OGH vom 23.01.1992, 12Os35/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Friedrich, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Margarethe G***** wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 6 d Vr 2202/87-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Raunig, der Angeklagten und ihres Verteidigers DDr. Dorazil zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und aus deren sowie aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil zur Gänze aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Margarethe G***** wird von der gegen sie wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG erhobenen Anklage, sie habe in Wien, Neulengbach und St. Pölten fortgesetzt in mehrfachen Tathandlungen unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine in zu niedriger Festsetzung gelegene Verkürzung der folgenden, bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben
I. bewirkt, indem sie unrichtige, Erlös und Gewinn zu gering ausweisende, zur Erlassung darauf beruhender Bescheide führende Steuererklärungen (samt dazugehörigen Ertragsrechnungen) abgab, und zwar
1. am bzw. am für das Jahr 1968 an Umsatzsteuer um 24.469 S
Einkommensteuer um 182.270 S
Gewerbesteuer um 64.541 S 2. am bzw. am für das Jahr 1969 an
Umsatzsteuer um 14.020 S
Einkommensteuer um 39.496 S
Gewerbesteuer um 26.089 S 3. am bzw. am für das Jahr 1970 an
Umsatzsteuer um 13.200 S
Einkommensteuer um 64.004 S
Gewerbesteuer um 36.119 S 4. am für das Jahr 1971 an
Umsatzsteuer um 13.200 S
Einkommensteuer um 129.900 S
Gewerbesteuer um 39.808 S 5. am für das Jahr 1972 an
Umsatzsteuer 35.200 S
Einkommensteuer um 349.533 S
Gewerbesteuer um 106.818 S 6. am für das Jahr 1973 an
Umsatzsteuer um 32.000 S 7. am für das Jahr 1974 an
Umsatzsteuer um 32.000 S
Einkommensteuer um 93.274 S
Gewerbesteuer um 42.200 S 8. am für das Jahr 1975 an
Umsatzsteuer um 32.000 S
Einkommensteuer um 75.536 S
Gewerbesteuer um 39.703 S 9. am für das Jahr 1976 an
Umsatzsteuer um 36.000 S
Einkommensteuer um 105.020 S
Gewerbesteuer um 39.369 S 10. am für das Jahr 1977 an
Umsatzsteuer um 36.000 S
Einkommensteuer um 18.724 S
Gewerbesteuer um 16.900 S 11. am für das Jahr 1979 an
Umsatzsteuer um 36.000 S
Einkommensteuer um 23.374 S
Gewerbesteuer um 13.894 S 12. am für das Jahr 1980 an
Umsatzsteuer um 36.000 S
Einkommensteuer um 55.580 S
Gewerbesteuer um 29.442 S 13. am für das Jahr 1981 an
Umsatzsteuer um 36.000 S
Einkommensteuer um 73.416 S
Gewerbesteuer um 36.765 S
II. zu bewirken versucht (§ 13 FinStrG), indem sie zunächst die Abgabe einer Steuererklärung unterließ, aber mit der Berufung gegen die nach Schätzung erlassenen Bescheide unrichtige, jeweils Erlös und Gewinn zu gering ausweisende Steuererklärungen einbrachte, die aber infolge einer zwischenzeitigen, die tatsächlichen Ergebnisse aufdeckenden Betriebsprüfung nicht mehr zur Grundlage der Entscheidung gemacht wurden, nämlich vom bis für das Jahr 1978 an Umsatzsteuer um 36.000 S
Einkommensteuer um 23.419 S
Gewerbesteuer um 17.221 S
freigesprochen, und zwar in den Punkten I.1-7 gemäß § 259 Z 3 StPO und in den übrigen Punkten (I.8-13 und II.) gemäß § 214 FinStrG.
