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VfGH vom 02.12.2004, B1843/02

VfGH vom 02.12.2004, B1843/02

Sammlungsnummer

17390

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung aufgrund der verfehlten Annahme der weiteren Anwendbarkeit einer bereits vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Schwellenwertregelung; Vorliegen eines offenkundigen Redaktionsfehlers bei Bezeichnung der verbindlich zu erklärenden Fassung des Bundesvergabegesetzes 1997 in der Übergangsbestimmung des Bundesvergabegesetzes 2002; verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich der Einbeziehung der Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt bei Beurteilung der anzuwendenden Rechtslage geboten

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten zuhanden ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Abwasserverband Wörthersee-West hat (gemeinsam mit der Gemeinde Velden) in einem offenen Vergabeverfahren die Errichtung einer Abwasserbeseitigungsanlage ausgeschrieben; die Ausschreibung umfasste unter anderem die Erbringung sämtlicher Baumeister- und Professionistenarbeiten zur Errichtung der Kanalisationsanlage.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat sich an dieser Ausschreibung beteiligt und ein Angebot gelegt, das in weiterer Folge an dritter Stelle gereiht wurde. Schließlich wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft mitgeteilt, dass vorgesehen sei, den Zuschlag betreffend das Bauvorhaben an eine Mitbieterin zu erteilen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte daraufhin beim Bundesvergabeamt (BVA) die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 1997 (BVergG) mit dem Begehren, die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären, in eventu festzustellen, dass wegen eines Rechtsverstoßes der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Weiters wurde die Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrt.

Mit Bescheid vom wies das BVA sämtliche Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft "wegen Unzuständigkeit" zurück und begründete dies wie folgt:

"Zur maßgeblichen Rechtslage

Gemäß § 188 Abs 6 Z 3 Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG 2002), BGBl. I Nr. 99/2002, tritt das BVergG 1997, außer Kraft. Gemäß § 188 Abs 1 BVergG 2002 gilt es für die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits eingeleiteten Vergabeverfahren nicht.

Aus diesen Anordnungen scheint sich zu ergeben, dass solche Vergabeverfahren keinen Regelungen mehr unterliegen. Dieses Ergebnis kann dem Gesetzgeber vernünftigerweise nicht unterstellt werden. §§188 Abs 6 Z 3 und Abs 1 BVergG 2002 implizieren daher eine analoge Anwendung von § 188 Abs 3 Satz 1 BVergG 2002, sodass das BVergG 1997, BGBl I Nr. 56/1997 in der Fassung BGBl I Nr. 136/2001 zur Anwendung gelangt (siehe auch Latzenhofer, BVergG 2002, In-Kraft-Treten des Rechtsschutzsystems ZVB 2002/97).

Hinsichtlich der Behördenorganisation stellt jedoch § 188 Abs 5 klar, dass das Bundesvergabeamt in seiner Form nach dem BVergG 1997 zu bestehen aufgehört hat. Das Bundesvergabeamt nach den Bestimmungen des BVergG 2002 ist daher zuständig. Es ist daher diesbezüglich das 1. Hauptstück des 5. Teiles des BVergG 2002 anzuwenden.

...

Der geschätzte Auftragswert von BA 19 übersteigt den Schwellenwert des § 6 Abs 1 BVergG 1997 nicht. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes daher nicht gegeben.

Zu prüfen ist, ob BA 19 und BA 20 zusammen zu rechnen sind.

Nach § 2 Abs 1 gilt das Bundesvergabegesetz 1997 für entgeltliche Bauaufträge deren Vertragsgegenstand

1) Die Ausführung oder die gleichzeitige Ausführung und Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der im Anhang I genannten Tätigkeiten oder

2) die Ausführung eines Bauwerkes, wobei als Bauwerk das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- und Hochbauarbeiten gilt, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, oder

3) die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen, gleichgültig mit welchen Mitteln dies erfolgt, ist.

Bei den Bauvorhaben von BA 19 und BA 20 handelt es sich um jeweils getrennt funktionsfähige Teile der Abwasserbeseitigungsanlage.

