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OGH vom 27.05.2004, 8Ob103/03k

OGH vom 27.05.2004, 8Ob103/03k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des Jürgen Herbert T*****, infolge Revisionsrekurses des Gläubigers Raimund N*****, vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in Mauthausen, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 37 R 77/03s-51, womit infolge Rekurses des Gemeinschuldners der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom , GZ 26 S 89/97d-47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Der Antrag des Revisionsrekurswerbers auf Kostenersatz wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen des Gemeinschuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Nach Annahme und gerichtlicher Bestätigung eines Zahlungsplanes am erklärte sich der Gemeinschuldner in der Folge zu dessen Erfüllung außerstande. Nachdem die beantragte Änderung des Zahlungsplanes von den Gläubigern nicht angenommen worden war, leitete das Erstgericht über Antrag des Schuldners mit Beschluss vom (ON 29) das Abschöpfungsverfahren ein und bestellte einen Treuhänder. Nachdem im Jahr 1998 vom Gemeinschuldner lediglich Masseforderungen getilgt worden waren, leistete er im Jahre 1999 insgesamt ATS 71.220,50 und im Jahr 2000 ATS 19.460,75 an den Treuhänder. Sowohl im Jahr 2001 als auch im Jahr 2002 erfolgten keine Zahlungen durch den Gemeinschuldner.

Mit Schreiben vom teilte der Treuhänder mit, der Schuldner sei aufgefordert worden, sich zu seiner aktuellen Einkommenssituation zu äußern. Das Arbeitsmarktservice habe mitgeteilt, dass der Gemeinschuldner mit aus dem Leistungsbezug ausgeschieden sei. Das Schreiben an den Schuldner vom sei mit dem Vermerk "Verzogen" zurückgekommen. Es werde ersucht, den Schuldner zu seiner Einkommens- und Wohnsituation zu befragen. Eine vom Erstgericht eingeholte Meldeauskunft ergab, dass der Gemeinschuldner von seiner bisherigen Anschrift an die im Kopf dieser Entscheidung ersichtliche Adresse verzogen ist.

Mit Antrag vom (ON 42) begehrte ein Gläubiger das Abschöpfungsverfahren gemäß § 211 KO vorzeitig einzustellen. Der Schuldner gehe offensichtlich keiner seinen Fähigkeiten entsprechenden unselbständigen Erwerbstätigkeit nach, sodass in den Jahren 2001 und 2002 überhaupt nichts habe abgeschöpft werden können. Es bestehe der begründete Verdacht, dass diese Vorgangsweise vom Schuldner bewusst zum Nachteil der Gläubiger angewandt werde. Es liege zweifelsfrei eine Obliegenheitsverletzung des Schuldners im Sinn des § 211 Abs 1 Z 2 KO vor. Das Erstgericht holte eine Stellungnahme des Treuhänders ein und lud den Gemeinschuldner unter Beifügung einer Gleichschrift des Gläubigerantrages mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass bei unentschuldigtem Fernbleiben von der Tagsatzung das Abschöpfungsverfahren vorzeitig eingestellt werde. Die Ladung wurde dem Gemeinschuldner unter der aus der Meldeauskunft ersichtlichen Anschrift durch Hinterlegung zugestellt (Beginn der Abholfrist ). Das Zustellstück selbst langte als nicht behoben am an das Erstgericht zurück.

Mit Beschluss vom (ON 47) stellte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren gemäß § 211 Abs 2 KO vorzeitig ein und sprach aus, dass mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses die Wirksamkeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Konkursgläubiger enden. Aus dem Akt und den Berichten des Treuhänders ergebe sich, dass seit dem zweiten Halbjahr 2000 keine Beträge mehr beim Treuhänder eingegangen seien. Für den Gläubiger sei die Vernachlässigung der Zahlungspflicht das Hauptindiz für die Obliegenheitsverletzung gemäß § 210 Abs 1 Z 1 KO. Der Antrag des Gläubigers sei daher berechtigt. Der Schuldner sei trotz ausgewiesener Ladung zu seiner für den anberaumten Einvernahme nicht erschienen; eine Erklärung über eine Verhinderung liege nicht vor. Komme der ordnungsgemäß geladene Schuldner ohne genügende Entschuldigung nicht zu seiner Einvernahme, sei das Abschöpfungsverfahren gemäß § 211 Abs 2 KO vorzeitig einzustellen.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Beschluss dem dagegen erhobenen Rekurs des Gemeinschuldners Folge und wies den Antrag des Gläubigers auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Antrag des Gläubigers auf vorzeitige Einstellung des Konkursverfahrens könne gemäß § 211 Abs 1 KO nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem ihm die Obliegenheitsverletzung bekannt geworden ist. Die letzte Ausschüttung an die Konkursgläubiger sei im Juli 2000 erfolgt. Die nächstfolgende Auszahlung wäre für Jänner 2001 zu erwarten gewesen. Daher habe ab diesem Datum für den Gläubiger eine Nachforschungspflicht bestanden. Spätestens mit Ausbleiben der Ausschüttung im Juli 2001 sei dem Konkursgläubiger die von ihm nun geltend gemachte Obliegenheitsverletzung des Schuldners im Sinn des § 211 Abs 1 Z 2 KO "bekannt geworden". Das bedeute, dass ab diesem Zeitpunkt die Jahresfrist für die Antragstellung zu laufen begonnen habe. Der am gestellte Antrag auf vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens sei daher verfristet. Auch für eine Einstellung nach § 211 Abs 2 KO wegen Nichterscheinens des ordnungsgemäß geladenen Schuldners sei jedenfalls ein fristgerechter Antrag des Konkursgläubigers Voraussetzung, sodass der Antrag des Gläubigers auch in diesem Fall als verspätet abzuweisen sei.

