OGH vom 29.03.2012, 9Ob62/11z

OGH vom 29.03.2012, 9Ob62/11z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** S*****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, wider die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG, wegen 10.261,38 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 133/11a 18, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 54 Cg 111/10f 14, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist die gemäß § 32 Z 8 WAG 1996 eingerichtete Entschädigungseinrichtung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Die A***** AG (A***** A) und deren Tochtergesellschaft A***** F***** AG (A***** F) waren Wertpapierdienstleistungsunternehmen iSd § 19 Abs 1 WAG 1996 und als solche Mitglieder der Beklagten. Über beider Vermögen wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 2. bzw der Konkurs eröffnet. Am meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Betrag von 14.408,50 EUR zu Depotnummer ***** und ***** an. Ein urkundlicher Nachweis über die tatsächlich erfolgte Einzahlung oder sonstige Nachweise darüber wurden nicht erbracht. Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Klagevertreter mit, dass der Anspruch der Klägerin nicht feststellbar gewesen sei, weil trotz Aufforderung die noch ausstehenden Unterlagen nicht eingereicht worden seien.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am eingebrachten Klage zunächst die Zahlung von 14.482,02 EUR sA bestehend aus der Hauptverbindlichkeit und den Kosten der Forderungsanmeldung zu den mit A***** A bzw A***** F abgeschlossenen Vermögensverwaltungsverträgen.

Mit Schriftsatz vom legte die Klägerin erstmals auf ihre Veranlagung bezugnehmende Urkunden vor (Anlegerzertifikat, Bericht über die Investition). In der mündlichen Streitverhandlung vom modifizierte sie ihr Begehren dahin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr 10.261,38 EUR sA binnen drei Monaten bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen nach WAG Zug um Zug gegen Abtretung der Forderungen der Klägerin gegen sämtliche potenzielle Haftungsadressaten, insbesondere die Liquidatorin des Sicav Fonds in Luxemburg sowie die Republik Österreich zu bezahlen.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte soweit revisionsgegenständlich mangelnde Fälligkeit ein. Die Klägerin habe die Entschädigungsforderung am bei ihr angemeldet, ohne die Forderung auch nur annähernd zu konkretisieren oder darzutun, zu welchem Zeitpunkt und auf welches Konto die angeblichen Einzahlungen erfolgt seien. Der Forderungsanmeldung seien auch keine Unterlagen beigeschlossen gewesen, aus denen ihre konkrete Vertragspartnerin und ihre Legitimation zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen in der geforderten Höhe hervorgegangen wären. Einer Aufforderung zur Vorlage entsprechender Unterlagen sei die Klägerin nicht nachgekommen, sodass ihre Ansprüche nicht iSd § 23b Abs 2 WAG 1996 überprüfbar gewesen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Fälligkeit ab, weil die vorhandenen Unterlagen der Beklagten erstmals am vorgelegt worden seien. Der Beklagten stehe eine angemessene Prüffrist zu, weshalb es nicht ausreiche, im Urteilsspruch die Auszahlungsfrist einzuräumen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Zur revisionsgegenständlichen Frage einer Mitwirkungspflicht des Anlegers bei der Überprüfung seiner Ansprüche führte es aus, schon nach dem Wortlaut des § 23b Abs 2 WAG 1996 idF BGBl I 63/1999 („nach Verlangen und nach Legitimierung“) sei der Anleger verpflichtet, seine Ansprüche gegenüber der Entschädigungseinrichtung zu belegen und nicht bloß undokumentiert zu behaupten. Es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen den Regelungen des Wertpapieraufsichtsgesetzes und jenen zur Einlagensicherung des Bankwesengesetzes, sodass es gerechtfertigt sei, die im BWG normierten Bestimmungen als Auslegungshilfe heranzuziehen. Mit der Legitimierung nach § 93 BWG solle erreicht werden, dass nachweisbar sei, an wen ausgezahlt worden sei und dass der Höchstbetrag nur einmal ausbezahlt werde. In der Entscheidung 7 Ob 98/02s sei festgehalten worden, dass der Anspruch erst mit Legitimation fällig sei, nämlich mit dem Nachweis der Person und der Berechtigung. Danach sei es ohne Überspannung der Anlegerpflichten gerechtfertigt, diesem abzuverlangen, im Rahmen des Prüfungsverfahrens seinen Anspruch nicht nur zu behaupten, sondern im zumutbaren Umfang auch Urkunden und Belege vorzulegen, die ihn als Vertragspartner des Wertpapierdienstleisters ausweisen und die von ihm getätigten Einzahlungen nachvollziehbar darstellen würden. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass die Anlegerentschädigungseinrichtung jede behauptete Anspruchsberechtigung mit unverhältnismäßigem Aufwand umfassend auf Legitimierung und Berechtigung zu prüfen hätte. Aufgrund der gänzlichen Unterlassung der Mitwirkung durch die Klägerin sei weder die angemessene Prüffrist noch die dreimonatige Zahlungsfrist abgelaufen, der eingeklagte Anspruch daher nicht fällig. Die Revision sei mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des § 23b Abs 2 WAG 1996 zur Fälligkeit und damit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung zulässig.

In ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgebung.

Die Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig .

1. Nach der hier maßgeblichen Bestimmung des § 23b Abs 2 dritter Satz WAG 1996 hat die Entschädigungseinrichtung zu gewährleisten, dass, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird, Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2 BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden.

2. In Hinblick auf die Fälligkeit der Forderung wurde bereits in den Entscheidungen 9 Ob 50/09g und 6 Ob 235/09s ausgeführt, die Feststellung der Forderung gemäß §§ 23b Abs 2 und 23c Abs 4 WAG 1996 beruht auf einer selbstständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung. Fristgerechte Anmeldungen sind jedenfalls unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen binnen der für jede Forderung jeweils neu laufenden Dreimonatsfrist auszubezahlen. Je nach Komplexität des Sachverhalts zur Feststellung der Forderung ist der Entschädigungseinrichtung daher eine angemessene Prüfungszeit zuzubilligen.

3. Sofern die Klägerin daraus ableiten will, dass die Entschädigungseinrichtung eine Mitwirkungspflicht treffe und die Informationsbeschaffung nicht gänzlich auf den jeweiligen Anleger abgewälzt werden dürfe, so verkennt sie, dass die Prüftätigkeit der Entschädigungseinrichtung schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut neben dem Verlangen des Anlegers dessen Legitimierung erst voraussetzt, diese aber nicht ersetzt. Es ist offensichtlich, dass es damit neben der Geltendmachung eines behaupteten Anspruchs eines zusätzlichen Moments bedarf, das den Anspruch des Fordernden für die Entschädigungseinrichtung als berechtigt (legitim) erkennen lässt.

Die Beklagte hebt in diesem Zusammenhang hervor, zu jeder der angemeldeten Forderungen prüfen zu müssen, welche Gesellschaft Vertragspartnerin des Anlegers war, welchen Betrag er tatsächlich investiert hat, wann und auf welches Konto er die Überweisung(en) vorgenommen hat und gegebenenfalls ob und in welchem Ausmaß der Anleger aus einem Fondsvermögen bereits Befriedigung erlangt hat. Auch kann eine Prüfung von Entschädigungsansprüchen lediglich anhand der von Anlegern bekannt gegebenen Depotnummern fehleranfällig sein. Schließlich sind gerade in Malversationsfällen auch Datenmanipulationen des Schuldners nicht ausgeschlossen, wodurch die Entschädigungseinrichtung umso mehr auf die Vorlage korrekter Unterlagen des Anlegers angewiesen ist, um eine geordnete Prüftätigkeit zu beginnen. Schon deshalb vermag auch die Unterstützungspflicht des Masseverwalters (9 Ob 50/09g) die Notwendigkeit einer Legitimierung durch den Anleger nicht zu beseitigen.

4. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend auf die Vergleichbarkeit der Regelung mit jener zur Einlagensicherung und Anlegerentschädigung nach § 93 BWG („pro Einleger/Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung“) hingewiesen. Zu dieser wurde bereits in der Entscheidung 7 Ob 98/02s ausgesprochen, § 93 Abs 2 BWG (dort idF BGBl 532/1993) solle bewirken, dass der Anspruch erst mit Legitimation, nämlich mit dem Nachweis der Person und der Berechtigung, fällig sei.

5. In welcher Form die Legitimierung stattzufinden hat, braucht in diesem Verfahren nicht näher erörtert zu werden, weil feststeht, dass die Klägerin keinerlei Maßnahmen zur Legitimierung des geltend gemachten Anspruchs gesetzt hat und vor dem weder eine Urkunde noch sonst einen Nachweis angeboten hat, der sie als Forderungsberechtigte legitimiert hätte. Dass ihre Nachweispflichten mit der Vorlage etwa des Anlegerzertifikats auch nicht überspannt worden wären, wurde bereits vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.

Mangels Ablaufs einer angemessenen Prüffrist und der dreimonatigen Zahlungsfrist haben die Vorinstanzen die Fälligkeit des Klagsanspruchs zu Recht verneint. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO wird dadurch allerdings nicht begründet.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.