Zur Unterscheidung von 'Bauvorhaben' (§2 Abs 1 Z 1 Bundesvergabegesetz) und 'Bauwerk' (§2 Abs 1 Z 2 Bundesvergabegesetz), siehe insbesondere die EBzRV 323 BlgNR XX. GP 75. Demnach ist das 'Bauvorhaben' der weitere Begriff, da er neben der Erstellung eines 'Bauwerks' (als das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- und Hochbauarbeiten, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllt) auch andere Bauleistungen erfasst, wie z. B. die Revitalisierung von Gebäuden, Umbauten, Instandsetzung und Reparaturen (Haid/Hauck/K. Preslmayer, Handbuch des Vergaberechts (2002) 48, FN 201).

Wie bereits oben festgestellt, stehen sie in keinem technischen oder funktionalen Zusammenhang. Aus diesem Grund ist allerdings auch davon auszugehen, dass es sich bei den beiden Bauabschnitten um getrennte Bauwerke im Sinne des § 2 BVergG 1997 handelt. Dafür sprechen auch getrennte wasserrechtliche Bewilligungsverfahren, eigenständige Planungen und eine fehlende technische Vernetzung. Darüber hinaus wurde BA 20 bereits ein Jahr vor dem gegenständlichen BA 19 ausgeschrieben und begonnen. BA 19 stellt daher ein selbständiges Bauwerk im Sinne von § 2 BVergG 1997 dar.

Das Bundesvergabeamt hat ausgesprochen, dass die Abwasserbeseitigungsanlagen eines Gesamtkonzeptes auch bei Vorhandensein einer gemeinsamen Kläranlage nicht als Baulos sondern als gesondertes Bauwerk anzusehen sind. Der Begriff des Bauabschnittes entspricht daher nicht dem Begriff des Bauloses im Sinne des Bundesvergabegesetzes (Fruhmann/Gölles/Grussmann/Huber/Pachner, Bundesvergabegesetz², E 1 zu § 6).

Der Vergabekontrollsenat des Landes Vorarlberg hat ausgesprochen, dass die einzelnen Bauabschnitte eines gesamten Kanalisationsnetzes einer Gemeinde, die über einen längeren Zeitraum hinweg jeweils getrennt realisiert werden, als eigenes Bauvorhaben anzusehen sind (Fruhmann/Gölles/Grussmann/Huber/Pachner, Bundesvergabegesetz², E 2 zu § 6).

Der Abwasserverband verfügt über eine auf 15 Jahre angelegte Planung für die Errichtung von Kanälen im gesamten Verbandsgebiet. Dieses Vorhaben ist auf 39 Bauabschnitte aufgeteilt. Diese stellen für sich selbstständig funktionsfähige Bauwerke dar. Ein Zusammenhang besteht in technischer Hinsicht nur insofern, als sie in die selbe Kläranlage münden. Im Lichte der zitierten Entscheidungen reicht dieser Umstand alleine nicht hin, eine Zusammenrechnung aller Bauabschnitte zu begründen.

In diesem Sinne sind auch BA 19 und BA 20 nicht als einheitliches Bauwerk zu betrachten. BA 19 stellt auch im Lichte der zitierten Judikatur ein eigenständiges Bauwerk dar. Der Schwellenwert des § 6 Abs 1 BVergG 1997 wird daher nicht erreicht, das BVergG 1997 nicht anwendbar. Das Bundesvergabeamt ist somit zur Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens auf Grundlage des BVergG 1997 nicht zuständig. (Spruchpunkte 1. und 2.) Da die Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens voraus setzt, ist es auch dafür nicht zuständig (Spruchpunkt 3.). Daher waren [die] im Spruch genannten Anträge zurückzuweisen."

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde begehrt. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat auf die Gegenschrift repliziert.

Der dem Verfahren als mitbeteiligte Partei beigezogene auftraggebende Abwasserverband hat eine Äußerung erstattet, in der er ebenfalls den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Die beschwerdeführende Gesellschaft vertritt in ihrer Beschwerde zunächst die Ansicht, dass die vom Abwasserverband ausgeschriebenen Bauabschnitte Baulose iSd § 6 Abs 2 BVergG 1997 darstellen würden, deren jeweils geschätzte Auftragswerte zusammenzurechnen seien. Es handle sich um ein zusammenhängendes Bauwerk, da ein Kanalabschnitt ohne den anderen nicht verwendbar sei.

