OGH vom 05.10.2010, 10Ob68/10p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen B*****, geboren am , *****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land Niederösterreich (Magistrat der Stadt St. Pölten Jugendhilfe, 3100 St. Pölten, Heßstraße 6), über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 256/10k-26, womit infolge Rekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 2 PU 372/09f 10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Minderjährige lebt als Tochter von B***** und C***** in Obsorge ihrer Mutter in St. Pölten. Der Vater wurde mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , 23 R 287/09t (ON 8), zu einem vorläufigen monatlichen Unterhalt gemäß § 382a EO von 105,40 EUR ab verpflichtet. Dieser Beschluss wurde dem Vater am durch Hinterlegung zugestellt und ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.
Bereits mit Eingabe vom beantragte die Minderjährige, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, auf der Grundlage des „Rekursbeschlusses“ vom die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in Titelhöhe nach §§ 3, 4 Z 1 UVG.
Das Erstgericht gewährte dem Kind mit Beschluss vom (ON 10) Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für den Zeitraum vom bis . Zur Begründung führte es aus, dass der Unterhaltsschuldner nach der am eingetretenen Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbetrag nicht zur Gänze geleistet habe und die Führung einer Exekution aussichtslos erscheine, weil der Unterhaltsschuldner kein pfändbares Vermögen oder Einkommen besitze bzw beziehe.
Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss vom Bund erhobenen Rekurs Folge, indem es einen Unterhaltsvorschuss von 90 EUR erst ab gewährte und das Vorschussbegehren in Höhe von 105,40 EUR für den Monat März 2010 abwies. Es begründete seine Entscheidung damit, dass es eine Voraussetzung der Vorschussgewährung gemäß § 3 Z 2 UVG idF FamRÄG 2009 sei, dass der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leiste. Diese Voraussetzung sei hier für den Monat März 2010 nicht erfüllt, weil die der Vorschussgewährung zugrunde liegende Rekursentscheidung am zugestellt worden und daher ab diesem Zeitpunkt vollstreckbar sei. Damit sei der Unterhaltsschuldner für den Monat März 2010 noch nicht mit der Leistung des „laufenden“ Unterhalts säumig gewesen, sondern erst mit Nichtleistung des auf den Eintritt der Vollstreckbarkeit folgenden Monatsersten (am ) fällig werdenden Unterhaltsbetrags. Zur geringeren Höhe der erst ab April 2010 gewährten Vorschüsse (nunmehr 90 EUR statt 105,40 EUR) verwies das Rekursgericht auf die gegenüber dem vorläufigen Unterhalt reduzierte rechtskräftige Unterhaltsfestsetzung mit 90 EUR ab laut Beschluss vom (womit das Erstgericht den monatlichen Unterhalt ab dem mit 90 EUR festgesetzt und ausgesprochen hatte, dass die einstweilige Verfügung vom , GZ 23 R 287/09t-8, über den ab zu zahlenden vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO außer Kraft trete [ON 24]).
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil § 3 Z 2 UVG durch das FamRÄG 2009 neu gefasst worden sei und zur Auslegung dieser Bestimmung in der neuen Fassung noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des Beschlusses erster Instanz.
Es wurden keine Revisionsrekursbeantwortungen erstattet.
Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die mittlerweile vorliegende, einheitliche Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats für Rechtssachen nach dem UVG (RIS-Justiz RS0126137 und RS0126138 = 10 Ob 38/10a; 10 Ob 39/10y, 10 Ob 40/10a, 10 Ob 43/10x, 10 Ob 52/10k, 10 Ob 53/10g und 10 Ob 62/10f) nicht zulässig (RIS Justiz RS0112921).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs macht im Wesentlichen geltend, der Minderjährigen gebühre auch für den Monat März 2010 Unterhaltsvorschuss, weil der Gesetzgeber durch die Formulierung des § 4 UVG, wonach Vorschüsse „auch“ zu gewähren seien, deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass dem Antragsteller offenbar eine Wahlmöglichkeit eingeräumt werde, nach welcher Gesetzesstelle er Unterhaltsvorschüsse beantragen wolle. Außerdem lägen auch die Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung gemäß § 3 Z 2 UVG für den Monat März 2010 vor, weil der erste laufende (vorläufige) Unterhalt bereits für diesen Monat, nämlich am , fällig gewesen sei.
Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil den Rechtsmittelausführungen folgende Überlegungen, die der zuständige Fachsenat in der bereits veröffentlichten Entscheidung vom , 10 Ob 53/10g festgehalten hat, entgegenstehen:
Das UVG wurde durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, novelliert. Die geänderte Fassung ist im Wesentlichen am in Kraft getreten (§ 37 UVG).
