OGH vom 23.02.2009, 8Ob112/08s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Dr. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Andrea K*****, und 2) Ingrid S*****, beide vertreten durch Felferning & Graschitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Helene N*****, vertreten durch Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 72/08f-20, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 10 Cg 9/07b-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerinnen sind die Enkelinnen, die Beklagte ist die Nichte der am geborenen und am verstorbenen Elisabeth S***** (in der Folge: Erblasserin). Die Beklagte ist die rechtskräftig eingeantwortete Alleinerbin nach ihrem am verstorbenen Vater Stefan V*****, dem Bruder der Erblasserin. Am hatte die Erblasserin folgende letztwillige Verfügung eigenhändig verfasst und unterfertigt:
„Testament
Ich bestimmte hier mit das mein Bruder Stefan V***** [Anm: der Vater der Beklagten] und meine Enkelin Andrea K***** [Anm: die Erstklägerin] nach meine Ableben das Haus samt Garten verkaufen sollen, und den Ertrag des Verkaufes in fünf gleiche Teile aufteilen sollen. Meine Schwester Anni H***** geb. V***** und mein Bruder haben mein Haus Schlüssel, somit sollen sie die volle Verantwortung übernehmen, sollte meiner Schwester Anna H***** etwas zustossen so bekommt ihr Sohn Gerhard N***** und Christian Enkel ihr Anteil. Meine Wäsche soll meine Schwester bekommen. Das ist mein letzter Wille. Elisabeth S*****."
Zu diesem Zeitpunkt bestand das Vermögen der Erblasserin im Wesentlichen aus dem in der letztwilligen Verfügung erwähnten Haus. Ein Sohn der Erblasserin, Ludwig S*****, ist am an Nierenkrebs gestorben.
Im nach der Erblasserin durchgeführten Verlassenschaftsverfahren gab die Beklagte als Alleinerbin nach ihrem Vater aufgrund der von ihr als Testament betrachteten letzwilligen Verfügung vom eine bedingte Erbserklärung zu einem Fünftel des Nachlasses ab. Die Kläger beriefen sich auf ein mündliches Testament der Erblasserin vom und gaben unbedingte Erbserklärungen je zur Hälfte des Nachlasses ab. Im daraufhin durchgeführten Erbrechtsstreit - für diesen war der Beklagten gemäß § 125 AußStrG 1854 die Klägerrolle zugewiesen worden - wurde die Ungültigkeit des mündlichen Testaments vom rechtskräftig festgestellt. Das Gericht erachtete es in diesem Vorprozess als nicht feststellbar, dass die drei im Verfahren als Testamentszeugen genannten Personen am gleichzeitig bei der Erblasserin waren bzw dass die Erblasserin an diesem Tag in Gegenwart der drei Personen die nun als mündliches Testament gewerteten Erklärungen abgegeben haben bzw dass die Erblasserin diese Erklärungen im Bewusstsein und in der Absicht abgegeben habe, damit eine letztwillige Verfügung zu errichten. Im fortgesetzten Verlassenschaftsverfahren gaben die Klägerinnen auf Grund des Gesetzes unbedingte Erbserklärungen je zur Hälfte des Nachlasses ab.
Mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom wurde daraufhin gemäß § 125 AußStrG 1854 den Klägerinnen für den zu führenden Erbrechtsstreit die Klägerrolle zugewiesen. Mit ihrer nunmehr eingebrachten Erbrechtsklage begehrten die Klägerinnen, mit Wirkung zwischen den Parteien die Ungültigkeit des am errichteten eigenhändigen Testaments der Erblasserin festzustellen. Da in diesem Testament nicht geregelt sei, an wen der Nachlass gelangen solle, fehle es an einer Erbseinsetzung. Die letztwillige Verfügung enthalte lediglich den Auftrag, das Haus der Erblasserin zu verkaufen und den Erlös in fünf Teile zu teilen, lasse aber nicht erkennen, wer diese Teile erhalten solle. Lediglich der vorletzte Satz der Verfügung, nach dem die Wäsche der Erblasserin ihrer Schwester zugewendet werde, sei als Kodizill zu verstehen. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das Testament sei gültig, weil bei seiner Auslegung auf mündliche Erklärungen der Erblasserin Bedacht zu nehmen sei, mit denen sie klargestellt habe, welchen Personen sie ihr Haus und ihren Garten hinterlassen wolle. Schon die Erwähnung des Vaters der Beklagten spreche dafür, dass dieser ein Fünftel der Erbschaft hätte erhalten sollen. Überdies sei das Klagebegehren schon deshalb verfehlt, weil selbst die Klägerinnen in der letztwilligen Verfügung ein Kodizill erblickten. Damit sei aber die letztwillige Verfügung nicht ungültig. Zudem fehle den Klägerinnen jegliches rechtliche Interesse an der von ihnen begehrten Feststellung, weil sie gemäß § 542 ABGB erbunwürdig seien. Sie hätten ein mündliches Testament behauptet, obwohl sie gewusst hätten, dass ein solches nicht errichtet worden sei.
Dem zuletzt wiedergegebenen Einwand hielten die Klägerinnen entgegen, nicht erbunwürdig zu sein. Im Vorverfahren seien nur negative Feststellungen getroffen und die Formalerfordernisse für ein mündliches Testament verneint worden. Daraus könne keine Erbunwürdigkeit abgeleitet werden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es folgende Feststellungen:
Die Erblasserin hat gegenüber verschiedenen Personen unterschiedliche Personen bzw Personenkreise als ihre Erben genannt. Gegenüber einer Zeugin nannte sie im Zusammenhang mit der Teilung des Verkaufserlöses in fünf Teile ihren Bruder Stefan V***** (den Vater der Beklagten), ihre Schwester, die beiden Klägerinnen sowie Gerhard und Christian N***** (also insgesamt sechs Personen). Auf die Frage, ob mit den fünf Teilen die drei Enkel und die zwei Geschwister gemeint seien, „antwortete die Zeugin nur mit Schwester und Bruder". Auch gegenüber einer weiteren Zeugin hat die Erblasserin erklärt, dass alles in fünf Teile aufgeteilt werden solle und dass die Enkelkinder Andrea K*****, Richard S***** und Ingrid S***** sowie der Bruder der Erblasserin Stefan V***** und die Schwester der Erblasserin etwas bekommen sollen. Auch einer anderen Zeugin gegenüber nannte die Erblasserin die fünf eben genannten Personen. Über Äußerungen der Erblasserin, wonach der Sohn der Erblasserin Ludwig S***** etwas bekommen sollte, konnte keine der genannten Zeuginnen berichten. Gegenüber den beiden Klägerinnen erklärte die Erblasserin während ihres letzten Spitalsaufenthalts (von August 2004 bis zu ihrem Tod), dass „die drei Kinder" erben sollten; zudem fragte sie, ob sich ihr Urenkel Dominik nicht vorstellen könne, im Haus zu wohnen. Es ist aber nicht feststellbar, ob die Erblasserin damals aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustands überhaupt noch vom Inhalt ihres 1988 errichteten Testaments wusste. Den Klägerinnen war dieses Testament bis zum Beginn des Verlassenschaftsverfahrens nicht bekannt. Gegenüber der Beklagten hatte die Erblasserin erklärt, dass das Haus verkauft werden solle, weil es sich niemand leisten könne, die anderen auszuzahlen. Der Erlös des Hauses solle auf ihren Bruder Stefan V*****, auf ihre Schwester und auf ihre Enkelkinder Andrea K*****, Ingrid S***** und Richard S***** aufgeteilt werden. Tatsachen, „aus denen sich ein gesetzlicher Erbunwürdigkeitsgrund der Klägerinnen ergeben könnte", erachtete das Erstgericht als nicht feststellbar.