Weiters führt die beschwerdeführende Gesellschaft Folgendes aus:

"Die belangte Behörde übersieht offensichtlich, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G351/01 ua, die Wortfolge 'dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens EUR 5 Mio beträgt' in § 6 Abs 1 BVergG 1997 idF BGBl I 80/1999 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen hat, dass die aufgehobenen Bestimmungen mit Ablauf des außer Kraft, frühere gesetzliche Bestimmungen jedoch nicht wieder in Wirksamkeit treten. Dieses Erkenntnis wurde vom Bundeskanzler mit BGBl I 61/2002 am kundgemacht.

Daraus folgt, dass ab dem das BVergG 1997 idF BGBl I 136/2001 für die Vergabe von Bauaufträgen ungeachtet des geschätzten Auftragswertes, einschließlich seines 4. Teiles über den Rechtsschutz anzuwenden ist.

Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass trotz des Wortlautes in § 188 Abs 6 Z 3 BVergG 2002 das BVergG 1997 auf jene Vergabeverfahren, bei denen die erste außenwirksame Handlung durch den Auftraggeber vor dem gesetzt wurde (vgl EB zu § 188 des AB NR 1118 dB XXI. GP), das BVergG 1997 anzuwenden ist. Dies ergibt sich insbesondere aus § 188 Abs 1 BVergG 2002, der - wie die belange Behörde zutreffend argumentiert - eine analoge Anwendung von § 188 Abs 3 Satz 1 BVergG 2002 nahelegt und jedenfalls bei richtlinienkonforme[r] Interpretation des Gesetzes nur den Schluss zulässt, dass der Gesetzgeber auch für die vor dem eingeleiteten Vergabeverfahren, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht beim BVA anhängig waren, keinen gesetzlosen Zustand schaffen wollte, sondern das BVergG 1997, BGBl I 56/1997 idF BGBl I 136/2001, zur Anwendung bringen wollte.

...

Der angefochtene Bescheid datiert vom . Nach der Judikatur des VfGH (VfSlg 1770/1949, 2136/1951, 2792/1955 uva) hat die Behörde die Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung anzuwenden. Im Entscheidungszeitpunkt bestand für Bauaufträge nach dem BVergG 1997 keine Schwellenwertregelung mehr.

Indem die belangte Behörde eine Sachentscheidung verweigerte, verletzte sie das gemäß Art 83 Abs 2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter.

Der VfGH bezieht in ständiger Judikatur dieses Grundrecht auf den Schutz der behördlichen Zuständigkeitsverteilung schlechthin und versteht unter dem 'gesetzlichen Richter' auch jede zuständige Verwaltungsbehörde (VfSlg 57/1920, 76/1921 uva). Mehrfach hat der VfGH bereits Bescheide der belangten Behörde wegen Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes aufgehoben ( uva).

Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt das Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise die Zuständigkeit ablehnt und damit eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 12.768/1991 ua). Geht man davon aus, dass das durch die §§135 ff BVergG 2002 eingerichtete Bundesvergabeamt zur Nichtigerklärung von rechtswidrigen Entscheidungen der zu vergebenden Stelle des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen bis zur Zuschlagserteilung gemäß § 113 Abs 2 BVergG 1997 (bzw nach Zuschlagserteilung oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens zur Feststellung nach § 113 Abs 3 BVergG 1997) zuständig ist, hätte die belangte Behörde vor dem Hintergrund der durch das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Rechtslage [des] BVergG 1997 seine Zuständigkeit ungeachtet ihrer Feststellungen zum geschätzten Auftragswert des streitgegenständlichen Bauvorhabens (Bauabschnittes) wahrnehmen und eine Sachentscheidung treffen müssen."

Nach Ansicht der beschwerdeführenden Gesellschaft habe das BVA - wie sie näher ausführt - auch in unrichtiger Zusammensetzung entschieden.

4. In ihrer Gegenschrift verteidigt das BVA die Zurückweisung der Anträge. Es verweist darauf,

"dass § 188 Abs 3 erster Satz BVergG 2002 anordnet, dass das BVergG 1997 BGBl. I Nr. 56/1997 idF. BGBl. I Nr. 136/2001 anzuwenden ist. Das BVergG 1997 ist daher in einer genau bestimmten Fassung anwendbar. Die Übergangsbestimmung unterscheidet sich von Übergangsbestimmungen in anderen Gesetzen wie z.B. § 52 Abs 2 Kraftfahrliniengesetz, BGBl. I Nr. 203/1999 idF BGBl. I Nr. 77/2002 oder § 20 Abs 2 Gelegenheitsverkehrgesetz, BGBl. 112/1996 idF BGBl. I Nr. 32/2002, die lediglich auf die vor Inkrafttreten des jeweiligen Gesetzes geltende Rechtslage abstellen oder die Fortführung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens anhängiger Verfahren nach einem bestimmten, außer Kraft tretenden Gesetz anordnen.