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Gläubigers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 211 Abs 1 Z 2 KO hat das Gericht auf Antrag eines Konkursgläubigers das Abschöpfungsverfahren vorzeitig einzustellen, wenn der Schuldner eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Konkursgläubiger beeinträchtigt. Dies gilt nur dann nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft. Zu den vom Schuldner zu beobachtenden Obliegenheiten zählt gemäß § 210 Abs 1 Z 1 KO jene, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder, wenn der Schuldner ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen. Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung 8 Ob 275/00z ausgesprochen hat, ist die Vernachlässigung der Zahlungspflicht für den Gläubiger das Hauptindiz für die Obliegenheitsverletzung gemäß § 210 Abs 1 Z 1 KO. Dieser Entscheidung kann aber - entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht - nicht entnommen werden, dass in jedem Falle die dem Gläubiger für die Antragstellung offenstehende Jahresfrist des § 211 Abs 1 letzter Absatz KO ab Kenntnis der Nichtzahlung zu laufen beginne. In der genannten Entscheidung wurde lediglich ausgeführt, dass der Antrag, gerechnet von diesem Zeitpunkt, jedenfalls rechtzeitig sei und es keiner weiteren Erhebungen darüber bedürfe, wann der Gläubiger zudem von einer Verurteilung des Schuldners zu einer Haftstrafe erfahren habe. Die vom Rekursgericht daraus gezogene weitergehende Schlussfolgerung muss schon daran scheitern, dass die Obliegenheitsverletzung des Unterlassens angemessener Erwerbstätigkeit oder des Bemühens um Erlangung einer Beschäftigung einen Dauertatbestand darstellt, der erst mit Beendigung des verpönten Verhaltens abgeschlossen ist. Ebenso wie etwa zu § 26 Z 2 AngG ausgesprochen wurde, dass der dem Dienstnehmer zustehende Austrittsgrund solange perpetuiert sei, als der Entgeltrückstand besteht (RIS-Justiz RS0028967), ist auch im hier zu beurteilenden Fall die Möglichkeit der Verfristung des Antragsrechts während weiter bestehender Obliegenheitsverletzung zu verneinen. Dass die nach dem Akteninhalt ausreichend bescheinigte Obliegenheitsverletzung (vgl 8 Ob 275/00z) außerhalb der Jahresfrist vor Antragstellung beendet gewesen wäre, ist nicht hervorgekommen, sodass der Antrag des Gläubigers als rechtzeitig gestellt anzusehen ist.

Da auch die Zulässigkeit des Antrages nicht zweifelhaft sein kann, kommt es entscheidend auf das Vorliegen des vom Erstgericht herangezogenen Einstellungsgrundes des § 211 Abs 2 KO an, nämlich, dass der ordnungsgemäß geladene Schuldner ohne genügende Entschuldigung nicht zu seiner Einvernahme erschienen sei. Zur Ordnungsgemäßheit der Ladung hat der Schuldner in seinem Rechtsmittel am (ON 48) ausgeführt, dass er sich seit etwa Mitte Jänner regelmäßig bei seiner Großmutter aufhalte und seit diesem Zeitpunkt einmal monatlich in seine Wohnung zurückkehre. Die Großmutter sei im Jänner dieses Jahres schwer gestürzt und lebe er seither bei ihr, um sie zu unterstützen, da sie die wesentlichsten Dinge des Alltags nicht verrichten könne. Diese Ausführungen zu Tatsachen, die jederzeit von Amts wegen wahrzunehmende Umstände betreffen, verstoßen nicht gegen das Neuerungsverbot (WoBl 2002/51; § 176 Abs 2 KO) und sind daher vom Rekursgericht zu berücksichtigen. In Anbetracht dieser Ausführungen und des relevanten Zustellzeitpunktes liegen derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, die Abgabestelle wäre nicht an der Zustelladresse gelegen (vgl 1 Ob 23/97g; RIS-Justiz RS0083647), in welchem Fall in Anbetracht der Bestimmung des § 210 Abs 1 Z 3 KO im Zusammenhalt mit § 8 ZustG die nach § 17 ZustG vorgenommene Hinterlegung an der bisherigen Abgabestelle jedenfalls wirksam wäre (4 Ob 174/01v), und es der Verfahrensergänzung nicht bedürfte. Wurde an der Abgabestelle zugestellt, ist die Ersatzzustellung durch Hinterlegung aber jedenfalls dann unwirksam, wenn der Empfänger ortsabwesend war (RIS-Justiz RS0036591). Das Rekursgericht wird daher durch geeignete Erhebungen festzustellen haben, ob der Zustellversuch an einer Abgabestelle im Sinn des § 4 ZustG erfolgte und bejahendenfalls, ob der Gemeinschuldner im Sinne der dargestellten Rechtsprechung von dieser Abgabestelle im relevanten Ausmaß abwesend war.

Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben.

Der Antrag des Revisionsrekurswerbers auf Kostenzuspruch konnte schon jetzt zurückgewiesen werden, weil im Konkursverfahren gemäß § 173 Abs 1 KO Kostenersatz auch bei einem erfolgreichen Rechtsmittel ausgeschlossen ist.