Die Angeklagte wird mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Die am geborene (seinerzeitige) Antiquitätenhändlerin Margarethe G***** wurde im Sinne der zu I.1-12 und II. (siehe oben) erhobenen Anklagevorwürfe des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG schuldig erkannt und lediglich in einem Punkt (I.13) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Dieses Urteil wird im schuldigsprechenden Teil von der Angeklagten und im Freispruch von der Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Da sich der Oberste Gerichtshof aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerden davon überzeugt hat, daß das Urteil im schuldigsprechenden Teil mit den von Amts wegen wahrzunehmenden materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründen nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a (Fakten I.8-12, II.) und 9 lit. b (I.1-7) StPO behaftet ist, erübrigt es sich, auf die Beschwerde der Angeklagten einzugehen; auf das - begründete - Rechtsmittel der Anklagebehörde wird später zurückgekommen werden.
Ansatzpunkt für die Maßnahme nach § 290 Abs. 1 StPO ist die Vorschrift des § 31 Abs. 5 FinStrG (die gemäß Art. II § 2 Abs. 1 zweiter Satz der Finanzstrafgesetznovelle 1985, BGBl. Nr. 571/1985, als begünstigende Norm auch auf vor dem begangene Taten anzuwenden ist), wonach die Strafbarkeit bei Finanzvergehen, für deren Verfolgung das Gericht zuständig ist, jedenfalls erlischt, wenn seit Beginn der Verjährungsfrist fünfzehn Jahre verstrichen sind.
Im Kontext mit den unmittelbar vorausgehenden, die Verlängerung und Hemmung der im § 31 Abs. 2 FinStrG normierten Verjährungsfristen betreffenden Bestimmungen (§ 31 Abs. 3 und 4 FinStrG) gelesen und im Licht der gesetzgeberischen, für eine absolute Verjährung von Finanzdelikten sprechenden Erwägungen - beträchtliche Erschwerung der Wahrheitsfindung infolge großer Zeitdistanz; Unbilligkeit, die mit einem Strafverfahren verbundenen wirtschaftlichen Nachteile nach so langer Zeit noch eintreten zu lassen - interpretiert (siehe 295 BlgNR VIII. GP, 67 in Verbindung mit 1548 BlgNR XIII. GP, 3 und 668 BlgNR XVI. GP, 13), gestattet das Wort "jedenfalls" keinerlei Ausnahmen, also auch nicht in der vorliegenden aktuellen Modalität eines Fortsetzungszusammenhanges zwischen den jenseits und innerhalb der Fünfzehn-Jahres-Grenze begangenen Taten.
Ausgehend vom Zeitpunkt der Fällung des Urteiles erster Instanz am folgt aus dem Gesagten, daß die Strafbarkeit all jener der Angeklagten zur Last gelegten Abgabenhinterziehungen durch absolute Verjährung erloschen war, in denen die Rechtskraft des betreffenden Abgabenbescheides, das heißt also der Erfolg (§§ 31 Abs. 1, 33 Abs. 3 lit. a FinStrG), vor dem eingetreten ist.
In Ansehung dieser Fakten (I.1-7; Summe der Verkürzungsbeträge 1,338.141 S; Eintritt der Rechtskraft des Bescheides für das Jahr 1974 - I.7 - am ) war mithin in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO mit einem Freispruch nach § 259 Z 3 StPO vorzugehen.
Da der strafbestimmende Verkürzungsbetrag bei den übrigen Anklagefakten (I.8-13 und II.) eine Million Schilling nicht übersteigt (exakt: 816.363 S), mangelt es insoweit an der gerichtlichen Zuständigkeit (§ 53 Abs. 1 lit. b FinStrG). Das Urteil ist demnach in diesem Umfang mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO behaftet, weshalb in dessen amtswegiger Wahrnehmung mit einem Freispruch nach § 214 FinStrG vorzugehen war. Angesichts dessen, daß nach dem zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle ein Freispruch wegen Unzuständigkeit (des Gerichtes) zu fällen ist, wenngleich ein Schuldspruch auch aus anderen Gründen nicht gefällt werden kann, war auf die Frage, ob und inwieweit (auch) die Strafbarkeit des in die finanzstrafbehördliche Zuständigkeit fallenden Vergehens infolge (in jenem Bereich schon nach zehnjähriger Frist eintretender) absoluter Verjährung (§ 31 Abs. 5 zweiter Fall FinStrG) erloschen ist, nicht weiter einzugehen.