Auf dieser Grundlage vertrat das Erstgericht folgende Rechtsauffassung:
Die schriftliche Verfügung der Erblasserin vom sei zwar von ihr eigenhändig verfasst und unterfertigt und daher in einer dem § 578 ABGB entsprechenden äußeren Form errichtet worden. Sie enthalte aber keine Erbseinsetzung, da nur von der Aufteilung des Verkaufserlöses auf fünf Teile, nicht aber davon die Rede sei, wer diese Teile erhalten solle. Dass die in der Verfügung genannten Personen etwas erhalten sollten, sei dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Umstände außerhalb der Urkunde könnten nicht herangezogen werden, um diesen Mangel durch Auslegung zu ergänzen. Es handle sich um einen Verstoß gegen zwingende Formvorschriften, der nicht einmal dann durch Auslegung saniert werden könne, „wenn der Inhalt dem eindeutig erwiesenen Willen des Erblassers entspricht". Auch sei der subjektive Wille der Erblasserin „betreffend der Erbseinsetzung auch nicht mit der nötigen Sicherheit festgestellt" worden, da die Äußerungen der Erblasserin gegenüber verschiedenen Personen unterschiedlich gewesen seien. Die letztwillige Verfügung sei daher ungültig bzw habe nur die Qualität eines Kodizills bezüglich der Wäsche. Dass der Sohn der Erblasserin Ludwig S***** als Noterbe übergangen wurde, spreche weder gegen noch für einen Testierwillen der Erblasserin, da Ludwig S***** im Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde bereits seit ca zwei Jahren an Nierenkrebs gelitten habe und die Erblasserin dies natürlich gewusst habe. Die Anordnung, dass die Wäsche der Erblasserin ihre Schwester bekommen solle, sei als Legat iSd § 535 ABGB zu werten. Die Beklagte habe mit ihrem Vorbringen keinen Erbunwürdigkeitsgrund iSd § 542 ABGB behauptet und sei überdies jeden Beweis dafür schuldig geblieben sei, dass die Klägerinnen den wahren Willen der Erblasserin hätten vereiteln wollen. Im Vorverfahren sei das mündliche Testament nur wegen der Nichterfüllung der äußeren Formvorschriften für ungültig erklärt worden und nicht deswegen, weil das Gericht die Aussagen der Testamentszeugen bezweifelt habe. Dass die Klägerinnen die Formerfordernisse eines mündlichen Testaments nicht gekannt und sich daher zu Unrecht auf ein mündliches Testament berufen hätten, begründe keine Erbunwürdigkeit.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, allerdings mit der Maßgabe einer Umformulierung des Urteilsspruchs: Es stellte fest, dass der Beklagten aufgrund des mit datierten Testaments der Erblasserin kein Erbrecht zustehe. Ferner sprach es aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass die letztwillige Verfügung der Erblasserin die zwingenden Formvorschriften für ein Testament nicht erfülle. Es fehle an einer wirksamen, dem Testament objektiv entnehmbaren Erbseinsetzung. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürften nämlich nicht zur Feststellung des Inhalts, sondern nur zu dessen Auslegung herangezogen werden. Zwar sei richtig, dass die Person des Erben im Testament nicht namentlich genannt sein müsse, sondern dass die Bestimmbarkeit des Erben genüge. Die letztwillige Verfügung der Erblasserin enthalte aber überhaupt keine ausdrückliche oder das Erfordernis der Bestimmbarkeit erfüllende Erbseinsetzung, weil jede Anordnung fehle, wer die fünf Teile des Verkaufserlöses erhalten solle. Damit liege kein gültiges Testament vor. Selbst wenn man den vorletzten Halbsatz der letztwilligen Verfügung als Erbeinsetzung der Schwester der Erblasserin werten wollte, wäre daraus für die Beklagte nichts gewonnen, weil jedenfalls eine Einsetzung anderer Personen nicht erfolgt sei. Auf die Absicht der Erblasserin komme es dabei nicht an, weil der Grundsatz, dass dem wahren erblasserischen Willen möglichst weitgehend zu entsprechen sei, dort seine Grenze finde, wo es sich um Formvorschriften für letztwillige Verfügungen im engeren Sinn handle. Entscheidend sei nur der gültig erklärte Wille des Erblassers. Auf die Tatsachenrüge der Beklagten, die sich mit den Äußerungen der Beklagten gegenüber verschiedenen Personen befasse, brauche daher nicht eingegangen zu werden.
