OGH 01.02.2011, 10Ob6/11x
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen A*****, geboren am , und der minderjährigen A*****, geboren am , beide vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsvertretung für die Bezirke 3 und 11, 1030 Wien, Karl-Borromäus-Platz 3), wegen Unterhaltsvorschuss, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 581/10s, 43 R 582/10x-36, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 9 PU 122/10g-11 und -12, teilweise abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gewährte mit Beschlüssen vom (ON 11 und 12) den Minderjährigen die beantragten Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von 105,40 EUR monatlich für die Zeit vom 1. 6. 2010 bis .
Das vom Bund angerufene Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass die Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom 1. 7. 2010 bis gewährt wurden und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen erhob der Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, einen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs, den das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage.
Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts beim Erstgericht einzubringenden - Antrag an das Rekursgericht stellen (Zulassungsvorstellung), den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Die Zulassungsvorstellung, die mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum der ordentliche Revisionsrekurs - entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts - für zulässig erachtet wird.
Da Unterhaltsansprüche gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten sind, übersteigt im vorliegenden Fall der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, nicht 30.000 EUR. Das Rechtsmittel des Bundes wäre demnach nicht dem Obersten Gerichtshof - auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird -, sondern vielmehr dem Rekursgericht vorzulegen gewesen; dies wird nunmehr das Erstgericht nachzuholen haben. Ob der darin (nicht ausdrücklich) gestellte Antrag auf Zulassung des Revisionsrekurses den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (vgl jüngst 10 Ob 76/10i und 10 Ob 78/10h mwN).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen A*****, geboren am , und der minderjährigen A*****, geboren am , beide vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsvertretung für die Bezirke 3 und 11, 1030 Wien, Karl-Borromäus-Platz 3), wegen Unterhaltsvorschuss, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 581/10s, 43 R 582/10x-36, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 9 PU 122/10g-11 und -12, teilweise abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekus wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Unterhaltsvorschussanträge der beiden Minderjährigen abgewiesen werden.
Text
Begründung:
Die Minderjährigen sind die Kinder von R***** und D*****.
Mit einstweiliger Verfügung vom verpflichtete das Erstgericht den Vater, ab bis auf weiteres längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Unterhaltsfestsetzungsantrag einen monatlichen Unterhalt von 105,40 EUR je Kind zu zahlen. Dieser Beschluss wurde dem Unterhaltsschuldner am zugestellt.
Am beantragten die Minderjährigen die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe.
Das Erstgericht gewährte mit Beschlüssen vom den Minderjährigen die Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für den Zeitraum vom bis (ON 9 und 10).
Das vom Bund angerufene Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe erst ab den zuerkannte. Über Zulassungsvorstellung des Bundes ließ es mit Beschluss vom den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil der Oberste Gerichtshof die hier gegenständliche Konstellation (zu 10 Ob 79/10f) dahin beurteilt hatte, dass die Beschlüsse der Vorinstanzen im antragsabweisenden Sinn abzuändern seien.
Der vom Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist, und auch berechtigt.
Der Jugendwohlfahrtsträger beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien „abzuweisen“ und die Auszahlung der Unterhaltsvorschüsse ab in Titelhöhe zu veranlassen. Von den übrigen Verfahrensparteien wurden keine Revisionsrekursbeantwortungen erstattet.
Der Revisionsrekurswerber begehrt die Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Unterhaltsvorschussantrags. Er macht geltend, dass das Datum der Entscheidung erster Instanz der maßgebliche Stichtag für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Unterhaltsvorschusses sei. An diesem Tag () sei zwar der Unterhaltstitel bereits vollstreckbar gewesen, die weitere Voraussetzung der nicht vollständigen Leistung des laufenden Unterhalts nach Eintritt der Vollstreckbarkeit habe aber nicht vorgelegen, weil es dem Unterhaltsschuldner noch bis zum Anlauf des möglich gewesen sei, seiner Verpflichtung zur Leistung des laufenden Unterhalts nachzukommen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss hätten erst am eintreten können.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
Nach der mittlerweile vorliegenden ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (10 Ob 79/10f mwN; RIS-Justiz RS0126137) setzt die Vorschussgewährung nach § 3 Z 2 UVG idF FamRÄG 2009 voraus, dass der Unterhaltsschuldner „nach Eintritt der Vollstreckbarkeit“ den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet. Auch bei einer Unterhaltsvorschussgewährung nach § 4 Z 1 UVG ist - neben dem Vorliegen eines vollstreckbaren Unterhaltstitels - Voraussetzung, dass der Unterhaltsschuldner nach Eintritt der Vollstreckbarkeit den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet (RIS-Justiz RS0126138). Darunter ist zu verstehen, dass der dem Eintritt der Vollstreckbarkeit folgende Fälligkeitstermin erfolglos verstreichen muss, damit ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nach den §§ 3 Z 2, 4 Z 1 UVG entsteht (10 Ob 79/10f; 10 Ob 65/10x ua).
Zutreffend macht der Revisionsrekurswerber geltend, dass maßgeblicher Stichtag für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung das Datum der Entscheidung erster Instanz ist. Die Entscheidung über den Vorschussantrag ist daher auf der Sachverhaltsgrundlage zu fällen, die im Entscheidungszeitpunkt erster Instanz vorliegt (10 Ob 79/10f mwN; RIS-Justiz RS0076052 [T5]; vgl auch: 10 Ob 69/10k [zum vorläufigen Unterhalt]).
Im vorliegenden Fall ist die Vollstreckbarkeit des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses unbestritten am eingetreten. Im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz () war daher zwar der Unterhaltstitel vollstreckbar, die weitere Voraussetzung der nicht vollständigen Leistung des laufenden Unterhalts nach Eintritt der Vollstreckbarkeit war aber nicht erfüllt. Es wurde am zwar der laufende Unterhaltsbeitrag für Juli 2010 fällig (vgl § 1418 zweiter Satz ABGB), ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nach den §§ 3 Z 2, 4 Z 1 UVG entstand jedoch nach der dargelegten Rechtsprechung des erkennenden Senats erst nach erfolglosem Verstreichen dieses Fälligkeitstermins ().
Demnach konnten die Voraussetzungen für eine Unterhaltsvorschussgewährung wegen Verzugs mit der Zahlung der laufenden Unterhaltsleistung für Juli 2010 frühestens am vorliegen (10 Ob 79/10f mwN). In Stattgebung des Revisionsrekurses sind daher die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Antragsabweisung abzuändern, weil im maßgeblichen Zeitpunkt nicht alle Voraussetzungen für die begehrte Vorschussgewährung erfüllt waren.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2011:0100OB00006.11X.0201.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAD-87580