OGH 14.11.2017, 10Ob62/17s
Rechtssatz
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Norm | |
RS0132275 | Eine vom Rekursgericht entgegen den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 63 Abs 5, 68 Abs 3 Z 2 und 68 Abs 4 Z 1 AußStrG angeordnete und von diesem auch durchgeführte Zustellung des Rechtsmittels durch das Erstgericht entfaltet keine fristauslösende Wirkung hinsichtlich einer möglichen Revisionsrekursbeantwortung. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C*, geboren am *, vertreten durch das Land Salzburg als Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau, 5600 St. Johann im Pongau, Hauptstraße 1), wegen Herabsetzung von Unterhaltsvorschüssen, infolge des Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 457/16a-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom , GZ 38 PU 154/15a-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, eine Gleichschrift des Revisionsrekurses des Kindes dem Bund zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zuzustellen. Nach Erstattung der Revisionsrekursbeantwortung bzw fruchtlosem Verstreichen der Frist sind die Akten erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Text
Begründung:
Dem Kind wurden mit Beschluss des Erstgerichts vom (ON 22) für die Zeit vom bis Unterhaltsvorschüsse von monatlich 319 EUR bewilligt.
Das Erstgericht setzte die Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des Monats August 2016 gemäß § 19 Abs 1 UVG auf monatlich 192 EUR herab (ON 26).
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Kindes nicht Folge und sprach zunächst aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen erhob das Kind Zulassungsvorstellung gemäß § 63 Abs 1 AußStrG verbunden mit einem Revisionsrekurs.
Mit Beschluss vom (ON 38) änderte das Rekursgericht den Zulassungsausspruch ab und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht trug dem Erstgericht auf, „im dg. Wirkungsbereich die Zustellung des gegenständlichen Beschlusses zu bewirken und das Einlangen von allfälligen Revisionsrekursbeantwortungen zu überwachen und sodann den Akt wieder anher vorzulegen ...“.
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage ist verfrüht, weil über das Rechtsmittel derzeit noch nicht entschieden werden kann.
Über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen hat das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 10 UVG). Hat das Rekursgericht – wie im vorliegenden Fall – aufgrund einer Zulassungsvorstellung, die mit einem Revisionsrekurs verbunden ist, den Revisionsrekurs nachträglich für zulässig erklärt, so hat das Rekursgericht diesen Beschluss (nicht nur) den Parteien zuzustellen, sondern den Revisionsrekursgegnern auch die Beantwortung des Revisionsrekurses freizustellen (§ 63 Abs 5 AußStrG). Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung beginnt in diesem Fall mit der Mitteilung des Rekursgerichts, dass „den anderen aktenkundigen Parteien“ die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt werde (§ 68 Abs 3 Z 2 AußStrG). Die Revisionsrekursbeantwortung ist beim Rekursgericht einzubringen (§ 68 Abs 4 Z 1 AußStrG).
Die vom Rekursgericht entgegen diesen gesetzlichen Bestimmungen angeordnete und vom Erstgericht auch durchgeführte Zustellung des Rechtsmittels konnte daher keine fristauslösende Wirkung hinsichtlich einer möglichen Revisionsrekursbeantwortung entfalten (10 Ob 17/14v).
Im Verfahren zur Herabsetzung von Unterhaltsvorschüssen kommt zwar dem Bund, nicht aber den gemäß § 22 Abs 1 UVG primär Ersatzpflichtigen, zu denen der Unterhaltsschuldner (hier der Vater) und die Zahlungsempfängerin (hier die Mutter) zählen, Parteistellung zu (10 Ob 41/15z; RIS-Justiz RS0127875; RS0076886 [T1, T3]; RS0006136). Es liegt deshalb keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, dass die Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichts über die nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses an die Mutter und den Vater nicht durch das Rekursgericht erfolgte.
