OGH vom 27.05.2020, 8Ob11/20f

OGH vom 27.05.2020, 8Ob11/20f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler & Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Bajc Zach Teubl Terler Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen 150.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 141/19h-18, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom , GZ 8 Cg 58/18t-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

T*****, der damalige Ehegatte der Klägerin, nahm im Oktober 2005 zur Finanzierung eines Liegenschaftskaufs bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (kurz Beklagte) einen Abstattungskredit über 110.000 EUR auf. Zu dessen Besicherung schloss er (ua) bei der R***** Versicherung AG (kurz Versicherung) über Vermittlung der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme im Falle seines Ablebens von 150.000 EUR und einer Laufzeit bis längstens ab. Als Bezugsberechtigte gab er die Klägerin an.

Die Ehe zwischen T***** und der Klägerin wurde im April 2012 einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsfolgenvergleich verpflichtete sich T*****, die Ablebensversicherung bei der Versicherung nicht aufzukündigen, seine geschiedene Ehefrau als Bezugsberechtigte hinsichtlich der allfälligen Versicherungsleistung zu belassen und somit keine Änderung in der Person des Bezugsberechtigten aus diesem Versicherungsverhältnis vorzunehmen. Die Klägerin übernahm die Versicherungsprämie in ihr alleiniges Zahlungsversprechen.

Über Antrag T*****s stellte das Bezirksgericht Leoben gemäß § 98 EheG fest, dass betreffend den Abstattungskredit die Klägerin als Hauptschuldnerin, er hingegen nur als Ausfallsbürge haftet.

Am fanden sich die Klägerin und T***** anlässlich eines Besprechungstermins bei R***** – einer Mitarbeiterin der Beklagten, die die Ehegatten schon anlässlich der Kreditaufnahme und des Abschluss des Lebensversicherungsvertrags 2005 betreut hatte – in den Räumlichkeiten der beklagten Bank ein, um die Folgen der Ehescheidung im Hinblick auf den Abstattungskredit zu klären. Bei diesem Termin händigte die Klägerin sowohl den Beschluss nach § 98 EheG als auch die Scheidungsfolgenvereinbarung R***** aus. Da diese den Scheidungsfolgenvergleich als nicht relevant erachtete, nahm sie lediglich eine Kopie des Beschlusses nach § 98 EheG zum Akt und gab der Klägerin in der Folge die Urkunden wieder zurück.

Im Jahr 2015 zahlte die Klägerin den Abstattungskredit zurück. Die Versicherung hob am die zu Gunsten der Beklagten erfolgte Vinkulierung der Lebensversicherung über deren Ersuchen auf.

Im Oktober 2015 beantragte T***** nach einem Gespräch mit R***** in den Räumlichkeiten der Beklagten den Rückkauf der Lebensversicherung und lukrierte aus dieser 2.387,76 EUR. Im Februar 2018 starb T*****, der seit 2007 an Mundhöhlenkrebs erkrankt gewesen war. R***** hatte von der Erkrankung schon am gewusst.

Die begehrte von der Beklagten 150.000 EUR sA aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes. Die Bankberaterin, die in diesem Fall zudem als Versicherungsvertreterin bzw -beraterin agiert habe, hätte den Inhalt des Scheidungsfolgenvergleichs, über den sie, falls sie ihn nicht gekannt hätte, Erkundigungen hätte einholen müssen, an die Versicherung übermitteln müssen, die dann keine Auszahlung hätte vornehmen dürfen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.

Das ging davon aus, dass die Beklagte hinsichtlich der Lebensversicherung als Versicherungsagentin im Sinne des § 43 VersVG (aF) oder zumindest als Pseudomaklerin im Sinne des § 43a VersVG (aF) agiert habe. Die Mitarbeiterin der Beklagten, R*****, wäre daher zwar verpflichtet gewesen, sich mit den im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten Änderungen hinsichtlich der Lebensversicherung auseinanderzusetzen und die Versicherung davon zu verständigen, um das Recht auf die Forderung aus der Lebensversicherung für die bezugsberechtigte Klägerin sofort entstehen zu lassen (7 Ob 105/06a). Nach ständiger Rechtsprechung sei der Versicherungsagent allerdings bloß Erfüllungsgehilfe des Versicherers; dies gelte auch im Zusammenhang mit vertraglichen Obsorge-, insbesondere Aufklärungspflichten. Für die Versäumnisse des Erfüllungsgehilfen hafte grundsätzlich nicht er dem Kunden, sondern der Versicherer.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht für zulässig erklärt, weil – soweit überschaubar – eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation und insbesondere zur Frage der Reichweite von Schutz- und Sorgfaltspflichten der kreditierenden Bank fehle.

