OGH vom 22.02.2016, 10ObS150/15d

OGH vom 22.02.2016, 10ObS150/15d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Mag. Martina Murauer, Rechtsanwältin in Grieskirchen, diese vertreten durch Holter Wildfellner Rechtsanwälte OG in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Waisenpension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 12 Rs 64/15s 9, womit das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 16 Cgs 10/15i 5, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die 1994 geborene Klägerin bezog ab für die weitere Dauer ihrer Ausbildung eine Waisenpension nach ihrem verstorbenen Vater. Diese fiel mit Ablauf des Monats Mai 2014 wegen Beendigung der Schulausbildung weg.

Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom auf Weitergewährung der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus ab.

Dagegen erhob die Klägerin fristgerecht Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr die Waisenpension weiterhin zu gewähren. Sie absolviere ein „Berufsfindungspraktikum“ beim Roten Kreuz. Dieses Praktikum werde im Rahmen des Freiwilligen Sozialjahres angeboten, weshalb ihre Kindeseigenschaft nach § 252 Abs 2 Z 2 ASVG über das 18. Lebensjahr hinaus gegeben sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei seit beim Österreichischen Roten Kreuz aufgrund eines Dienstvertrags laufend geringfügig beschäftigt. Das von ihr im Rahmen dieser Beschäftigung absolvierte Praktikum als „Berufsfindungspraktikantin“ beinhalte zwar die Ausbildung zur Rettungssanitäterin, die daran anschließende Tätigkeit im Turnusdienst zu 40 Wochenstunden im Rettungsdienst stelle weder eine Schul noch eine Berufsausbildung dar, sondern diene der Berufsfindung, sodass die Kindeseigenschaft der Klägerin zu verneinen sei.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab eine Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß über das 18. Lebensjahr hinaus zu gewähren. Es traf folgende Feststellungen:

„Das Österreichische Rote Kreuz bietet jungen Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren die Möglichkeit eines Berufsfindungspraktikums im Rettungs und Krankentransportdienst an. Es beinhaltet die zweimonatige Ausbildung zum/zur Rettungs-sanitäter/Rettungssanitäterin nach dem Sanitätergesetz. Nach positivem Abschluss dieser Ausbildung erfolgt ein Einsatz im Rahmen des Berufsfindungspraktikums als Rettungssanitäter/Rettungssanitäterin im Rettungsdienst. Ziel des Berufsfindungspraktikums ist es, jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, ihre Eignung für einen sozialen Beruf zu testen, sich persönlich zu entwickeln sowie praktische Erfahrungen in sozialen Berufen zu sammeln und eine Berufsausbildung zu erhalten. Derartige Praktika können im Februar, Mai, August oder November eines Jahres begonnen werden und dauern zwischen sechs und zwölf Monate. Die Klägerin absolviert dieses Berufsfindungspraktikum im Zeitraum von bis . Am schloss sie die während der ersten beiden Monate des Praktikums angebotene Ausbildung zur Rettungssanitäterin erfolgreich ab. Während dieser Ausbildung fand vorerst ein vierwöchiger Kurs jeweils von Montag bis Freitag von 8:00 bis 17:40 Uhr statt. Daran anschließend wurde die Klägerin vier Wochen einer Bezirksstelle zur praktischen Einschulung dienstzugeteilt. Seither ist sie im Turnusdienst als Rettungssanitäterin im Rettungsdienst eingesetzt. Ihre Arbeitszeit umfasst 40 Wochenstunden, sie erhält ein monatliches Entgelt von 395 EUR brutto. Sie hat sich für das Praktikum entschieden, weil sie anschließend im Sozialbereich tätig bleiben möchte und im Herbst 2015 ein Studium im Sozialbereich erwägt. Es dient ihr zur Orientierung und soll ihr Aufschluss über ihre Eignung für Sozialberufe bringen.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, das von der Klägerin absolvierte Berufsfindungspraktikum sei (insgesamt) als Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG zu werten, weil es ihrer beruflichen Orientierung diene. Da die Klägerin beabsichtige, einen Beruf oder ein Studium im Sozialbereich auszuüben bzw zu beginnen, könne sie die während des Berufsfindungspraktikums erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch weiter verwenden. Jedenfalls sei die in den Monaten September und Oktober 2014 absolvierte Ausbildung zur Rettungssanitäterin als Ausbildung iSd § 252 ASVG zu qualifizieren. Zudem gleiche die Tätigkeit der Klägerin jener bei anderen Einrichtungen im Rahmen eines Freiwilligen Sozialjahres. Das Klagebegehren sei daher auch in analoger Anwendung des § 252 Abs 2 Z 2 ASVG berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, der Klägerin von bis eine Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Weitergewährung der Waisenpension ab wies es ab. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts liege eine Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG nicht nur dann vor, wenn es sich bei der Ausbildung um einen Lehrberuf handle, sondern auch dann, wenn die für den Beruf erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch Anleitung, Belehrung und Unterweisung durch sachkundige Personen vermittelt werden, wobei nicht unbedingt ein bestimmter Ausbildungsplan vorliegen müsse. Die Ausbildung zur Rettungssanitäterin iSd § 22 Sanitätergesetz entspreche diesen Voraussetzungen, weil davon auszugehen sei, dass die Arbeitskraft der Klägerin nicht nur im Zeitraum des vierwöchigen Kurses, sondern auch innerhalb der vierwöchigen Praxiszeit durch die Berufsausbildung überwiegend beansprucht worden sei (siehe § 11 Abs 1 Sanitäter Ausbildungsverordnung BGBl II Nr 420/2003). Da die Klägerin zur Prüfung zugelassen worden sei und diese auch erfolgreich abgelegt habe, sei von der Ableistung der erforderlichen 160 Praxisstunden auszugehen, deren Umfang in den Monaten September und Oktober 2014 annähernd dem Zeitaufwand einer Vollzeitbeschäftigung entsprochen habe. Anderes gelte jedoch für die Beurteilung des darüber hinausgehenden Zeitraums. Wenngleich die Tätigkeit als Rettungssanitäterin auch der beruflichen Orientierung dienen solle, so lasse dies nicht den Schluss zu, darin zwingend eine weiterführende Berufsausbildung zu sehen. Bei Gesamtbetrachtung scheine der Schwerpunkt der Tätigkeit nach Absolvierung der Ausbildung zur Rettungssanitäterin in der nachfolgenden Ausübung dieser Tätigkeit zu liegen. Die Motive der Klägerin für ihre weitere Berufsplanung seien dabei nicht ausschlaggebend. Eine analoge Anwendung des § 252 Abs 2 Z 2 ASVG scheide aus, da Hinweise für eine planwidrige Lücke fehlten. § 252 Abs 2 Z 2 ASVG richte sich ausschließlich an Teilnehmer eines Freiwilligen Sozialjahres. Wenngleich sich nunmehr seit auch das Österreichische Rote Kreuz in der vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz aufgelegten Liste anerkannter Träger des Freiwilligen Sozialjahres befinde, habe die Klägerin sich nicht für die Absolvierung des Freiwilligen Sozialjahres entschieden, sondern für ein Berufsfindungspraktikum. Legistische Hinweise für eine gewollte Gleichstellung dieser Kategorien fehlten. Dass der Gesetzgeber mit dem Freiwilligengesetz (BGBl I 2012/17) den Kreis der anspruchsberechtigten Personen über den klaren Gesetzeswortlaut hinaus auf weitere (freiwillige) Tätigkeiten erweitern wollte, sei nicht anzunehmen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob ein einjähriges Berufsfindungspraktikum als Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG zu werten sei sowie dazu, ob die in § 252 Abs 2 Z 2 ASVG genannten freiwilligen Tätigkeiten abschließend geregelt seien.

Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagestattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht zusammengefasst geltend, auch wenn die Ausbildung zur Rettungssanitäterin formell Ende Oktober 2014 abgeschlossen worden sei, diene die darüber hinausgehende Zeit des Berufsfindungspraktikums zumindest der praktischen Ausbildung. Die Motive für ihre weitere Berufsplanung seien sehr wohl ausschlaggebend. Die im Rahmen der freiwilligen Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten seien für die von ihr angestrebte Berufsausbildung im Sozialbereich essentiell. Zudem könne es nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein, die Absolventen eines freiwilligen Berufsfindungspraktikums gegenüber Absolventen des Freiwilligen Sozialjahres schlechter zu stellen. Dass in § 252 Abs 2 Z 2 ASVG die Teilnehmer eines Berufsfindungspraktikums nicht genannt werden, stelle daher eine planwidrige Lücke dar. § 252 Abs 2 Z 2 ASVG verstoße außerdem gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei verfassungswidrig.

Dazu ist auszuführen:

1.1 Anspruch auf Waisenpension haben gemäß § 260 ASVG nach dem Tod des (der) Versicherten die Kinder iSd § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 ASVG. Gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG besteht die Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind sich in einer Schul und Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Für das Bestehen der Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres kommt es demnach nur darauf an, dass sich das Kind in einer Schul oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht (RIS Justiz RS0089658). Wenn und solange eine die Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nehmende Schul oder Berufsausbildung absolviert wird, besteht die Kindeseigenschaft bis zur festgesetzten Altersgrenze weiter.

1.2 Zweck der Waisenpension ist, den Lebensunterhalt einer Waise nach dem Tod des bisher Unterhaltsleistenden an dessen Stelle zu sichern und ihr eine entsprechende Schul oder Berufsausbildung zu gewährleisten. Es soll der Wegfall der Unterhaltsleistungen des Verstorbenen solange ausgeglichen werden, bis die Waise imstande ist, nach Abschluss einer entsprechenden Ausbildung selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen (vgl Standeker , Verlängerte Kindeseigenschaft und Waisenpension, ZAS 2001, 129 [137]).

1.3 Dass die von der Klägerin im September und Oktober 2014 absolvierte Ausbildung zur Rettungssanitäterin iSd § 22 Sanitätergesetz als Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG zu werten ist, ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Zu prüfen ist aber, ob ihre nachfolgende Tätigkeit als Rettungssanitäterin ab November 2014 eine Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG darstellt.

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist essentiell für die Berufsausbildung, dass Kenntnisse und Fertigkeiten erworben werden, die für die Ausübung eines zukünftig gegen Entgelt auszuübenden (bestimmten) Berufs erforderlich sind. Wenn auch der Begriff der Berufsausbildung nicht zu eng gesehen werden darf, muss sich doch aus dem Programm der Ausbildung klar deren Zweck ergeben, nämlich die Vermittlung der Grundlagen für eine Berufslaufbahn in einem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden (bestimmten) Beruf oder Spezialbereiche davon (10 ObS 137/97p, SSV NF 11/92). Eine Berufsausbildung im Sinne des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG liegt aber auch dann vor, wenn die für den Beruf erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch Anleitung, Belehrung und Unterweisung durch sachkundige Personen vermittelt werden, wobei nicht unbedingt ein bestimmter Ausbildungsplan vorliegen muss (RIS Justiz RS0085512). Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgericht Wien als seinerzeitigem Höchstgericht in Leistungsstreitsachen wurde etwa das Noviziat als Vorbereitung auf das Ordensleben einer Berufsausbildung gleichgehalten (SSV 22/25); anerkannt wurde auch ein lehrähnliches Dienstverhältnis einer Steuerberatungs-praktikantin (SSV 25/26) oder die Tätigkeit eines Volontärs, der sich wie ein Lehrling auf die Lehrabschlussprüfung vorbereitet (SSV 23/70).