Bei der Anordnung des § 188 Abs 3 erster Satz BVergG 2002 handelt es sich somit um eine statische Verweisung (in diesem Sinne z. B. ; VfSlg. 10.749).

Es wäre dem Gesetzgeber leicht möglich gewesen, das in BGBl. I Nr. 61/2002 veröffentlichte Erkenntnis in § 188 Abs 3 BVergG 2002 zu berücksichtigen. BGBl. I Nr. 61/2002 wurde am ausgegeben. An diesem Tag langte die Regierungsvorlage für das BVergG 2002 im Nationalrat ein. Am wurde dieser Gesetzesvorschlag im Verfassungsausschuss des Nationalrates behandelt. Am nahm der Nationalrat den Gesetzesvorschlag für das BVergG 2002 in dritter Lesung an. Am wurde das BVergG 2002 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Die Regierungsvorlage für ein BVergG 2002 wurde im Zuge der Behandlung im Verfassungsausschuss in etlichen Punkten abgeändert. Wäre es Wille des Gesetzgebers gewesen, das mit BGBl. I Nr. 61/2002 kundgemachte Erkenntnis zu berücksichtigen, wäre dazu im Zuge der parlamentarischen Behandlung der Regierungsvorlage ausreichend Gelegenheit gewesen. Die Materialien enthalten zu dieser Frage keine Aussage.

Abgesehen davon, dass für den Gesetzgeber diese Möglichkeit gegeben gewesen wäre, kommt er mit der vorliegenden Regelung seiner Verpflichtung nach Art 140 Abs 7 B-VG insofern nach, als das BVergG 1997 in seiner bis zum geltenden Fassung auf alle bis zu diesem Zeitpunkt verwirklichten Sachverhalte anzuwenden ist.

...

Das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G351-355/01-10, sah für das Außerkrafttreten der mit diesem Erkenntnis aufgehobenen Bestimmungen, ua. einer für die Beurteilung des dem gegenständlichen Bescheid zu Grund liegenden verfahrenseinleitenden Antrages relevanten Wortfolge in § 6 Abs 1 BVergG 1997, den Ablauf des vor. Daraus folgt, dass die aufgehobenen Bestimmungen nach Art 140 Abs 7 B-VG bis zum Ablauf des auf alle bis dahin verwirklichten Sachverhalte anzuwenden waren. Da auch das vorliegende Vergabeverfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde, sind die aufgehobenen Bestimmungen gemäß Art 140 Abs 7 B-VG darauf anzuwenden.

Der verfahrenseinleitende Nachprüfungsantrag ist daher auf Grundlage des Bundesvergabegesetzes 1997 - BVergG, BGBl I Nr. 56/1997 idF BGBl. I Nr. 136/2001 zu beurteilen. Das Bundesvergabeamt ist nach dieser Rechtslage erst bei Überschreiten des in § 6 Abs 1 BVergG 1997 genannten Schwellenwertes zuständig (dazu Katary, Das Bundesvergabeamt nach dem ; ZVB 2003/2). Daher ist das Bundesvergabeamt zur Entscheidung über den dem angefochtenen Bescheid zu Grund[e] liegenden Antrag unzuständig und der Antrag war abzuweisen."

Zum Vorwurf, das BVA hätte unzulässigerweise durch den Senatsvorsitzenden alleine entschieden, vertritt die belangte Behörde die Ansicht, dass das Bundesvergabeamt in seiner Zusammensetzung nach dem BVergG 1997 seit dem nicht mehr existiere und folglich seit diesem Zeitpunkt auch nicht mehr entscheiden könne.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. a) Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

b) Mit Art 2 des Bundesgesetzes BGBl. I 99/2002 hat der Bundesgesetzgeber ein neues Bundesvergabegesetz (BVergG 2002) erlassen, welches das bis dahin geltende BVergG 1997 ersetzen sollte. Das BVergG 2002 trat gemäß § 188 Abs 6 Z 1 BVergG 2002 mit in Kraft, gleichzeitig trat gemäß Z 3 leg. cit. das BVergG 1997 außer Kraft. Am beim BVA anhängige Verfahren sollten aber nach den Bestimmungen des "BVergG 1997, BGBl. I Nr. 56, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001" fortgeführt werden (§188 Abs 3 erster Satz BVergG 2002). Der unter der Überschrift "In-Kraft-Tretens-, Außer-Kraft-Tretens- und Übergangsvorschriften" stehende und mit in Kraft getretene § 188 Abs 3 BVergG 2002 bestimmt im Einzelnen Folgendes:

