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OGH vom 20.01.2005, 8ObA141/04z

OGH vom 20.01.2005, 8ObA141/04z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Dr. Gerda Hörhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alois B*****, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen Kündigungsanfechtung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 61/04h-31, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Steht - wie hier von der Beklagten gar nicht mehr bestritten - fest, dass durch die Kündigung Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, aber andererseits auch in der Person des Arbeitnehmers gelegene Gründe, die die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, oder betriebliche Erfordernisse für die Kündigung vorliegen, so sind diese Umstände zueinander in eine Wechselbeziehung zu setzen und ist eine Abwägung dieser gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen (vgl so die ständige Judikatur RIS-Justiz RS0051818 mit zahlreichen weiteren Nachweisen etwa EvBl 1994/18). Grundsätzlich können als prersonenbezogene Kündigungsgründe auch Krankenstände herangezogen werden, insbesondere wenn es wegen der mangelnden Einsetzbarkeit der Arbeitskraft zu einem vertretungsweise nicht mehr bewältigbaren Leistungsausfall kommt, der den Betrieb beeinträchtigt (vgl RIS-Justiz RS0051801 mit zahlreichen Nachweisen zuletzt etwa OGH 8 ObA 25/02p). Die Beurteilung sowohl der Interessen des Arbeitnehmers aber auch der Betriebsbedingtheit der Kündigung muss die künftige Entwicklung der Verhältnisse nach der Kündigung unter Beendigung des Arbeitsverhältnisses insoweit miteinbeziehen, als sie mit der angefochtenen Kündigung in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (vgl RIS-Justiz RS0051785 mwN etwa ZAS 1989/21 [Hainz]).

Die Abwägung der Interessen kann naturgemäß nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles erfolgen (vgl OGH 9 ObA 26/04w mwN etwa 8 ObA 177/02s). Sie stellt, soweit sie unter Heranziehung der vom Obersten Gerichtshof in seiner Judikatur erarbeiteten Grundsätze erfolgt, wegen dieser Einzelfallbezogenheit regelmäßig auch keine erhebliche Rechtsfrage dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO Bedeutung zukommen würde (vgl OGH 9 ObA 26/04w, 8 ObA 127/03i).

Eine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof unter dem Aspekt der Rechtssicherheit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifen wäre, vermag die Beklagte aber ebenso wenig darzustellen, wie eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, die nicht bereits anhand der vom Obersten Gerichtshof herausgearbeiteten Grundsätze für die Beurteilung der Kündigungsgründe gelöst werden könnte. Wurde doch im Sinne der oben dargestellten Judikatur bereits herausgearbeitet, dass Krankenstände einen Kündigungsgrund bilden können. Soweit die Beklagte es als eine erhebliche Rechtsfrage ansieht, wenn die Krankenstände zu einem wesentlichen Teil auf eine geradezu exzessive Sportausübung und Freizeitgestaltung zurückzuführen sind, so entfernt sie sich damit von den konkret getroffenen Feststellungen (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 503 Rz 5). Im Übrigen hat der Kläger nach den Feststellungen - wenn auch nicht gänzlich - so offensichtlich weitgehend seine sportliche Betätigung reduziert und ist von den im Jahr 2002 liegenden Krankenständen nur der Krankenstand vom bis auf eine sportliche Betätigung (Tennisspielen) zurückzuführen.

Soweit die Beklagte einwendet, dass doch auch die Interessensbeeinträchtigung des Klägers nicht allzu hoch anzusetzen wäre, so ist darauf hinzuweisen, dass das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen dann erfüllt ist, wenn die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreicht, dass sie eine fühlbare ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zufolge hat, ohne dass eine soziale Notlage oder Existenzgefährdung eintreten müsste (vgl RIS-Justiz RS0051753 mwN zuletzt 8 ObA 53/04h, RIS-Justiz RS0051727). Auch hier kann eine Beurteilung nur nach den Umständen des Einzelfalles erfolgen und liegt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor (vgl 8 ObA 127/03i). In der Einschätzung des Berufungsgerichtes, das beim Kläger bei einer Nettoeinkommensreduktion von ca EUR 1.800,-- auf ca EUR 1.470,--, einer Unterhaltspflicht für einen 13-jährigen Sohn und den entsprechenden monatlichen Fixkosten für die Wohnung udgl eine Interessenbeeinträchtigung bejahte, kann keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung gesehen werden.

Im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht angenommenen Verletzung der sozialen Gestaltungspflicht bei den von der Beklagten vorgenommenen Rationalisierungsmaßnahmen (vgl allgemein RIS-Justiz RS0052008 mwN, RIS-Justiz RS0051942 mwN, RIS-Justiz RS0051827 mwN) verweist die Beklagte im Wesentlichen nur darauf, dass der Arbeitsplatz des Klägers durch die Zusammenlegung weggefallen sei, der Mitarbeiterstand reduziert wurde und keine Arbeitnehmer neu aufgenommen wurden. Sie setzt sich aber nicht damit auseinander, dass nach den Feststellungen eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Brauereibereich unter anderem als Schlosser zumutbar gewesen wäre und im Übrigen auch zahlreiche Überstunden geleistet und Leiharbeiter eingesetzt wurden. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits mehrmals ausgesprochen, dass der Arbeitgeber alle Umstände zu behaupten und zu beweisen hat, die für die Annahme des Ausnahmetatbestandes der „betrieblichen Erfordernisse" wesentlich sind (vgl RIS-Justiz RS00110154; OGH 9 ObA 142/97s; OGH 9 ObA 233/98z), was jedenfalls für Fälle, in denen auf Grund festgestellter Umstände Gestaltungsmöglichkeiten, die eine Kündigung vermeiden hätten können, nahe liegen, auch hinsichtlich der Umstände zu gelten hat, die gegen diese Gestaltungsmöglichkeiten sprechen.

Insgesamt vermag es die Beklagte jedenfalls auch in diesem Zusammenhang nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.