Das Rekursgericht wird jedoch eine Gleichschrift des Revisionsrekurses an den Bund, vertreten durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz, samt (nunmehriger) Freistellung der Rechtsmittelbeantwortung mit dem Beisatz dass ihm die allfällige Beantwortung des (nachträglich doch zugelassenen) Rechtsmittels freisteht, zuzustellen haben.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C*, geboren am * 2001, vertreten durch das Land Salzburg als Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft St. Johann, 5600 St. Johann im Pongau, Hauptstraße 1), wegen Herabsetzung von Unterhaltsvorschüssen, infolge des Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 457/16a-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom , GZ 38 Pu 154/15a-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt zu lauten hat:
„1. Der dem Kind mit Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom , GZ 38 Pu 154/15a-22, für die Zeit vom bis gewährte monatliche Unterhaltsvorschuss in Höhe von 319 EUR wird ab auf monatlich 192 EUR herabgesetzt. Höchstgrenze bleibt der Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen gemäß §§ 293 Abs 1 lit c sublit bb erster Fall, 108f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG).
2. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz wird ab um Auszahlung der Vorschüsse an die Zahlungsempfängerin in der verringerten Höhe ersucht.“
Text
Begründung:
Der Minderjährigen wurden Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt, zuletzt aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom (ON 22) in Höhe von 319 EUR monatlich. Nach der Aktenlage und dem – nicht bestrittenen – Vorbringen der Minderjährigen im Rekurs trat diese am eine Lehrstelle an und erhielt die erste Lehrlingsentschädigung am ausbezahlt.
Das Erstgericht setzte den Unterhaltsvorschuss gemäß § 19 Abs 1 UVG mit Ablauf des Monats August 2016 auf monatlich 192 EUR herab. Als Begründung wurde ausgeführt, dass die Minderjährige seit über ein monatliches anrechenbares Eigeneinkommen von 556,96 EUR inklusive der anteiligen Sonderzahlungen verfügt, das bei der Unterhaltsbemessung und in weiterer Folge auch bei der Festsetzung der Höhe des Unterhaltsvorschusses zu berücksichtigen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen, den Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Unterhaltsvorschuss erst ab auf monatlich 192 EUR herabgesetzt werde, nicht Folge. Es komme nicht darauf an, dass der Minderjährigen die erste Lehrlingsentschädigung erst am ausbezahlt wurde, sondern darauf, dass sie ihre Lehrstelle bereits am angetreten habe. Die Unterhaltsvorschüsse seien daher bereits mit Ablauf des August 2016 herabzusetzen.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs infolge der Zulassungsvorstellung der Minderjährigen im Hinblick auf die Entscheidung 10 Ob 23/14a nachträglich zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht im Einklang steht; er ist auch im Sinn des Abänderungsantrags berechtigt.
Es entspricht der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Einstellung der Unterhaltsvorschüsse (§ 20 UVG) wegen Eigeneinkommens zwar gegebenenfalls auch rückwirkend, jedoch erst mit Ablauf desjenigen Monats zu erfolgen hat, in dem die erste Lohnauszahlung erfolgt (10 Ob 23/14a; RIS-Justiz RS0129679; zuletzt 10 ObS 49/17d mwH).
Die in der Entscheidung 10 Ob 23/14a enthaltenen Aussagen zum Zeitpunkt der Einstellung von Unterhaltsvorschüssen wegen Antritt eines Lehrverhältnisses am Monatsersten und erst zu einem späteren Zeitpunkt im Monat erfolgender erstmaliger Auszahlung der Lehrlingsentschädigung sind sinngemäß auch auf den Zeitpunkt der Herabsetzung von Unterhaltsvorschüssen zu übertragen (10 Ob 38/17m).
Da die Minderjährige die erste Lehrlingsentschädigung erst am erhalten hat, ist die – der Höhe nach nicht strittige – Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse bei Anwendung dieser Grundsätze erst mit Ablauf des Monats September, daher ab berechtigt.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidung der Vorinstanzen in diesem Sinn abzuändern.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2019:E121114 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAD-88057