Die von der Beklagten beantwortete ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO . Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Haftung des Erfüllungsgehilfen gegenüber dem Gläubiger des Geschäftsherrn wegen Verletzung der Pflichten aus dem Schuldverhältnis kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Der Erfüllungsgehilfe haftet nur dann, wenn er deliktisch handelt (RIS-Justiz RS0022481).

2.1 Das Berufungsgericht hat die Beklagte hier in Ansehung allfälliger Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag als Erfüllungsgehilfin der Versicherung qualifiziert. Das steht mit der Rechtsprechung im Einklang, dass der bloße Vermittlungsagent Erfüllungsgehilfe des Versicherers ist (RS0080420), aber auch mit der vom Berufungsgericht aus der Beilage ./C ergänzend getroffenen Feststellung, dass die Versicherung dem Versicherungsnehmer anlässlich der Übermittlung der Versicherungspolizze mitgeteilt hatte, dass jede Bankstelle bzw Landesgeschäftsstelle der Versicherung, insbesondere jedoch die Beklagte, für Auskünfte und Beratung zur Verfügung stehe.

2.2 Diese Beurteilung zieht die Klägerin nur insofern in Zweifel, als sie von einer solidarischen Haftung der Bank und der Versicherung ausgeht, weil aufgrund der Doppeltätigkeit der Beklagten als Kreditgeberin und Vermittlerin der Versicherung deren Verantwortungsbereich nicht abgrenzbar sei. Damit bringt die Klägerin aber weder zur Darstellung, dass die beklagte Bank eigene vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten (auch) im Rahmen der Nachbetreuung des Versicherungsverhältnisses gegenüber der Begünstigten aus dem Lebensversicherungsvertrag getroffen hätten, noch dass diese Nachbetreuung – entgegen der Meinung des Berufungsgerichts – nicht ausschließlich dem Schuldverhältnis zur Versicherung (sondern auch dem Schuldverhältnis zur Bank) zuzuordnen wäre. Dass ein Vertragsgehilfe in vertraglichen Beziehungen zu beiden Vertragsteilen steht, schließt die Zurechnung seines Verhaltens an einen Vertragsteil nicht aus (vgl 6 Ob 109/09m; 4 Ob 44/11s).

3. Die Behauptung der Klägerin, die Mitarbeiterin der Beklagten hätte sich im Bewusstsein der wahren Sachlage an einem Vertragsbruch (des T*****) zum Nachteil der Klägerin beteiligt, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach die Mitarbeiterin den Scheidungsfolgenvergleich „als nicht relevant“ erachtete. Selbst ausgehend von der vom Berufungsgericht zugunsten der Klägerin angenommenen Sachverhaltsvariante steht nicht fest, dass die Mitarbeiterin der Beklagten Jahre später noch Kenntnis von dessen Inhalt gehabt hat.

4. Auf die Frage, ob in der von der Beklagten unterlassenen Weiterleitung des Scheidungsfolgenvergleichs in der konkreten Situation überhaupt eine (der Versicherung zuzurechnende) Sorgfaltswidrigkeit zu erblicken ist, die sie gegenüber der Begünstigten haftbar machen würde, braucht nicht weiter eingegangen zu werden.

5. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, die die Revision zulässig machen würde, aufzuzeigen. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den § 50 Abs 1, 40 Abs 1 ZPO. Der Beklagten gebührt unabhängig vom Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache kein Kostenersatz für die Revisionsbeantwortung, weil sie darin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat (RS0035962; RS0035979).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00011.20F.0527.000

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