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VfGH vom 12.10.1987, B195/86

VfGH vom 12.10.1987, B195/86

Sammlungsnummer

11496

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung einer Bestätigung für einen mündlich abgeschlossenen Kaufvertrag gem. § 2 Abs 2 Tir. GVG; rechtswidrige Annahme, nach § 15 sei die grundverkehrsbehördliche Rechtswirksamkeit eines Rechtserwerbes an die Schriftlichkeit gebunden; Entzug des gesetzlichen Richters durch Verweigerung einer Sachentscheidung

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird daher aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Bf. die mit S 11.000,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Am stellten J A, M G A, A und W N, H und D G P, A und G J P, G B und J A R, T F und C E V, G H und A G

C W und A K an den Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde Hochfilzen einen Antrag auf Erteilung einer Bestätigung gemäß § 2 Abs 2 Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69 (künftig: GVG), daß die von ihnen mit im August 1984 mündlich abgeschlossenem Kaufvertrag von den österreichischen Staatsbürgern I und F K erworbene Teilfläche "1" aus der Liegenschaft Gp. ... EZ 201 II KG Hochfilzen nicht den Bestimmungen des GVG unterliegt. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß die Verkäufer nicht mehr zur getroffenen Preisvereinbarung stünden, obwohl bereits im August 1984 Kaufgegenstand und Kaufpreis eindeutig bestimmt gewesen seien, sodaß die Unterfertigung des schriftlichen Kaufvertrages durch die Verkäufer gerichtlich erzwungen werden müsse.

2.1. Mit Bescheid vom gab der Vorsitzende der Grundverkehrsbehörde Hochfilzen dem Antrag auf Erteilung einer Bestätigung gemäß § 2 Abs 2 GVG statt und bestätigte, daß der in Frage stehende käufliche Erwerb nicht den Bestimmungen des GVG unterliegt.

2.2. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-1279/6, wurde einer vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Antrag auf Erteilung einer Bestätigung nach § 2 Abs 2 GVG gemäß § 6 Abs 1 AVG iVm § 15 GVG zurückgewiesen.

Der Bescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:

"...

Gemäß § 15 GVG ist um die Genehmigung von im § 3 Abs 1 genannten Rechtserwerben binnen 2 Monaten nach Vertragsabschluß oder nach Eintritt der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über den Rechtserwerb bei der Grundverkehrsbehörde um die Zustimmung unter Anschluß einer Urkunde über den Rechtserwerb mit einer Durch- oder Abschrift anzusuchen.

Im Beschwerdefall wurde von den rechtsfreundlich vertretenen Einschreitern ein (ausschließlich) von ihnen unterfertigter Kaufvertrag zur grundverkehrsbehördlichen Behandlung mit dem Hinweis vorgelegt, daß die Verkäufer zur seinerzeitigen (Preis-)Vereinbarung nicht mehr stehen würden und sohin die Unterschriftsleistung gerichtlich erzwungen werden müsse.

Eine meritorische Behandlung einer Grundverkehrsangelegenheit kann nach dem gegebenen Wortlaut der eingangs zitierten Gesetzesstelle aber nur dann erfolgen, wenn eine Urkunde über den Rechtserwerb ersichtlich vorliegt (vergl. hiezu auch das Erk. des VwGH. vom , Zl. 1947/71-71) bzw. eine Ausfertigung einer in Rechtskraft erwachsenen gerichtlichen Entscheidung dem Antrag beigeschlossen ist.

Das dem grundverkehrsbehördlichen Verfahren zugrundeliegende Anbringen erfüllt aber keine dieser Voraussetzungen, sodaß es der Erstinstanz mangels des Vorliegens eines dem Gesetz entsprechenden Antrages verwehrt gewesen wäre, den vorliegenden Fall einer sachlichen Erledigung zuzuführen.

In Ansehung des Umstandes, daß die 'Verkäufer' nicht bereit sind, die Urkunde über das (behauptete) Titelgeschäft zu unterfertigen, kann das Fehlen der Unterschrift auch nicht als Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs 3 AVG 1950 qualifiziert werden, sondern stellt sich dieser Mangel als Fehlerhaftigkeit des Antrages in materieller Beziehung dar, der eines Verbesserungsauftrages im Sinne der angezogenen Gesetzesstelle nicht zugänglich ist.

Die Berufung erweist sich sohin schon unter dem Blickwinkel der - von Amts wegen zu wahrenden Behördenzuständigkeit als berechtigt ..."