2.2.1 Im vorliegenden Fall bestand das „Programm“ des Berufsfindungspraktikums beim Österreichischen Roten Kreuz darin, jungen Menschen eine zweimonatige Berufsausbildung zum/zur Rettungssanitäter/in nach dem Sanitätsgesetz anzubieten. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung sollten sie als Rettungssanitäter/in im Rettungsdienst eingesetzt werden. Die Tätigkeit nach Abschluss der zweimonatigen Ausbildung zur Rettungssanitäterin bzw Erreichen des Ausbildungsziels ab November 2014 stellt sich demnach als Ausübung des von ihr zuvor erfolgreich erlernten Berufs der Rettungssanitäterin und nicht mehr als Ausbildung zu diesem Beruf dar, mag dahinter auch die Motivation der Klägerin bzw das Ziel stehen, im Rahmen ihrer Tätigkeit ihre Eignung für diesen oder einen anderen sozialen Beruf zu erkennen.

2.2.2 Das Revisionsvorbringen, die zweimonatige Ausbildung zum Rettungssanitäter bzw zur Rettungssanitäterin sei „zu kurz“ und reiche für diese verantwortungsvolle Tätigkeit nicht aus, weshalb auch die darüber hinausgehende Zeit ab November 2014 der (fortgesetzten) praktischen Ausbildung zu diesem Beruf diene, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt. Dafür, dass erst im Rahmen des Einsatzes als Rettungssanitäterin die für diesen Beruf erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten durch Anleitung, Belehrung und Unterweisung durch sachkundige Personen vermittelt worden wären, bieten die Feststellungen keine Anhaltspunkte.

3.1 Die Tätigkeit der Klägerin ab November 2014 ist auch nicht als Ausbildung zu einem anderen „sozialen Beruf“ zu qualifizieren. Der Begriff „sozialer Beruf“ umfasst eine weite Bandbreite und reicht von Pflege und Betreuungsberufe, Berufen im Sozialhilfebereich bis hin zu Verwaltungsberufen zB in Krankenanstalten, medizinischen und therapeutischen Einrichtungen etc (vgl Berufslexikon des AMS „Fachkraft für Sozialberufe“). Für die Verlängerung der Kindeseigenschaft im Sinn des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG kommt es aber auf den Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten an, die für die Ausübung eines zukünftig gegen Entgelt auszuübenden, bestimmten Berufs nötig sind und auf diesen oder Spezialbereiche davon vorbereiten. Dass der Klägerin ab November 2014 Grundlagen und Kenntnisse für eine andere Berufslaufbahn (als jene der Rettungssanitäterin) vermittelt worden wären, lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Dass ihre ab November 2014 ausgeübte Tätigkeit als Rettungssanitäterin für einen konkreten (anderen) Beruf im Sozialbereich erforderlich bzw für eine von ihr angestrebte Berufsausbildung wesentliche Voraussetzung gewesen wäre, bringt die Klägerin im Übrigen gar nicht vor, insbesondere auch nicht, dass sie den Beruf einer Notfallsanitäterin anstrebte (vgl §§ 35 f Sanitätergesetz).

3.2 Die bloße Absicht bzw das Motiv, nach dem Ende des Berufsfindungspraktikums weiterhin eine berufliche Tätigkeit im Sozialbereich auszuüben oder eine Ausbildung für einen anderen Sozialberuf als jenen der Rettungssanitäterin zu beginnen, kann für sich allein die Kindeseigenschaft nicht begründen (vgl Standeker , Verlängerte Kindeseigenschaft und Waisenpension ZAS 2001, 129 [132]). Ein solcher Zusammenhang reicht jedenfalls nicht aus, um ein deshalb absolviertes mehrmonatiges Berufsfindungspraktium selbst zur „Berufsausbildung“ werden zu lassen.

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist demnach die Tätigkeit der Klägerin als Rettungssanitäterin ab November 2014 nicht (mehr) als Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG anzusehen.

