OGH vom 06.07.1998, 8ObA15/98h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Richard Paiha in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Michael F*****, Student, ***** vertreten durch Dr.Markus Orgler und Dr.Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband in Tirol, Innsbruck, Sillufer 3a, vertreten durch Dr.Alfons Klaunzer und Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 48.934,11 brutto sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 138/97z-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 42 Cga 149/96-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, ein Medizinstudent, war vom bis an 106 (überwiegend einzelnen) Tagen als Sanitätsgehilfe im Rahmen von Blutspendeaktionen der beklagten Partei eingesetzt. Einsätze an zwei oder drei (aufeinanderfolgenden) Tagen waren die seltenen Ausnahmen. Ab bis bestand ein flexibles Teilzeitarbeitsverhältnis im Ausmaß von 20 Stunden monatlich, wobei Minderstunden innerhalb der nächsten drei Monate auszugleichen waren (nach Art eines Zeitausgleiches).
Anläßlich des ersten Gespräches mit Interessenten für diese Tätigkeit wurde festgehalten, daß diese mit ca drei Einsätzen im Monat rechnen können, wobei seitens der Medizinstudenten ein entsprechendes Interesse vorlag, an einer gewissen Zahl von Blutspendeaktionen pro Monat teilnehmen zu können, und zwar einerseits, um ein entsprechendes Einkommen zu gewährleisten, andererseits, um die Geringfügigkeitsgrenze zu überschreiten und somit den Sozialversicherungsschutz zu erlangen. Daß in diesem Rahmen vereinbart worden wäre, daß die Studenten verpflichtet seien, an zumindest drei Einsätzen pro Monat teilzunehmen, kann nicht festgestellt werden.
Es existierte eine Dienstordnung für sämtliche Teilnehmer an derartigen Blutspendeaktionen, in welcher festgehalten war, daß durch die jeweils angeführte stundenweise Entlohnung sämtliche Ansprüche aus dem stundenweisen Dienstverhältnis abgegolten sind, wie Zulagen, Nebengebühren, Sonderzahlungen, Reisegebühren, Abfertigungen, Urlaubsgeld, Urlaub, Urlaubsentschädigungen, Urlaubsabfindungen usw.
Die Einteilung zu den einzelnen Blutspendeaktionen erfolgte mittels "Aktionsplänen" jeweils im voraus monatlich, welche an die "Pool"-Teilnehmer entsprechend verteilt bzw ausgehängt wurden. In diesem Zusammenhang gab es sogenannte Strichlisten, in welche die "Pool-Leute" zuvor jene Zeiträume eintragen konnten, in welchen sie nicht zur Verfügung standen, dies etwa infolge von Ortsabwesenheiten, Prüfungen etc.
Derartige Eintragungen in den "Strichlisten" wurden im großen und ganzen vom Organisationsleiter der beklagten Partei auch berücksichtigt. Nur ausnahmsweise kam es vor, daß trotz entsprechend angemeldeter Wünsche in den genannten Strichlisten eine Einteilung des Betreffenden in den Aktionsplänen erfolgte, wobei nicht mehr festgestellt werden kann, ob diese Umstände auf einen Irrtum des Einsatzleiters oder etwa auf Personalmangel zurückzuführen waren.
Wenn ein Medizinstudent kurzfristig an der Teilnahme zu einem bereits eingeteilten Einsatz verhindert war (Krankheit, kurzfristige Prüfung), so war es üblich und mit dem Einsatzleiter auch besprochen, daß man selbst aus dem Kollegenkreis einen Ersatz stellt bzw einen Tausch vornimmt, wobei die Ersatzperson teils auch ohne jegliche Rücksprache mit dem Einsatzleiter einfach zum Einsatz erschien. Es wäre jedoch auch möglich gewesen, daß der kurzfristig Verhinderte dies dem Einsatzleiter mitteilte und dieser sodann einen Ersatz suchte.
Es war auch möglich, dem Organisationsleiter mitzuteilen, daß man überhaupt längere Zeiträume (etwa ein Monat oder sechs Wochen) etwa infolge von Urlauben nicht eingeteilt werden will. Dies wurde vom Organisationsleiter akzeptiert, ohne daß sich hieraus die Folge einer Nicht-Mehr-Einteilung zur Blutspendeaktion für die Zukunft ergeben hätte.
Die Abrechnung erfolgte je nach Anzahl der im Rahmen von teilgenommenen Einsätzen geleisteten Stunden. Weiters wurden die Medizinstudenten tageweise im nachhinein von der Beklagten bei der Tiroler Gebietskrankenkasse gemeldet.
Außerhalb der Einsatztage hatten die Medizinstudenten keinerlei Tätigkeiten für die beklagte Partei zu verrichten.
Die Begründung der Berufungsentscheidung, die tageweise befristeten Arbeitsverhältnisse des Klägers zwischen und seien zulässig wiederholt befristete Arbeitsverhältnisse innerhalb einer "Rahmenvereinbarung" und wirkten sich daher nicht für das anschließende Teilzeitarbeitsverhältnis abfertigungsteigernd und urlaubsvermehrend (für einen zusätzlichen Anspruch auf Urlaubsentschädigung) aus, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).
Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Bei der sachlichen Rechtfertigung von wiederholten Befristungen in Abgrenzung zu als sittenwidrig zu beurteilenden Kettenarbeitsverhältnissen hat eine Interessenabwägung im Sinne des beweglichen Systems zu erfolgen (vgl R.Peschek, Der Saisonbetrieb in Theatern als Rechtfertigung für Kettenarbeitsverträge, RdW 1994, 400
zur Entscheidung Arb 11.199 = DRdA 1995/11, 144 [A.Burgstaller
vornehmlich zu prozessuale Fragen] = ZAS 1995/19, 165 [Ziehensack]:
Publikumsdienst in der Volksoper), wobei wohl nicht nur das Ausmaß der Unterbrechungszeiten, sondern auch das der zwischen diesen Unterbrechungszeiten liegenden Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen ist. Anders als in den Sachverhalten der vom
Revisionswerber ins Treffen geführten Entscheidungen SZ 54/75 (= ZAS
1982/1 [Tomandl] = DRdA 1982/9 [Strasser]) und Arb 10.060 (= ZAS
1983/13 [Gitter]) sowie der das Vorliegen von Kettenarbeitsverträgen bejahenden Entscheidungen Arb 11.199, 8 ObA 2158/96b und 8 ObA 2347/96x übersteigt im vorliegenden Fall die Dauer der Zeiten der Unterbrechung bei weitem die der Beschäftigung (an 106 überwiegend einzelnen Tagen innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren), sodaß schon aus diesem Grund das Vorliegen eines unzulässigen Kettenarbeitsvertrages zu verneinen ist.
Ungeachtet der zeitlichen Streuung könnte aber allenfalls eine dauernde Bindung im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen, nur den Arbeitnehmer bindenden Vertragsgestaltung im Sinne von Arbeit auf Abruf bzw kapazitätsorientierter (richtiger: bedarfsorientierter) variabler Arbeitszeit (KAPOVAZ) bejaht werden, wenn der Vertrag die Interessen des Arbeitgebers einseitig gegenüber denen des Arbeitnehmers bevorzugt (Rebhahn, Zur Überwälzung des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf, FS Schnorr, 1988, 225; derselbe Schranken für KAPOVAZ und Arbeit auf Abruf, RdW 1989, 194).
Im Fall des Klägers ist die rechtliche Zulässigkeit der "Rahmenvereinbarung" durch das im Vordergrund stehende Medizinstudium, das eine möglichst flexible Bedachtnahme auf Prüfungen, Praktika ua ermöglichen soll, eine hinreichende Rechtfertigung, ebenso wie der Umstand, daß es eine von ihm gewünschte Nebentätigkeit mit einer erhöhten Abgeltung (der Stundenlohn umfaßt auch sonstige Zuschläge wie Urlaubsentschädigungen, Sonderzahlungen ua) betrifft. Die Rahmenvereinbarung war inhaltlich noch zu unbestimmt, um eine durchgehende arbeitsvertragliche Bindung als "rechtliche" Klammer der einzelnen befristeten Arbeitsverträge zu begründen. Sie enthielt noch nicht die notwendigen Bestandteile des Arbeitsvertrages. Insbesondere bestand keine den Kläger verpflichtende Arbeitsbereitschaft außerhalb der durch seine Angaben (in der "Strichliste") und durch seine Annahme eines konkreten, an dieser Strichliste orientierten Vorschlages der beklagten Partei erst im Einzelfall zu bestimmenden "Einsatztage". Den Interessen des Klägers wurde ausreichend durch die Berücksichtigung der von ihm im Wege der "Strichlisten" mitgeteilten Zeiten, in denen er keine Beschäftigung wünschte, sowie durch die monatliche Erstellung von Aktionsplänen Rechnung getragen, da durch diese Gestaltung die den Arbeitnehmer besonders belastende, Dispositionen über seine Zeit im privaten Bereich oder zur Verrichtung einer anderen Tätigkeit - sei es Erwerbstätigkeit oder Studium - verhindernde oder erschwerende Unsicherheit weitgehend vermieden wurde. Zieht man auch noch in Betracht, daß sich der Kläger im Verhinderungsfall durch andere Mitglieder des - 15 Personen umfassenden - "Pools" auch ohne Rücksprache mit dem Einsatzleiter vertreten lassen konnte, kann von einer die Interessen des Klägers nicht berücksichtigenden nachteiligen Gestaltung des Arbeitsvertrages im Sinne einer einseitigen Bindung keine Rede sein.
Die "Rahmenvereinbarung" entspricht den besonderen Bedingungen und Bedürfnissen eines studentischen Neben-Jobs, indem die vornehmliche Berücksichtigung der Erfordernisse eines Studiums sichergestellt war. Im Gegensatz zu der Vertragsänderung ab , die auf Wunsch der am "Pool" beteiligten Studenten zustandekam, mit einer sehr flexiblen Teilzeitbeschäftigung von knapp über 10 % eines Normalarbeitsverhältnisses und einer Möglichkeit eines Ausgleiches von Minderstunden innerhalb der drei nächsten Monate, wurde vor dem den Interessen des Studiums durch eine sehr lose "Rahmenvereinbarung" Rechnung getragen. Die Änderung von der Rahmenvereinbarung zu einer sehr flexiblen Teilzeitvereinbarung zeigt, daß die beklagte Partei durchaus bereit war, den Interessen und Wünschen der Studenten entgegenzukommen (Absicherung gegen überraschenden Einsatz, Zusicherung eines Mindesteinsatzes und Vermeidung der höheren Kosten einer freiwilligen Weiterversicherung durch ein gering entlohntes Teilzeitarbeitsverhältnis).
Sämtliche von Rebhahn (Schranken für KAPOVAZ und Arbeit auf Abruf, RdW 1989, 194) angeführten Kriterien, nach denen die Sittenwidrigkeit der Arbeit auf Abruf zu beurteilen ist (aaO 197), versagen daher im Falle des Klägers.