Zutreffend mache die Beklagte allerdings geltend, dass die letztwillige Verfügung nicht völlig wirkungslos sei, sondern jedenfalls bezüglich der Wäsche der Erblasserin ein gültiges Kodizill enthalte. Um dem gerecht zu werden, sei das Urteil mit der Maßgabe der oben dargestellten Umformulierung des Spruchs zu bestätigen gewesen.
Erbunwürdigkeit nach § 542 ABGB könne nur im Fall einer Gefährdung der gewillkürten Erbfolgeordnung angenommen werden. Dass sich die Klägerinnen auf ein mündliches Testament berufen hätten, das sich als nicht formgültig herausgestellt habe, sei daher von vornherein nicht geeignet, Erbunwürdigkeit zu begründen, weil ja die Erblasserin kein gültiges Testament hinterlassen habe, das die Klägerinnen zu ihren Gunsten hätten beeinflussen können. Auf die in diesem Zusammenhang behaupteten Feststellungs- und Verfahrensmängel brauche daher nicht eingegangen zu werden.
Die Revision sei nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Eventualiter wird beantragt, das Berufungsurteil im Sinne einer (näher dargestellten) Änderung der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung abzuändern.
Die Klägerinnen beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist vor allem deshalb zulässig, weil - wie darzustellen sein wird - die Rechtsauffassung der zweiten Instanz zur Frage der Erbunwürdigkeit der Klägerinnen nicht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs übereinstimmt. Überdies erachtet der Oberste Gerichtshof - anders als das Berufungsgericht - auch die Entscheidung über die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung der Erblasserin als noch nicht spruchreif.
Die Revision ist im Sinne des darin enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1) Zur Frage der Erbunwürdigkeit:
Die Klage des gemäß § 126 AußStrG 1854 auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprechers ist eine negative Feststellungsklage. Ihr Begehren ist auf die (zwischen den Parteien wirkende) Feststellung der Unwirksamkeit des vom Beklagten in Anspruch genommenen Erbrechtstitels zu richten. Eine positive Entscheidung über die Erbberechtigung des Klägers hat nicht zu ergehen (RIS-Justiz RS0110928; RS0007971; 1 Ob 140/99s mwN).
Auch wenn daher im Erbrechtsstreit keine positive Entscheidung über die Erbberechtigung des Klägers zu ergehen hat, wird dennoch ein gültiger Erbrechtstitel des Klägers als Voraussetzung für eine Stattgebung des Klagebegehrens angesehen (3 Ob 34/03a mwN). Der Kläger muss im Erbrechtsstreit allerdings seine Aktivlegitimation nicht behaupten und beweisen. Für sie spricht prima facie, dass (auch) seine Erbserklärung zu Gericht angenommen wurde. Es ist daher Sache des Beklagten, im Erbrechtsstreit die Aktivlegitimation des Klägers zu widerlegen (RIS-Justiz RS0007984; 3 Ob 34/03a). Hier hat die Beklagte die Erbunwürdigkeit der Klägerinnen behauptet und daraus abgeleitet, dass ihnen das rechtliche Interesse an der von ihnen begehrten Feststellung fehle. Sie hat damit geltend gemacht, dass die Klägerinnen nicht Erben sein können und daher nicht aktiv klagelegitimiert sind (vgl 1 Ob 281/06i). Ihr dazu erstattetes Vorbringen ist daher inhaltlich zu prüfen.
