OGH vom 25.11.2016, 8Ob111/16f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dr. G***** S*****, und 2) E***** S*****, ebendort, beide vertreten durch Mag. Gregor Sieber, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei DI K***** H*****, vertreten durch die Sluka Hammerer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung, Beseitigung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert 5.720 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 227/15h 17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 32 C 1177/14g 11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 688,92 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Kläger sind seit 1998 Mieter einer Wohnung in einem Haus des Beklagten sowie der daran angebauten Garage. Beim Bezirksgericht S***** behängt ein Verfahren, in dem der hier Beklagte die Räumung des Bestandgegenstands zufolge Anfechtung des Mietvertrags wegen Arglist begehrt. Seit dem Frühjahr 2014 bespuckt der Beklagte immer wieder die Fahrzeuge der Kläger sowie weiters das Garagentor und die Zufahrtsfläche zur Garage.
Die Kläger erhoben ein Unterlassungs-, Beseitigungs- und ein Zahlungsbegehren. Der Beklagte bespucke regelmäßig ihre Fahrzeuge, das Garagentor und die Garagenzufahrtsfläche. Trotz Aufforderung setze der Beklagte sein Verhalten fort. Dadurch seien sie vor allem in der Ausübung ihrer Miet- und Gebrauchsrechte erheblich beeinträchtigt. Für die Reinigung ihres Pkw entstehe ein erheblicher Aufwand.
Der Beklagte entgegnete, dass die Fahrzeuge nicht im Eigentum der Kläger stünden. Außerdem sei er starker Raucher und leide an einer Schleimbildung im Mund- und Rachenbereich. Der Arzt habe ihm empfohlen, den Schleim nicht zu schlucken, sondern auszuspucken. Dafür benütze er sein Bürofenster, weil der Weg zur Toilette weiter sei. In einem anderen Verfahren werde von ihm der Mietvertrag mit den Klägern angefochten.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze und dem Beseitigungsbegehren hinsichtlich des Garagentors statt. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Das Bespucken der Fahrzeuge der Kläger stelle eine Störung ihres Eigentums und einen ungerechtfertigten Eingriff in dieses dar. Hinsichtlich des Garagentors und der Garagenzufahrtsfläche werde in das Recht der Mieter auf ungestörten Gebrauch eingegriffen. Der Beklagte habe auch diese Störungen zu unterlassen. Ebenso sei das Beseitigungsbegehren in Bezug auf das Garagentor der mitgemieteten Garage berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte (abgesehen von der Zurückweisung des Begehrens auf Ersatz vorprozessualer Kosten) diese Entscheidung. Hinsichtlich des Garagentors und der Garagenzufahrtsfläche könnten sich die Kläger auch auf § 1295 Abs 2 ABGB stützen. Das Eigentumsrecht des Beklagten sei durch das Verbot schikanöser Rechtsausübung beschränkt. Selbst bei einer Anfechtung des Mietvertrags sei das Bespucken des Garagentors und der Zufahrtsfläche durch den Beklagten als sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Hinsichtlich der Fahrzeuge der Kläger liege ein Eingriff des Beklagten in das absolut geschützte Eigentum der Kläger vor. Weitere Feststellungen zur subjektiven Tatseite seien nicht erforderlich.
Über Antrag des Beklagten nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Beklagten, die auf eine Abweisung der Klagebegehren abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Kläger, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden –Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen – wie auch der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.
2.1 Das Eigentum ist die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen (§ 354 ABGB). Das Eigentumsrecht ist ein absolutes, von der Rechtsordnung gegen Angriffe Dritter geschütztes Recht. Wird in diese Befugnis des Eigentümers eingegriffen, so kann sich dieser dagegen mit der Eigentumsfreiheitsklage zur Wehr setzen (§ 523 ABGB). Diese Klage ist auf die Abwehr der Störungen gerichtet und steht gegenüber jedem zu, der in unbefugter Weise in das Eigentum eingreift (2 Ob 143/09g; 5 Ob 138/11x).
2.2 Aus den Feststellungen des Erstgerichts ergibt sich, dass der Mietvertrag aufrecht ist. In der Rechtsprechung ist es seit langem anerkannt, dass das Mietrecht zugunsten des Mieters eine besondere Rechtslage schafft, in die ein Dritter nicht eingreifen darf. Dem Mieter wird daher nicht nur die Besitzstörungsklage, sondern auch die Klage auf Abwehr von Eingriffen in das Bestandrecht gegen jeden eingeräumt, der kein besseres oder gleichwertiges Recht nachweisen kann, wenn sich der Bestandgegenstand im Rechtsbesitz des Mieters befindet (vgl schon 1 Ob 515/77).
