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OGH vom 23.04.2009, 8ObA11/09i

OGH vom 23.04.2009, 8ObA11/09i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sandra B*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Karl M*****, vertreten durch Dr. Stefan Prokop, Rechtsanwalt in Perchtoldsdorf, wegen 1.000 EUR sA, über die Revision (Revisionsinteresse 500 EUR) der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 85/08f-13, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 9 Cga 96/07p-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 325,25 EUR (darin enthalten 54,21 EUR an USt) an Kosten des Berufungsverfahrens und 225,07 EUR (darin enthalten 37,51 EUR an USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die 1984 geborene Klägerin entschloss sich nach Abschluss des Abiturs in Deutschland zum Geografiestudium in Wien. Sie hat bereits im Juni 1999 ein Betriebspraktikum in einem Atelier absolviert und von August 2003 bis Juli 2004 an einem freiwilligen ökologischen Praktikum in Wien teilgenommen.

Anfang des Jahres 2005 las sie eine Internetstellenausschreibung der Beklagten betreffend zwei Lehrverhältnisse für „Zimmer(er)innen" und informierte sich bei der deutschen Industrie- und Handelskammer über das Jobprofil des Lehrberufs des Zimmerers. Dabei wurde ihr bewusst, dass man ein räumliches Vorstellungsvermögen benötigt und auch schwindelfrei und wetterfest sein muss. Die Klägerin war der Meinung, dass sie diese Voraussetzungen mitbringe, da sie einmal Hochleistungssportlerin gewesen ist.

Die Internet-Stellenausschreibung lautete wie folgt:

„Beschreibung

Wir suchen für unseren Betrieb zwei Zimmer(er)innen für ein Lehrverhältnis mit einer Ausbildungsdauer von drei Jahren. Beschäftigung ab . Anforderungen: Positiver Pflichtschulabschluss, perfekte Deutschkenntnisse, Schwindelfreiheit sowie körperliche Fitness sind unbedingt erforderlich. Sehr gerne nehmen wir auch die Bewerbungen von SchulabbrecherInnen aus allgemeinen oder berufsbildenden höheren Schulen entgegen. Dienstgeber: ... Bewerbung: Schriftliche Bewerbung inklusive Lebenslauf mit Angabe der Handynummer, Foto und Zeugniskopien zu Handen Herrn Ing. S ... Bewerbungsfrist: bis ."

Als die Klägerin Anfang Februar bei der Beklagten anrief und mit Ing. S ... (im Folgenden nur „Ing. S") verbunden wurde, fragte sie ihn, ob eine freie Zimmererstelle als Lehrling vorhanden sei und ob das in Ordnung sei, wenn sie sich als Mädchen auch bewerbe. Darauf erwiderte Ing. S: „Eher nicht". Als die Klägerin nachfragte, wie das gemeint sei und ob mit „eher nicht" gemeint sei, dass generell Mädchen ausgeschlossen werden oder ob es auf das konkrete Mädchen ankomme, erwiderte Ing. S, dass gemeint sei, „dass Frauen keine Kraft haben". Es könnte auch sein, dass Ing. S vom Erfordernis der Schwindelfreiheit gesprochen hat. Die Klägerin wies ihn darauf hin, dass man das so nicht sagen könne und dass es Frauen gebe, die sehr viel Kraft hätten. Da sie die Absicht hatte, sich als Zimmerer ausbilden zu lassen, fragte sie Ing. S, ob es vielleicht einen Betrieb gebe, der Mädchen ausbilde. Ing. S sagte ihr, dass er das nicht wisse. Er teilte ihr mit, sie solle ihm ihre Telefonnummer geben.

Bei der Beklagten war die Klägerin nicht der erste weibliche Lehrling, der sich beworben hatte. Sie hatte auch einmal einen weiblichen Zimmererlehrling, der allerdings im zweiten Lehrjahr aufhörte, da ihm die Tätigkeit zu schwer war.

Ing. S hat an sich mit der Lehrlingsausbildung nichts zu tun. Die Gespräche mit den Lehrlingen führt Ing. R. Die Lehrlinge müssen bei der Beklagten einen Test machen, wobei Ing. R eine Vorauswahl trifft. Die endgültige Entscheidung obliegt einem Prokuristen. Kriterien für die Auswahl sind die fachliche Ausbildung, praktische Erfahrungen und schulische Leistungen. Körperliche Fähigkeiten wie Stärke oder dergleichen bleiben außer Betracht, weil viele Jugendliche in einem Alter die Lehre anfangen, in dem sie noch nicht ausgewachsen sind.

