Im Hinblick auf die direkte Unterhaltszahlung des Vaters in Höhe von 100 EUR monatlich für die Antragstellerin und ihren Bruder sei ein anteiliger Betrag von monatlich 50 EUR auf den Vorschussanspruch der Antragstellerin anzurechnen, weshalb nur der vom Vater nicht geleistete Unterhaltsbeitrag von 158 EUR monatlich zu gewähren sei (ON 14).

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass die Vorschüsse in der monatlichen Höhe von 208 EUR weitergewährt wurden.

Schon nach der alten Rechtslage vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, habe der Wortlaut des § 18 Abs 2 UVG aF gegen die Judikatur gesprochen, nach der der Versagungsgrund des § 18 Abs 2 UVG aF auch teilweise vorliegen könne (RIS-Justiz RS0076309). Von Teilen der Lehre sei diese Rechtsprechung zur „stabilen Teilleistung“ auch aus anderen Gründen vehement kritisiert worden. Nach der nunmehrigen Formulierung des § 3 Z 2 Satz 1 UVG (in der Fassung des FamRÄG 2009) komme es für den Vorschussanspruch darauf an, dass der Unterhaltsschuldner den Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leiste, weshalb die frühere Judikatur zur „stabilen Teilleistung“ nicht mehr aufrechterhalten werden könne.

Der Revisionsrekurs sei im Hinblick auf die Divergenz zur bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (zur stabilen Teilleistung) zulässig.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag auf Abänderung in Richtung einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Das Kind beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Der Vater und die Mutter haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick darauf, dass es auf die vom Rekursgericht genannte erhebliche Rechtsfrage nicht ankommt und eine weitere für die Entscheidung wesentliche erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt, nicht zulässig.

In seinem Revisionsrekurs macht der Bund geltend, dass der Gesetzgeber des FamRÄG 2009 mit der Neuformulierung des § 3 Z 2 UVG die bisherige Judikatur zur stabilen Teilleistung nicht antasten habe wollen. Bereits vor dem Inkrafttreten des FamRÄG 2009 sei ein Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse davon abhängig gewesen, dass ein in den letzten sechs Monaten vor der Vorschussantragstellung fällig gewordener Unterhaltsbeitrag nicht voll gedeckt worden sei. Auch die Novelle habe nichts daran geändert, dass nur in den Fällen einer notleidend gewordenen Unterhaltsverpflichtung ein Anspruch auf Vorschüsse bestehe; bei stabiler Teilleistung bestehe aber für ein derartiges In Vorlage-Treten des Staates keine Veranlassung. Seit jeher sei auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass das Kind im Fall einer stabilen Teilleistung die Gewährung von Vorschüssen nur auf den Fehlbetrag beantragen könne. Spreche daher wie im vorliegenden Fall eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der laufende Unterhalt des Kindes zum Teil im Umfang der Teilleistung gesichert sei, bestehe insoweit kein Bedarf an einer Bevorschussung durch den Bund.

Dazu wurde erwogen:

1. Das Kind hat am die Weitergewährung der Titelvorschüsse beantragt. Dieser Antrag ist als „verfahrensleitender Antrag“ iSd § 37 Abs 2 UVG anzusehen, weshalb auf den Antrag soweit hier von Belang die Bestimmungen des UVG in der durch das FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) novellierten Fassung anzuwenden sind.

2. Nach § 18 Abs 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse für längstens jeweils fünf weitere Jahre zu gewähren, wenn 1. dies das Kind spätestens innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Monats, für den der letzte Vorschuss gezahlt wird, beantragt und 2. keine Bedenken dagegen bestehen, dass die Voraussetzungen der Gewährung der Vorschüsse, ausgenommen die des § 3 Z 2 UVG, weitergegeben sind. § 18 Abs 2 UVG sieht einen Vorschussversagungsgrund vor, wenn es wahrscheinlich ist, dass die laufenden Unterhaltsbeiträge künftig im Weg freiwilliger Zahlungen oder der Exekution vom Unterhaltsschuldner voll eingehen werden.

2.1. § 18 Abs 1 Z 2 UVG stellt nach seinem Wortlaut im Wesentlichen darauf ab, dass die Voraussetzungen der Vorschussgewährung weiterhin gegeben sein müssen. Die Rechtsprechung hat daraus abgeleitet, dass das Gericht nicht berechtigt ist, im Zusammenhang mit der Weitergewährung den ursprünglichen Gewährungsbeschluss zu überprüfen. Haben sich nach der Erstgewährung die Sach- und Rechtslage nicht geändert, ist eine abweichende rechtliche Beurteilung im Weitergewährungsverfahren ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0122248 [T1]). Begründet wird dies mit der Rechtskraft des ursprünglichen Gewährungsbeschlusses. Da diese allerdings nur bis zum Ende des Gewährungszeitraums maßgeblich sein kann, muss die Grundlage für die Weitergewährung in gleicher Höhe wie bisher in der Anordnung des § 18 Abs 1 Z 2 UVG gesehen werden, nach der die Vorschüsse kontinuierlich weitergewährt werden sollen, solange sich der maßgebliche Sachverhalt nicht ändert.

2.2. Diesen Gedanken der Kontinuität der Vorschussgewährung hat der Oberste Gerichtshof insoweit ausgedehnt, als er ihn auch für das Verhältnis zwischen einem früheren Weitergewährungsbeschluss und einem späteren Weitergewährungsantrag heranzieht (10 Ob 104/08d und 10 Ob 5/09x).

3. Im konkreten Fall lag schon den früheren Weitergewährungen zugrunde, dass der Vater nicht die volle von ihm geschuldete Geldunterhaltsleistung erbringt, ohne dass beziffert worden wäre, in welcher Höhe ein Teilunterhaltsbeitrag geleistet bzw exekutiv hereingebracht wird. Im letzten, am eingebrachten Weitergewährungsantrag wurde artikuliert, dass der Vater für die Antragstellerin und ihren Bruder monatlich 100 EUR leistet.

Hierin liegt keine maßgebliche Änderung des Sachverhalts im Vergleich zu dem Sachverhalt, der der zuvor beschlossenen Weitergewährung zugrunde gelegt wurde. Daher sind Bedenken iSd § 18 Abs 1 Z 2 UVG nicht angebracht. Auf die Frage, ob eine „stabile Teilleistung“ eine Herabsetzung der Vorschusshöhe anlässlich der Weitergewährung rechtfertigt, kommt es bei dieser Sachverhaltsgrundlage nicht mehr an, weshalb der Revisionsrekurs des Bundes mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen ist.