3.1 Ein Unterlassungsanspruch gebührt allgemein im Fall eines rechtswidrigen Eingriffs in eine fremde Rechtssphäre. Dies gilt vor allem zum Schutz vor Eingriffen in absolut geschützte Rechte und damit vor Handlungen, mit denen unbefugte Eingriffe in das Eigentum oder andere geschützte Rechtspositionen verbunden sind (8 Ob 58/12f; 2 Ob 173/12y).
Daraus folgt, dass bei einem unerlaubten Eingriff in das Eigentum ein auf § 523 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch zusteht. Dabei handelt es sich um kein Handlungs-, sondern um ein Erfolgsverbot (7 Ob 109/13z). Ähnliches gilt für einen unbefugten Eingriff in das Mietrecht. Der Mieter hat das geschützte Recht auf ungestörte Nutzung des Bestandgegenstands und kann Störer seines Mietrechts auf Unterlassung in Anspruch nehmen (vgl dazu auch 1 Ob 47/15s). Maßgeblich für eine hier relevante Störungshandlung ist das Vorliegen eines Eingriffs in die Sachintegrität oder das Nutzungsrecht der Kläger. Verschmutzungen, auch durch Spucke, stellen derartige Störungen dar. Ein materieller Substanzschaden ist nicht erforderlich.
3.2 Im gegebenen Zusammenhang ist in der Rechtsprechung weiters anerkannt, dass die Haftungsgrundlage des § 1295 Abs 2 ABGB auch den Eigentümer einer Sache verpflichtet. Bei rechtsmissbräuchlicher Rechtsausübung steht dem Geschädigten nicht nur ein Schadenersatzanspruch, sondern auch ein Unterlassungsanspruch zu (8 Ob 510/95; vgl auch 4 Ob 120/14x).
3.3 Ein Unterlassungsanspruch setzt neben der Unterlassungspflicht die Gefahr voraus, dass der Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird. Hat ein rechtswidriger Eingriff in die fremde Rechtssphäre bereits stattgefunden, so wird die Wiederholungsgefahr vermutet. Als Indiz für das Vorhandensein der Wiederholungsgefahr ist es etwa zu werten, wenn der Beklagte im Prozess seine Unterlassungspflicht bestreitet und keine Gewähr dafür besteht, dass er Eingriffe in die geschützte Rechtsposition des Klägers in absehbarer Zeit unterlässt (8 Ob 78/13y; 5 Ob 149/14v).
4. Ein Begehren im Sinn des § 523 ABGB kann schließlich nicht nur auf Unterlassung künftiger Eingriffe, sondern zudem auf Beseitigung sowie auf Wiederherstellung des früheren Zustands gerichtet sein (5 Ob 86/03p). Dabei sind der eigentumsrechtliche Beseitigungsanspruch einerseits und der schadenersatzrechtliche Wiederherstellungsanspruch andererseits voneinander zu unterscheiden. Der Beseitigungsanspruch gebührt bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme einer fremden Rechtssphäre und ist auf Entfernung der Störungsquelle gerichtet. Demgegenüber bezieht sich der Wiederherstellungsanspruch auf die Wiedergutmachung von Folgeschäden des Eingriffs (vgl dazu Koziol , Grundfragen des Schadenersatzrechts, Rz 2/24).
5. Im Anlassfall sind die Vorinstanzen von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Fragen, ob ein konkretes Verhalten einen Eingriff in eine geschützte Rechtsposition des Klägers darstellt, ob ein Verhalten einen Unterlassungs- oder einen Beseitigungsanspruch nach § 1295 Abs 2 ABGB begründet sowie ob Wiederholungsgefahr vorliegt, hängen typisch von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Voraussetzungen für die zuerkannten Ansprüche erfüllt sind, erweisen sich insgesamt als nicht korrekturbedürftig. Die Ansicht des Beklagten, das Garagentor und die Garagenzufahrtsfläche seien als allgemeine Teile der mitgemieteten Garage nicht vom Nutzungsrecht der Kläger umfasst, ist unzutreffend.
Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00111.16F.1125.000