Die Angeklagte war mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung zu verweisen.
Abschließend ist die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu behandeln, die sich gegen den gemäß § 259 Z 3 StPO gefällten Freispruch vom Vorwurf der Verkürzung an Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1981 (Anklagefaktum I.13) richtet. Das Schöffengericht hat insoweit die Ansicht vertreten, die Erstattung der Abgabenerklärungen für das genannte Jahr hätte infolge der damals bereits anhängigen, mit amtswegiger Wahrheitserforschung verbundenen Betriebsprüfung eine zu niedrige Abgabenfestsetzung unter allen Umständen ausgeschlossen. Dem kann - wie die Anklagebehörde unter der Z 5, der Sache nach aber unter der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO zutreffend aufzeigt - nicht beigetreten werden, weil nach der Legaldefinition des § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG eine nach § 33 Abs. 1 FinStrG tatbestandsmäßige Abgabenverkürzung bereits bewirkt ist, wenn die bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben zu niedrig bemessen wurden, was - worüber das Erstgericht keine Feststellungen traf - auf der Basis der am beim Finanzamt eingelangten (unrichtigen) Abgabenerklärungen mit den (rechtskräftigen) Bescheiden vom der Fall war. Damit war aber das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG - ungeachtet einer späteren Wiederaufnahme des Steuerbemessungsverfahrens und einer Neufestsetzung der fraglichen Steuern auf Grund der Betriebsprüfung - vollendet (siehe dazu Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Anm. 10 zu § 33 FinStrG).
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft erweist sich mithin als berechtigt, weshalb der gemäß § 259 Z 3 StPO gefällte Freispruch aufzuheben, nach dem oben Gesagten aber nicht mit einem Schuldspruch, sondern infolge finanzbehördlicher Zuständigkeit (auch) für dieses Faktum mit einem Freispruch nach § 214 FinStrG vorzugehen war.
Da - wie oben dargetan - der Eintritt der absoluten Verjährung nach § 31 Abs. 5 FinStrG (unbeschadet der allfälligen Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs zwischen mehreren Abgabenhinterziehungen) allein und ausschließlich vom Ablauf der Verjährungsfrist abhängt, konnte vorliegend eine dogmatische Erörterung der von der Generalprokuratur nachdrücklich in Frage gestellten Rechtsfigur des "fortgesetzten Delikts" unterbleiben.
Bei der gegebenen Fallgestaltung, die dadurch charakterisiert ist, daß die fünfzehnjährige Verjährungsfrist gerade auch noch in bezug auf den letzten ursprünglich vom Finanzamt St. Pölten rechtskräftig (für das Jahr 1975) erlassenen Bescheid verstrichen ist, entbehrt ferner die von der Generalprokuratur aufgeworfene und behandelte Frage der Aktualität, ob - wovon das Erstgericht ersichtlich ausging - sämtliche der Angeklagten zur Last gelegten Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde (§ 53 Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz FinStrG) fielen, oder ob - wie die Generalprokuratur in ihrer schriftlichen Stellungnahme (dort S 10 ff) vermeint - (nach dem zur Verjährung Gesagten: auch) dadurch eine die Zusammenrechnung der jeweiligen Verkürzungsbeträge hindernde Zäsur eintrat, daß die Angeklagte ab dem Jahre 1975 (also ab dem Anklagefaktum I.8) infolge eines Wohnsitzwechsels beim Finanzamt für den I. Wiener Gemeindebezirk steuerlich veranlagt wurde und dies (für die bis dahin begangenen Fakten nicht) auch sogleich einen Wechsel der darauf bezogenen örtlichen Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde in dem wegen sämtlicher Fakten erst am eingeleiteten Finanzstrafverfahren bewirkte (vgl. dagegen § 58 Abs. 1 lit. f zweiter Halbsatz FinStrG iVm §§ 305 Abs. 4, 55 BAO). Denn weder die absolute Verjährung der Fakten I.1-7 noch die finanzstrafbehördliche Zuständigkeit in Ansehung der restlichen Anklagepunkte werden hievon berührt.