3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Die Bf. meinen, der bel. Beh. sei entgegenzuhalten, daß mit einem Ansuchen gemäß § 15 GVG eine Urkunde nur dann vorzulegen ist, wenn um Zustimmung der Grundverkehrsbehörde zu einem Rechtserwerb gemäß § 3 Abs 1 GVG angesucht wird. Ein derartiges Ansuchen liege aber nicht vor. Es sei lediglich um die Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 2 Abs 2 GVG angesucht worden. Mit mündlichem Vertrag aus dem Jahr 1984 hätten sie - auf dem Boden der Rechtslage vor dem - bereits ein Privatrecht gültig erworben. Aufgrund der seit geänderten Rechtslage müßten sie jedoch bei einem Rechtserwerb nach § 3 Abs 1 GVG die Zustimmung der Grundverkehrsbehörde einholen, mit der aber nicht mehr zu rechnen sei. Die bel. Beh. habe die meritorische Behandlung der Sache aus unzutreffenden verfahrensrechtlichen Überlegungen abgelehnt; die Versagung der Bestätigung nach § 2 Abs 2 GVG verletze sie daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

4.2. Der VfGH hat sich zunächst mit der Frage befaßt, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt sind. Dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).

Dies ist tatsächlich geschehen. Die bel. Beh. hat sich im angefochtenen Bescheid darauf beschränkt auszusagen, das Fehlen der Unterschrift der Verkäufer sei eine Fehlerhaftigkeit des Antrages in materieller Hinsicht, die einem Verbesserungsauftrag nicht zugänglich sei. Dies kann nur dahin verstanden werden, daß die bel. Beh. die Rechtsmeinung vertritt, die meritorische Behandlung einer grundverkehrsbehördlichen Angelegenheit setze zufolge § 15 GVG auf diese Gesetzesstelle beruft sich die bel. Beh. - das Vorliegen einer Urkunde (einer gerichtlichen Entscheidung) über den Rechtserwerb voraus, oder anders ausgedrückt: Nach § 15 GVG sei die grundverkehrsbehördliche Rechtswirksamkeit eines Rechtserwerbes an die Schriftlichkeit, also an die Einhaltung einer Formvorschrift gebunden. Im vorliegenden Fall sei dieser Formvorschrift nicht entsprochen worden.

Diese Ansicht der bel. Beh. ist unrichtig. Die Wortwahl des § 15 GVG erlaubt nur, aus Abs 1 letzter Halbsatz eine Befristung für die Antragstellung bei der Grundverkehrsbehörde und aus Abs 2 lita die Vorlagepflicht hinsichtlich vorhandener Urkunden abzuleiten (es gibt ja auch genehmigungspflichtige Rechtserwerbe, für die eine Urkunde gar nicht vorhanden sein kann, z.B. eine Ersitzung).

Ist eine Vertragsurkunde - wie im vorliegenden Fall (bisher) von beiden Vertragsparteien lediglich noch nicht unterfertigt und damit (noch) nicht vorhanden, wird der Abschluß des Rechtsgeschäftes jedoch ausdrücklich behauptet, so hat die Grundverkehrsbehörde dennoch meritorisch zu entscheiden. Soweit die bel. Beh. sich zur Stützung ihrer Meinung auf das zum Salzburger Grundverkehrsgesetz ergangene Erkenntnis des , beruft, übersieht sie, daß der damalige Bf. die Zustimmung zu einem beabsichtigten Rechtsgeschäft begehrt hatte. Dieses Anbringen war von der bel. Beh. zurückgewiesen worden, weil die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft nur erteilt werden könne, wenn eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung ersichtlich vorliege, was der Bf. jedoch gar nicht behauptet habe.

In dem hier vorliegenden Beschwerdefall wurde das Begehren auf Zustimmung zu einem Rechtserwerb auf die ausdrückliche Behauptung gestützt, daß das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde; da der Verkäufer zu Unrecht die Unterfertigung des Kaufvertrages verweigere, seien die Bf. genötigt, dies gerichtlich zu erzwingen. Auf dem Boden dieses Vorbringens konnte sich die bel. Beh. nicht auf die Begründung beschränken, in der Nichtvorlage des Kaufvertrages eine "Fehlerhaftigkeit ... in materieller Beziehung" festzustellen. Sie hätte vielmehr die Frage, ob ein Rechtsgeschäft gültig zustande gekommen ist, als Vorfrage behandeln müssen. Die Bf. sind dadurch, daß mit dem angefochtenen Bescheid ihr Antrag zurückgewiesen und damit eine Sachentscheidung - wie dargelegt rechtswidrig verweigert wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

4.3. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG; in den zuerkannten Kosten ist USt im Betrage von S 1.000,-enthalten.

4.4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.