4.1 Die von der Revisionswerberin gewünschte analoge Anwendung des § 252 Abs 2 Z 2 ASVG kommt ebenfalls nicht in Betracht:

Nach § 252 Abs 2 Z 2 ASVG idF des Freiwilligengesetz (FreiwG) BGBl I 2012/17 besteht die Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind als Teilnehmer/in des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres, des Gedenkdienstes oder des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland tätig ist, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. In den Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 252 Abs 2 Z 2 ASVG mit dem FreiwG (ErläutRV 1634 BlgNR 24. GP 15) wird ausgeführt, dass der für Leistungen der Pensionsversicherung maßgebliche Kindesbegriff dahingehend erweitert werden solle, dass Teilnehmer/innen eine Waisenpension während ihres Freiwilligen Sozialjahres, ihres Freiwilligen Umweltschutzjahres, ihres Gedenkdienstes oder ihres Friedens und Sozialdienstes im Ausland auch dann (weiter )beziehen können, wenn sie das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben, und zwar längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Berufsfindungspraktika (wie das verfahrensgegenständliche) finden weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien Erwähnung.

4.2 Wenngleich die in § 252 Abs 2 Z 2 ASVG vorgenommene Aufzählung ( Freiwilliges Sozialjahr, Freiwilliges Umweltschutzjahr, Gedenkdienstes oder Friedens und Sozialdienst im Ausland) als taxativ anzusehen ist, ist auch im Fall einer taxativen Aufzählung eine

Analogie an sich nicht ausgeschlossen. Zu fordern ist aber, dass ein nicht genau in einen der taxativ beschriebenen Tatbestände passender Sachverhalt seiner Art und seinem Gewicht nach so beschaffen sein muss, dass alles für eine Gleichbehandlung spricht, während bei bloß demonstrativer Aufzählung schon eine gewisse Ähnlichkeit mit den im Gesetz angeführten Beispielsfällen genügen würde (RIS Justiz RS008928).

4.3 Eine analoge Anwendung des § 252 Abs 2 Z 2 ASVG auf die ab November 2014 ausgeübte Tätigkeit der Klägerin als Rettungssanitäterin im Rettungsdienst scheidet allerdings deshalb aus, weil diese Tätigkeit mit dem Freiwilligen Sozialjahr nicht derart ähnlich ist, dass auf eine Gesetzeslücke im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit geschlossen werden könnte.

4.3.1 Nach § 6 FreiwG gehört das Freiwillige Sozialjahr zu den besonderen Formen des freiwilligen Engagements, es erfolgt im Interesse des Gemeinwohls und kann nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses absolviert werden. Ziele sind insbesondere die Vertiefung von schulischer Vorbildung, das Kennenlernen der Arbeit in der Einsatzstelle, die Persönlichkeitsentwicklung, die Erweiterung und Anwendung von Kenntnissen zum Erwerb von Fertigkeiten für soziale Berufsfelder, die Berufsorientierung, die Stärkung sozialer Kompetenzen und die Förderung des freiwilligen sozialen Engagements der Teilnehmer/innen. Nach § 7 sind die Teilnehmer/innen des Freiwilligen Sozialjahres Personen ohne einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres (bei besonderer Eignung nach Vollendung des 16. Lebensjahres) die einmalig eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit in der Dauer von sechs bis zwölf Monaten bei einer von einem anerkannten Träger (§ 8 FreiwG) zugewiesenen Einsatzstelle im Inland zur Erreichung der in § 6 genannten Ziele ausüben (Ausbildungsverhältnis). Der Einsatz hat sich an Lernzielen zu orientieren und erfolgt unter pädagogischer Begleitung und fachlicher Anleitung, Beaufsichtigung und Verantwortung der jeweiligen Einsatzstelle. Der/die Teilnehmerin darf nicht mehr als 34 Wochenstunden tätig sein (§ 7 FreiwG).