"§188. (1) Für die im Zeitpunkt des jeweiligen In-Kraft-Tretens des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren gilt dieses Bundesgesetz nicht.

(2) Die Verordnung der Bundesregierung, mit der die ÖNORM-EN 45 503 für Bescheinigungen im Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes 1997 für verbindlich erklärt wird (Bescheinigungsverordnung), BGBl. II Nr. 251/1997, gilt als Verbindlicherklärung im Sinne des § 179 Abs 4 dieses Bundesgesetzes.

(3) Am beim Bundesvergabeamt anhängige Verfahren sind vom Bundesvergabeamt nach den Bestimmungen des BVergG 1997, BGBl. I Nr. 56, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, fortzuführen. Wird in Verfahren, die nach dem vom Bundesvergabeamt nach den Bestimmungen des BVergG 1997, BGBl. I Nr. 56, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, fortzuführen sind, das Verfahren ausgesetzt oder gemäß § 38a AVG ein Antrag auf Fällung einer Vorabentscheidung gestellt, so sind diese Verfahren vom Bundesvergabeamt nach Entscheidung der Vorfrage bzw. nach Einlangen der Vorabentscheidung nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes fortzuführen. Nach einer Aufhebung eines Bescheides des Bundesvergabeamtes durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof, die nicht vor dem erfolgt, ist das Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes fortzuführen. Am beim Bundesvergabeamt anhängige, jedoch ausgesetzte Verfahren oder Verfahren, in denen gemäß § 38a AVG ein Antrag auf Fällung einer Vorabentscheidung gestellt wurde, diese aber bis zum noch nicht eingelangt ist, sind vom Bundesvergabeamt nach Entscheidung der Vorfrage bzw. nach Einlangen der Vorabentscheidung nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes fortzuführen. Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes für den Bereich eines Landes bei der Vergabekontrollbehörde dieses Landes anhängige Verfahren sind von dieser nach den Bestimmungen des gemäß Art 151 Abs 27 B-VG zu einem Bundesgesetz gewordenen Landesgesetzes fortzuführen. Im Übrigen gilt für diese Verfahren im Falle der Aussetzung des Verfahrens, des Stellens eines Antrages auf Fällung einer Vorabentscheidung oder einer Aufhebung eines Bescheides einer Vergabekontrollbehörde eines Landes durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof sinngemäß Gleiches wie für Verfahren vor dem Bundesvergabeamt.

(4) Die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bereits erfolgten Bestellungen des Vorsitzenden, der stellvertretenden Vorsitzenden und der sonstigen Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Bundes-Vergabekontrollkommission nach den Bestimmungen des BVergG 1997, BGBl. I Nr. 56/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, gelten als Bestellungen gemäß diesem Bundesgesetz.

(5) Die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bereits erfolgten Bestellungen der Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Bundesvergabeamtes mit Ausnahme der Bestellung des Vorsitzenden, des stellvertretenden Vorsitzenden sowie der senatsvorsitzenden Richter, nach den Bestimmungen des BVergG 1997, BGBl. I Nr. 56/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, gelten als Bestellungen des Bundesvergabeamtes gemäß diesem Bundesgesetz.

(6) Für das In-Kraft-Treten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2002 neu gefassten Bestimmungen und für das Außer-Kraft-Treten der durch dasselbe Bundesgesetz aufgehobenen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gilt Folgendes:

1. Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft.

2. (Verfassungsbestimmung) Die §§135 Abs 3, 139 Abs 1 und 140 Abs 2 treten mit in Kraft.

3. Zugleich mit dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes tritt das BVergG 1997, BGBl. I Nr. 56/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, außer Kraft.