Nach § 542 ABGB machen Handlungen oder Unterlassungen erbunwürdig, die in der Absicht geschehen, den Willen des Erblassers zu vereiteln (RIS-Justiz RS0112469; RS0012273; 1 Ob 281/06i). Die dazu in der zitierten Gesetzesstelle enthaltene Aufzählung ist nicht taxativ (7 Ob 43/07k mwN). Auch der Widerruf, die Unterschiebung und die Verfälschung eines letzten Willens sind als Verfehlungen iSd § 542 ABGB zu werten (Welser in Rummel³ § 542 Rz 1 und 4). Träfe es daher zu, dass sich die Klägerinnen in der Absicht, den Willen der Erblasserin zu vereiteln, auf ein mündliches Testament berufen haben, von dem sie wussten, dass es nie errichtet wurde, wären sie tatsächlich iSd § 542 ABGB erbunwürdig.
Dass die Klägerinnen zu jenem Zeitpunkt, in dem sie sich auf das mündliche Testament beriefen, von der Existenz der schriftlichen Verfügung der Erblasserin wussten, liegt auf der Hand. Schließlich haben sie ja unter Berufung auf dieses mündliche Testament gegen die hier Beklagte, die sich auf die schriftliche Verfügung der Erblasserin stützte, einen Erbrechtsstreit geführt. Dass auch Handlungen nach dem Tod der Erblasserin Erbunwürdigkeit nach § 542 ABGB begründen können, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt (3 Ob 87/03w).
Zu prüfen bleibt somit, ob das Vorbringen der Beklagten zutrifft, wonach sich die Klägerinnen auf ein mündliches Testament berufen haben, obwohl sie wussten, dass es nicht errichtet wurde. Das Erstgericht hat das von der Beklagten zu dieser Frage beantragte Beweisverfahren nicht als erforderlich erachtet, weil im Erbrechtsstreit, in dem die Gültigkeit des mündlichen Testaments verneint wurde, „nur negative Feststellungen" getroffen worden seien und nur die Formgültigkeit des Testaments verneint worden sei. Dieser Hinweis kann aber die Notwendigkeit von Feststellungen zum Vorbringen der Beklagten nicht in Frage stellen. Schon das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, dass wegen des unterschiedlichen Entscheidungsgegenstands keine Bindung an die Feststellungen des Vorprozesses besteht. Zudem wird durch die im Vorprozess getroffenen negativen Feststellungen, die im Übrigen sehr wohl auch die Frage berühren, ob sich überhaupt ein Sachverhalt ereignet hat, der als mündliches Testament gewertet werden konnte, das Vorbringen der Beklagten zwar nicht bestätigt, aber auch nicht ausgeschlossen. Der Hinweis auf den Vorprozess ist daher nicht geeignet, die Notwendigkeit einer inhaltlichen Prüfung des Vorbringens der Beklagten zu verneinen. Dass das Erstgericht „Tatsachen..., aus denen sich ein gesetzlicher Erbunwürdigkeitsgrund der Klägerinnen ergeben könnte", in Form einer negativen Feststellung nicht als feststellbar erachtete, ist in diesem Zusammenhang ohne jede Relevanz, weil diese Formulierung eine (im Übrigen nicht näher konkretisierte) rechtliche Wertung zum Ausdruck bringt, die mangels Feststellung des maßgebenden Sachverhalts nicht überprüfbar ist.
