OGH vom 28.05.2002, 10ObS156/02t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Elmar Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Albert Ullmer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Simone G*****, Gendarmeriebeamtin, *****, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung eines Dienstunfalls, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 427/01i-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cgs 40/01t-15, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Gendarmeriebeamtin und nahm am an einem für weibliche Gendarmeriebeamte verpflichtend vorgeschriebenen Notwehrseminar im Gymnastikraum der Sportanlage Hollabrunn teil. Nach dem Aufwärmen verspürte sie einen stechenden Schmerz im linken Ellenbogen und suchte deshalb die Ambulanz des Krankenhauses Hollabrunn auf. Im Krankenhaus wurde festgestellt, dass ein Druckschmerz im Bereich des Ellennervs bestand, dass Schmerzen in die linke Hand ausstrahlten, über den Ellenbogen weder ein Bluterguss noch eine Schwellung vorhanden war und dass die Durchblutung, das Gefühl und die Motorik der Hand unauffällig waren. Als Diagnose wurde ein Verdacht auf eine Kompression des Nervus ulnaris im linken Ellenbogengelenk angegeben, eine Salbe, eine elastischer Verband und Schonung verordnet. Zwei Tage später war die Klägerin wiederum völlig beschwerdefrei; sie nahm keinen Krankenstand in Anspruch, weil sie die beiden genannten Tage ohnedies frei hatte.
Die Klägerin erlitt bei dem Ereignis vom eine kurzfristige Traumatisierung des Ellennervs. Der Nerv läuft im Bereich des Ellenbogens in einem relativ engen knöchernen Kanal, wobei durch eine plötzliche Überdehnung oder Kompression des Nerves eine leichte Irritation desselben entstand, die naturgemäß mit einem heftigen Schmerz verbunden war, der in das Versorgungsgebiet dieses Nerves ausstrahlte. Diese Irritation kann sehr kurzdauernd sein und nur Sekunden bis Minuten anhalten, kann aber auch einige Stunden oder Tage anhalten. Derzeit finden sich bei der Untersuchung des linken Ellenbogens keine Auffälligkeiten, der Ellenbogen ist frei beweglich, es bestehen keine Schmerzen und keine Änderungen des Gefühls. Eine neurologische oder psychiatrische Krankheit liegt nicht vor. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist nicht gemindert. Weder vor dem Ereignis vom noch später traten jemals ähnliche Schmerzzustände auf. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich um eine einmalige Schmerzattacke durch die völlig lockere Muskulatur gehandelt hat.
Die beklagte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter sprach mit Bescheid vom aus, dass der Vorfall vom gemäß § 90 B-KUVG nicht als Dienstunfall anerkannt werde und dass Leistungen gemäß §§ 88 ff B-KUVG nicht gewährt würden. Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren, es werde festgestellt, dass es sich bei dem Unfall vom um einen Dienstunfall handle, ab. Der Vorfall vom stelle keinen Dienstunfall im Sinn des § 90 B-KUVG dar, da weder eine Einwirkung von außen noch eine außergewöhnliche Belastung vorgelegen sei. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es das amtswegig umformulierte Klagebegehren, es werde gegenüber der beklagten Partei festgestellt, dass die Gesundheitsstörung, welche die Klägerin am in der Sportanlage Hollabrunn erlitten habe, nämlich eine kurzfristige Traumatisierung des Ellennervs, Folge eines Dienstunfalles sei, abwies. Der Argumentation der Klägerin, das Ausschütteln der Arme im Rahmen des Aufwärmens habe eine außergewöhnliche Belastung dargestellt und der Vorfall vom sei daher als Dienstunfall zu qualifizieren, könne nicht gefolgt werden. Trete eine Körperschädigung während einer die Unfallversicherung begründenden Beschäftigung ein, sei dann nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen, wenn es zumindest gleich wahrscheinlich sei, dass diese durch eine der Beschäftigung gleichzuhaltende Betätigung eingetreten wäre. Das Ausschütteln der Arme im Zuge des Aufwärmens sei eine alltägliche Handlungsweise und könne nicht als außergewöhnliche Belastung, die zu einer Körperschädigung geführt habe, qualifiziert werden. Auch der unfallchirurgische Sachverständige habe einen Unfallmechanismus ausdrücklich verneint. Da jedoch das Klagebegehren richtigerweise auf Feststellung, dass eine bestimmte Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit sei, zu lauten haben, sei das Ersturteil mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Die Revisionswerberin bestreitet nicht, dass bei ihr nach dem Vorfall vom keine Minderung der Erwerbsfähigkeit in einem den Zuspruch einer Versehrtenrente rechtfertigenden Ausmaß (vgl § 101 B-KUVG) eingetreten ist und Prozessgegenstand daher nur noch die Berechtigung des vom Berufungsgericht amtswegig umformulierten Klagebegehrens ist, es werde festgestellt, dass die Gesundheitsstörung, die die Klägerin am in der Sportanlage Hollabrunn erlitten habe, nämlich eine kurzfristige Traumatisierung des Ellennervs, Folge eine Dienstunfalles sei.