4. (Verfassungsbestimmung) Zugleich mit dem In-Kraft-Treten der in Z 2 genannten Bestimmungen treten die §§11 Abs 1 Z 3 und 5, 99 Abs 2 und 101 Abs 1 des BVergG 1997, BGBl. I Nr. 56/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001, außer Kraft.

(7) ..."

Das von der mitbeteiligten Partei durchgeführte und im vorliegenden Fall zur Prüfung beim BVA anhängige Vergabeverfahren wurde (unstrittig) vor dem bekannt gemacht. Der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Nachprüfungsantrag datiert vom . Unter (analoger) Anwendung des § 188 Abs 3 erster Satz BVergG 2002 ist das nach den Bestimmungen des BVergG 2002 organisierte BVA zur Auffassung gelangt, dass das vorliegende Nachprüfungsverfahren - wie Verfahren, die bereits am anhängig waren - nach den Bestimmungen des BVergG 1997 zu führen sei: Der Verfassungsgerichtshof sieht sich zunächst nicht veranlasst, dieser (gemeinschafts- und verfassungskonformen) Auslegung des BVA entgegen zu treten (vgl. auch ).

Im Hinblick auf das BVergG 1997 hat der Verfassungsgerichtshof aber bereits wiederholt die Auffassung vertreten, dass es einer sachlichen Rechtfertigung entbehrt, vergabeverfahrensrechtliche Regelungen nur für den Bereich oberhalb der gemeinschaftsrechtlich relevanten Schwellenwerte vorzusehen bzw. nur für diesen Bereich vergabespezifische Rechtsschutzinstrumentarien zugänglich zu machen (vgl. etwa VfSlg. 16.315/2001 ua). In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 16.445/2002 mehrere Wortfolgen - darunter die auch im vorliegenden Fall maßgebliche Wortfolge "dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 5 Millionen Euro beträgt" in § 6 Abs 1 BVergG 1997, BGBl. I 80/1999, - als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung wurde mit BGBl. I 61/2002 (ausgegeben am ) kundgemacht; sie trat mit Ablauf des in Kraft.

Die Übergangsbestimmung des § 188 Abs 3 BVergG 2002 nimmt auf die mit BGBl. I 61/2002 bereits erfolgte Aufhebung von Bestimmungen des BVergG 1997 nicht Bezug. Dies scheint darauf zurückzuführen zu sein, dass gerade am Tag der Kundmachung der Aufhebung mit BGBl. I 61/2002 () die Regierungsvorlage für das BVergG 2002 im Nationalrat einlangte. Dass man im Gesetzgebungsprozess offenkundig die Richtigstellung der zuletzt gültigen Fassung des BVergG 1997 verabsäumte - es sich bei der Bezeichnung der verbindlich zu erklärenden Fassung des BVergG 1997 sohin um einen Redaktionsfehler handelt -, erweist sich auch anhand der Bestimmung des § 188 Abs 6 Z 3 BVergG 2002: Dieser zufolge soll zugleich mit dem In-Kraft-Treten des BVergG 2002 das BVergG 1997 (ebenfalls) "in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2001" außer Kraft treten. Der Gesetzgeber schien davon auszugehen, dass die Fassung BGBl. I 136/2001 die letztgültige Fassung des BVergG 1997 vor In-Kraft-Treten des (neuen) BVergG 2002 darstellen würde. Den Materialien (AB 1118 BlgNR XXI. GP) lässt sich demgegenüber kein Hinweis darauf entnehmen, dass für ab anhängige Verfahren bereits als verfassungswidrig erkannte Schwellenwerte über das vom Verfassungsgerichtshof angeordnete Außer-Kraft-Tretensdatum () hinaus neuerlich verbindlich erklärt werden sollten. Eine solche Anordnung durch den einfachen Gesetzgeber wäre auch verfassungswidrig. Schon in verfassungskonformer Interpretation des § 188 Abs 3 BVergG 2002 und eingedenk des Umstands, dass eine Behörde ihre Zuständigkeit stets im Entscheidungszeitpunkt zu beurteilen hat, hätte das BVA aus diesem Grund eine meritorische Entscheidung über die Nachprüfungsanträge nicht verweigern dürfen. Durch die Zurückweisung der Anträge hat das BVA eine ihm gesetzlich eingeräumte Zuständigkeit nicht angenommen und dadurch die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid war daher schon aus diesen Gründen aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Diese Entscheidung konnte in Anwendung des § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden. Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.