Das Berufungsgericht erachtete überdies Feststellungen zum Vorbringen der Beklagten als nicht erforderlich, weil § 542 ABGB nur Verfehlungen gegen die gewillkürte Erbfolgeordnung sanktioniere, die Erblasserin aber kein gültiges Testament hinterlassen habe. Die behauptete Erbunwürdigkeit könne daher gar nicht vorliegen. Diese Rechtsauffassung ist schon deshalb unzutreffend, weil nach Lehre und Rechtsprechung Verfehlungen gegen den letzten Willen des Erblassers iSd § 542 ABGB auch dann vorliegen, wenn sich die Handlung oder Unterlassung des betroffenen Erbanwärters zwar nicht gegen ein Testament, aber gegen ein Kodizill bzw gegen ausgesetzte Legate richtet (RIS-Justiz RS0112469; 1 Ob 281/06i; Welser in Rummel³ § 542 Rz 1). Dass es sich bei der letztwilligen Verfügung wegen der Zuwendung von Wäsche an die Schwester der Erblasserin um ein Kodizill handelt, haben aber auch die Vorinstanzen angenommen. Überdies wird im Folgenden noch zu zeigen sein, dass viel dafür spricht, dass der letztwilligen Verfügung zumindest eine Einsetzung der Schwester der Erblasserin als Erbin zu entnehmen ist. Auch die Vorinstanzen halten dies für denkbar. Damit ist aber das Vorbringen der Beklagten, die Klägerinnen seien erbunwürdig, keineswegs unschlüssig. Es ist daher notwendig, die dazu angebotenen Beweise aufzunehmen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
2) Zur Auslegung der letztwilligen Verfügung:
Der Beklagten ist zuzustimmen, dass der Wortlaut einer letztwilligen Verfügung nicht die einzige Quelle ihrer Auslegung darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung sind vielmehr auch außerhalb der Anordnung liegende Umstände aller Art, sonstige mündliche oder schriftliche Äußerungen sowie ausdrückliche oder konkludente Erklärungen des Erblassers zur Auslegung heranzuziehen. Die Auslegung soll möglichst so erfolgen, dass der vom Erblasser beabsichtigte Erfolg eintritt bzw wenigstens teilweise aufrecht bleibt. Allerdings muss die Auslegung in der letztwilligen Verfügung irgendeinen, wenn auch noch so geringen Anhaltspunkt finden und darf nicht völlig dem unzweideutig ausgedrückten Willen zuwiderlaufen („Andeutungstheorie"). Außerhalb der Urkunde liegende Umstände, die einen Rückschluss auf den wahren Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde erlauben, dürfen daher nicht zur Feststellung eines nicht erklärten Inhalts, wohl aber zur Auslegung des Inhalts der Verfügung herangezogen werden (RIS-Justiz RS0012340; RS0012372; RS0012367; zuletzt etwa 6 Ob 18/06z = SZ 2006/57 mit dem Hinweis, dass der Grundsatz, wonach der Absicht des Erblassers nur gefolgt werden darf, wenn sie noch irgendeinen Anhaltspunkt im Wortlaut der letztwilligen Verfügung selbst findet, im österreichischen Recht traditionell weniger streng als in Deutschland gesehen wird). Dass die Person des Erben im Testament nicht namentlich genannt sein muss, sondern ihre Bestimmbarkeit genügt, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt (RIS-Justiz RS0012380).
Im hier zu beurteilenden Fall hat sich die Beklagte auf zahlreiche mündliche Äußerungen der Erblasserin berufen, aus denen unzweifelhaft zu entnehmen sei, dass es sich bei den fünf Personen, denen die Erblasserin ihr Vermögen zuwenden wollte, um ihren Bruder Stefan V*****, um ihre Schwester sowie um ihre Enkel Andrea K*****, Ingrid S***** (Erst- und Zweitklägerinnen) und Richard S***** gehandelt habe. Wäre eine solche Absicht der Erblasserin erwiesen, könnte sie bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung nicht unbeachtet bleiben. Dabei ist zu beachten, dass Gegenstand des Verfahrens nur das Erbrecht der Beklagten ist, sodass letztlich hier nur zu beurteilen ist, ob deren Vater Stefan V***** in der letztwilligen Verfügung als Erbe eingesetzt wurde. Wäre diese Absicht der Erblasserin erwiesen, so stünde der Wortlaut der letztwilligen Verfügung einer Auslegung in diesem Sinne nicht zwingend entgegen:
Stefan V***** wird in der Verfügung zweimal erwähnt; ua wird er in einem Halbsatz gemeinsam mit der Schwester der Erblasserin als „voll verantwortlich" bestimmt, wobei im selben Satz angeordnet wird, dass den Anteil der Schwester - sollte ihr etwas zustoßen - ihr Sohn und ihr Enkel erhalten solle. Damit liegt aber die Auslegung, die Erblasserin sei davon ausgegangen, dass jedenfalls ihre Schwester, aber auch ihr Bruder je einen der fünf Anteile am Vermögen erhalten sollen, keineswegs fern. Jedenfalls schließt der Wortlaut der Verfügung eine solche Auslegung nicht aus. Ob die Erblasserin eine solche Absicht gehabt hat, steht aber nicht fest, weil das Erstgericht dazu nur unzureichende Feststellungen getroffen und überdies das Berufungsgericht die dazu erhobene Tatsachenrüge der Beklagten - seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsauffassung folgend - nicht erledigt hat.