Unterhaltsvorschüsse sind zu gewähren, wenn
1. für einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (§ 3 Z 1 UVG) und
2. der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet sowie das Kind glaubhaft macht, einen Exekutionsantrag nach § 294a EO oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderung oder keine andere in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderung hat, einen Exekutionsantrag auf bewegliche körperliche Sachen unter Berücksichtigung von § 372 EO eingebracht zu haben (§ 3 Z 2 erster Halbsatz UVG idF FamRÄG 2009).
Nach dem unverändert gebliebenen § 4 Z 1 UVG sind Vorschüsse auch zu gewähren, wenn zwar die Voraussetzungen des § 3 Z 1 UVG gegeben sind, aber die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos erscheint, besonders weil im Inland ein Drittschuldner oder ein Vermögen, dessen Verwertung einen die laufenden Unterhaltsbeiträge deckenden Ertrag erwarten lässt, nicht bekannt ist.
Der erkennbare Zweck der Novellierung des § 3 Z 2 UVG lag darin, den Auszahlungszeitpunkt für die Vorschüsse vorzuverlagern (IA 673/A 24. GP 1 und 39). Nach der früheren Rechtslage setzte ein Vorschussanspruch nach § 3 Z 2 UVG eine erfolglose Exekutionsführung in Form der Nichtdeckung des im sechsmonatigen Beobachtungszeitraum (entsprechend den privatrechtlichen Grundsätzen) fällig gewordenen Unterhalts voraus. Eine Vorschussgewährung war möglich, sobald innerhalb des sechsmonatigen Zeitraums ein fällig gewordener Unterhaltsbeitrag nicht durch freiwillige oder exekutive Zahlung voll gedeckt war; der gesamte sechsmonatige Zeitraum musste also nicht abgewartet werden ( Neumayr in Schwimann , ABGB 3 § 3 UVG Rz 33). Das Erfordernis einer in diesem Sinn wegen Fehlens der Sechs Monats Deckung erfolglosen Exekution wurde mit dem Inkrafttreten des FamRÄG 2009 beseitigt. Geblieben ist die Voraussetzung, dass der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet.
§ 4 Z 1 UVG regelt den Titelvorschuss bei Aussichtslosigkeit der Exekution. Es handelt sich um einen Sonderfall zu dem in § 3 UVG geregelten Grundfall (2 Ob 5/07k = SZ 2007/111 mwN). Der Unterschied liegt nur darin, dass im Fall des § 4 Z 1 UVG die Einleitung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG entbehrlich ist, weil bereits aufgrund der objektiven Lage zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz eine Exekutionsführung für jedermann aussichtslos erscheinen muss (vgl 2 Ob 5/07k = SZ 2007/111). Auch bei einer Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 1 UVG ist neben dem Vorliegen eines vollstreckbaren Unterhaltstitels Voraussetzung, dass der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet ( Neumayr in Schwimann 3 § 4 UVG Rz 1). Dies folgt daraus, dass § 4 Z 1 UVG sich auf die Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung nach § 3 Z 2 UVG bezieht, nach dieser Gesetzesstelle aber nur die Exekutionsführung auf nach Eintritt der Vollstreckbarkeit fällig gewordene laufende Unterhaltsbeiträge von Relevanz ist (vgl Neuhauser , Änderungen bei Unterhaltsvorschuss, iFamZ 2009, 275, 276).
Die Vorschussgewährung nach den §§ 3 Z 2, 4 Z 1 UVG setzt somit voraus, dass der Unterhaltsschuldner „nach Eintritt der Vollstreckbarkeit“ den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet. Diese Wortfolge ist so zu verstehen, dass der dem Eintritt der Vollstreckbarkeit folgende Fälligkeitstermin erfolglos verstreichen muss, damit ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nach den §§ 3 Z 2, 4 Z 1 UVG entsteht. Wird vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil an diesen dem Eintritt der Vollstreckbarkeit folgenden Monatsersten der fällige Unterhaltsbeitrag nicht geleistet, steht der Unterhaltsvorschuss monatsbezogen ab diesem Monatsersten zu. Da die Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels im vorliegenden Fall erst am eingetreten ist (vgl RIS-Justiz RS0113995; RS0123159 = 10 Ob 4/08y), konnte nach zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichts ein Verzug mit der Zahlung des nach Eintritt der Vollstreckbarkeit fälligen laufenden Unterhalts frühestens im April 2010 eintreten, weshalb auch ein Vorschussanspruch der Minderjährigen erst ab besteht (zu allem 10 Ob 53/10g).
Die Beurteilung des Rekursgerichts entspricht den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.