Rechtliche Beurteilung
§ 65 Abs 2 Satz 2 ASGG erklärt Klagen auf Feststellung, das eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeits-(Dienst)unfalls oder einer Berufskrankheit ist, ausdrücklich für zulässig. Dies ist vor allem für jene Fälle von Bedeutung, in denen eine Gesundheitsschädigung zwar vorliegt, diese aber den Schwellenwert einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH (vorerst) nicht erreicht. Bei dieser Klage handelt es sich um eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO. Aus der Bestimmung des § 65 Abs 2 Satz 2 ASGG ergibt sich allerdings im Vergleich zu den allgemeinen Feststellungsklagen nach § 228 ZPO die Besonderheit, dass für die von ihr erfassten Feststellungen ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung im Sinn des § 228 ZPO jedenfalls (also ohne weiteren Nachweis) zu bejahen ist, obwohl im Zeitpunkt der Feststellung dieser Tatsache nicht gesagt werden kann, ob aus ihr jemals ein Recht bzw ein Rechtsverhältnis (des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger) wird abgeleitet werden können (Kuderna, ASGG2 Anm 14 zu § 65; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 375 mwN; Feitzinger/Tades, ASGG2 Anm 11 und 13 zu § 65 ua). Im Zusammenhang mit § 65 Abs 2 Satz 2 ASGG steht auch § 82 Abs 5 ASGG. Nach dieser Vorschrift schließt ein auf einen Arbeits-(Dienst)unfall oder eine Berufskrankheit gestütztes Leistungsbegehren ein Eventualbegehren auf Feststellung ein, dass die geltendgemachte Gesundheitsstörung Folge eines Arbeits-(Dienst)unfalls oder einer Berufskrankheit ist, sofern darüber nicht schon abgesprochen worden ist. Damit soll aus Gründen der Prozessökonomie sichergestellt werden, dass der aufgrund eines Leistungsbegehrens vorgenommene Verfahrensaufwand zumindest in der bezeichneten Feststellung Niederschlag findet (Fink aaO 376 f). Die (durch Bescheid oder Gerichtsurteil) ausgesprochene Feststellung darüber, ob eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist, erwächst in Rechtskraft (SSV-NF 6/122 ua). Damit ist dieser Kausalzusammenhang im Hinblick auf ein späteres Verfahren (auf Zuerkennung von Leistungen aus der Unfallversicherung) bindend festgestellt (Fink aaO 378 mwN ua).
Voraussetzung für eine Feststellung im Sinn des § 65 Abs 2 Satz 2 bzw § 82 Abs 5 ASGG ist allerdings das Vorliegen einer Gesundheitsstörung. Liegt eine solche hingegen gar nicht vor, so ist ein auf die Feststellung eines Arbeits-(Dienst)unfalls gerichtetes Klagebegehren unzulässig (Fink, ASGG 186). Dies deshalb, weil § 65 Abs 2 Satz 2 bzw § 82 Abs 5 ASGG derartige Feststellungsbegehren (losgelöst vom rechtlichen Konnex zu einer vorliegenden Gesundheitsschädigung) nicht erfasst und auch eine sonstige Sonderbestimmung nicht Platz greift, sodass die Frage der Zulässigkeit derartiger Begehren nach § 228 ZPO zu beurteilen und damit zu verneinen ist, weil die bloße rechtliche Qualifikation von Tatsachen nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann (Fink, aaO 376 mwN; Rechberger in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 228 ZPO mwN). Auch der erkennende Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen, die Stattgebung eines Feststellungsbegehrens nach § 65 Abs 2 Satz 2 bzw § 82 Abs 5 ASGG setze voraus, dass als Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit eine bestimmte Gesundheitsstörung (zumindest bei Schluss der Verhandlung erster Instanz) besteht (SSV-NF 8/14 ua; jüngst 10 ObS 221/01z). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil eine konkrete - bei der Klägerin zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung (noch) bestehende - unfallskausale Gesundheitsstörung nicht vorliegt. Da somit schon aus diesem Grunde das Begehren der Klägerin nicht berechtigt ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die in den Rechtsmittelschriften relevierte Frage, ob es sich bei dem Vorfall vom um einen Dienstunfall im Sinn des § 90 B-KUVG gehandelt hat.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.