4.3.2 Diesen Voraussetzungen entspricht die Tätigkeit der Klägerin ab November 2014 in mehrfacher Hinsicht ua deshalb nicht, weil sie nach Abschluss einer Berufsausbildung auf Basis eines Dienstvertrags und im Ausmaß von 40 Wochenstunden erfolgte. Wesentlich erscheint insbesondere, dass es sich nicht um eine praktische Hilfstätigkeit im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses handelt, sondern um eine Vollzeitbeschäftigung als Rettungssanitäterin eingesetzt im Rettungsdienst. Allein, dass von der Zielsetzung her (ua Berufsorientierung, Persönlichkeitsentwicklung) Ähnlichkeiten mit dem Freiwilligen Sozialjahr bestehen, vermag aber bei sonstiger mangelnder Vergleichbarkeit die Annahme einer Gesetzeslücke nicht zu rechtfertigen. Ein Analogieschluss scheidet daher aus.

5. Letztlich ist auch die von der Revisionswerberin geltend gemachte Verfassungswidrigkeit nicht erkennbar:

5.1 Dem einfachen Gesetzgeber ist es aufgrund des demokratischen Prinzips nicht verwehrt, seine jeweiligen rechtspolitischen Vorstellungen im Rahmen vertretbarer Zielsetzungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verwirklichen (10 ObS 205/02y = SZ 2002/151 mwN). Dem Gesetzgeber muss es somit auch freistehen, das für den Zusammenhalt der Gesellschaft besonders wertvoll angesehene freiwillige Engagement (vgl ErläutRV 1634 BlgNR 24. GP 3) besonders zu fördern und sozialrechtlich gegenüber anderen Tätigkeiten zu begünstigen.

5.2 Die Revisionswerberin vermeint weiters, es sei unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes verfassungswidrig, dass sie gegenüber jenen Personen schlechter gestellt sein soll, die nach dem Abschluss des Präsenz oder Zivildiensts bis zum Beginn ihres Studiums keiner Tätigkeit nachgehen und dennoch Anspruch auf Waisenpension haben.

5.2.1 Dazu ist auszuführen, dass während des Zivil oder Präsenzdienstes die Kindeseigenschaft nach § 252 Abs 2 Z 1 ASVG nicht anzunehmen ist (10 ObS 206/91, SSV NF 5/108); sie erlischt daher zunächst mit der Ablegung der Reifeprüfung. In den Ferienmonaten nach dem Ende des Zivil oder Präsenzdienstse besteht die Kindeseigenschaft aber unter der Voraussetzung weiter, dass im nächsten Semester ein die Arbeitskraft überwiegend beanspruchendes Studium aufgenommen wird (10 ObS 68/99v, SSV NF 13/46).

5.2.2 Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums durch den Gleichheitssatz (nur) insoweit an inhaltliche Schranken gebunden ist, als

sachlich nicht begründbare gesetzliche Differenzierungen verfassungsrechtlich verboten sind (

VfSlg 14.868). Dabei ist unter der „

Sachlichkeit“ einer Regelung nicht ihre „

Zweckmäßigkeit“ oder „Gerechtigkeit“ zu verstehen (

VfSlg 13.743); die

Zweckmäßigkeit einer Regelung unterliegt in der Regel nicht der verfassungsrechtlichen Überprüfung (vgl

VfSlg 15.106).

5.2.3 Die im Hinblick auf die Kindeseigenschaft nach § 252 Abs 2 Z 1 ASVG vorgenommene Differenzierung zwischen Personen, die (wie die Klägerin) als Rettungssanitäterin in einem Arbeitsverhältnis gegen ein geringfügiges Entgelt stehen und Personen, die nach Abschluss des Präsenzdienstes bis zum Anfang des nächsten Semesters „warten“, um ihr Studium zu beginnen und bis dahin keiner Berufstätigkeit nachgehen, erfolgt aber nach sachlichen begründeten Kriterien. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Differenzierung in der Kindeseigenschaft nach § 252 Abs 2 Z 1 ASVG bestehen demnach keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Hegt das Gericht wie hier keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung, besteht kein Anlass zur Antragstellung gemäß Art 140 B VG.

Der Revision muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens und Vermögensverhältnisse der Klägerin, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch aus dem Akteninhalt, insbesondere auch aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Vermögensbekenntnis, nicht (vgl RIS Justiz RS0085829 [T1]).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00150.15D.0222.000