Selbst nach den erstgerichtlichen Feststellungen ist klar, dass die Erblasserin gegenüber mehreren Zeugen und der Beklagten im Wesentlichen gleichlautende Erklärungen über ihre mit ihrer letztwilligen Verfügung verfolgte Absicht abgab. Eine Ausnahme stellen nur die festgestellten Erklärungen gegenüber den Klägerinnen dar, die aber erst 2004 und damit zu einem knapp vor dem Tod der Erblasserin gelegenen Zeitpunkt erfolgten, für den nicht mehr erwiesen ist, dass sich die Erblasserin überhaupt noch an ihre 1988 errichtete letztwillige Verfügung erinnerte. Dass die Erblasserin gegenüber den übrigen Zeugen im Detail unterschiedliche Erklärungen abgab und dabei einmal sogar sechs Personen erwähnte, ist nur von eingeschränkter Relevanz, zumal sie dabei auch Gerhard und Christian N***** aufzählte, die sie in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich als Repräsentanten ihrer Mutter (der Schwester der Erblasserin) angeführt hatte. Vor allem aber ist sämtlichen vom Erstgericht festgestellten Äußerungen der Erblasserin zu entnehmen, dass sie bei jedem der mit den Zeuginnen und der Beklagten geführten Gespräche jedenfalls Stefan V***** - und nur dessen Erbseinsetzung ist in diesem Verfahren entscheidend - als eine der bedachten Personen erwähnte. Dass die Erblasserin - wollte man davon ausgehen, sie habe in der von der Beklagten behaupteten Absicht gehandelt - ihren Sohn Ludwig S***** übergangen hätte, stellt - wie schon das Erstgericht ausgeführt hat - kein zwingendes Argument gegen einen entsprechenden Testierwillen der Klägerin dar, zumal Ludwig S***** im Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde bereits seit ca zwei Jahren an Nierenkrebs litt und die Erblasserin dies wusste.
Dennoch erlauben die eben erörterten Feststellungen keine abschließende Beurteilung, weil sie sich in der Wiedergabe von Äußerungen der Beklagten (teilweise sogar in der Wiedergabe von Zeugenaussagen) erschöpfen, während eine - damit nicht zwingend verbundene - klare Feststellung darüber fehlt, ob die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung den von der Beklagten behaupteten Testierwillen - zumindest den Willen, den Vater der Beklagten mit einem Fünftel des Nachlasses zu bedenken - gehabt hat. Wenig konkrete Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung, die daran zweifeln lassen, dass das Erstgericht von einer entsprechenden Absicht der Erblasserin ausging, können eine derartige klare Feststellung nicht ersetzen.
Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch die erstgerichtlichen Feststellungen zur Frage der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung - jedenfalls im Sinne der Einsetzung des Vaters der Beklagten als Erbe - als ergänzungsbedürftig.
In Stattgebung der Revision waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur Ergänzung von Verfahren und Feststellungen zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.