Das Bewerbungsschreiben der Klägerin vom wurde bereits mit Schreiben der Beklagten vom an die Klägerin abschlägig beantwortet. Ing. R lud nur sieben der Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch ein, die durchwegs bereits einschlägige Erfahrung im Sinne einer Beschäftigung mit Holz hatten, wie etwa den Abschluss eines entsprechenden polytechnischen Lehrgangs der HTL, wie überhaupt zumeist HTL-Absolventen den AHS-Absolventen vorgezogen werden. Die Klägerin kam insoweit schon bei der Vorauswahl nicht in Betracht.

Die Gleichbehandlungskommission beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen gelangte zur Auffassung, dass die Klägerin aufgrund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten diskriminiert wurde.

Die Klägerin begehrte vorweg 1.000 EUR an Schadenersatz gemäß § 12 Abs 1 GlBG. Sie stützte sich darauf, dass sie bei der Bewerbung um die Lehrstelle diskriminiert worden sei. Eine Freundin von ihr habe mittlerweile einen derartigen Lehrberuf erfolgreich ergriffen. Durch die Äußerungen von Ing. S habe sie sich vor den Kopf gestoßen gefühlt und geärgert. Sie habe sich schriftlich beworben. Im Ablehnungsschreiben sei lediglich auf die Mehrzahl der Bewerber hingewiesen worden. Daher sei anzunehmen, dass sie nur aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt worden sei. Neben dem Vermögensschaden von 500 EUR mache sie auch 500 EUR an immateriellen Schadenersatz für die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung geltend.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass sie bei den 70 Bewerbungen eine Vorauswahl habe treffen müssen und die Klägerin nur wegen der fehlenden Vor- bzw Fachkenntnisse schon bei der Vorauswahl ausgeschieden sei. Eine Absicht der Beklagten, die Klägerin zu diskriminieren, habe nie bestanden. Auch wenn die Klägerin männlichen Geschlechts gewesen wäre, hätte ihre Bewerbung keinen Erfolg gehabt.

Das Erstgericht sprach der Klägerin 500 EUR an immateriellen Schadenersatz zu und wies das auf den Vermögensschaden gestützte Mehrbegehren in Höhe von 500 EUR rechtskräftig ab. Die Beklagte habe zwar nachweisen können, dass es besser qualifizierte Bewerber gegeben habe, nämlich solche mit einschlägigen Vorkenntnissen, sodass die Klägerin auch bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle nicht erhalten hätte. Der Schaden liege aber darin, dass sie ihre Bewerbung nicht präsentieren habe können, was auf das Telefonat mit dem diskriminierenden Inhalt zurückzuführen sei. Im Vorfeld habe die Beklagte (Ing. S) ein Verhalten gesetzt, das dazu geführt habe, dass die Bewerbung der Klägerin nicht berücksichtigt worden sei. Dafür sei der Ersatzanspruch von 500 EUR angemessen.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil erhobenen Berufung der Beklagten Folge und änderte das Urteil zur Gänze im klagsabweisenden Sinne ab. Es verwies rechtlich darauf, dass der Schadenersatzanspruch für Diskriminierte, die nicht die Bestqualifizierten waren, erst mit dem neuen Gleichbehandlungsgesetz 2004 geschaffen wurde. Dieser setze aber voraus, dass die Bewerbung der Klägerin „nicht berücksichtigt" worden sei. Die schriftliche Bewerbung sei aber beim zuständigen Ing. R eingelangt und - wenngleich abschlägig - beantwortet worden. Die Vorauswahl von Ing. R sei aufgrund des vorgelegten Materials, also der Bewerbungsschreiben, Schulzeugnisse, Lebenslauf etc erfolgt. Ing. S hingegen sei in das Bewerbungsverfahren nicht eingebunden worden. Insoweit sei daher nicht davon auszugehen, dass eine Berücksichtigung der Bewerbung der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts verweigert worden sei. Vielmehr habe sie Ing. R dadurch berücksichtigt, dass er sie im Hinblick auf die einschlägigen fachlichen Erfahrungen oder Vorkenntnisse geprüft habe. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts könne daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund des Telefonats mit Ing. S ihre Bewerbung nicht habe präsentieren können. Insoweit könne auch dahingestellt bleiben, ob die Äußerungen von Ing. S isoliert betrachtet überhaupt als diskriminierend einzustufen wären.

Die Revision erachtete das Berufungsgericht wegen fehlender oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Beurteilung einer allenfalls diskriminierenden Äußerung im Vorfeld einer Bewerbung, auch wenn in der Folge die Bewerbung berücksichtigt wurde, als zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

§ 3 Z 1 GlBG untersagt unter anderem jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses (§ 3 Z 1 GlBG).

§ 12 GlBG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl I 2008/98 sieht in seinem Abs 1 folgende Regelung vor:

„Ist das Arbeitsverhältnis wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 3 Z 1 nicht begründet worden, so ist der/die Arbeitgeber/in gegenüber dem/der Stellenbewerber/in zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. Der Ersatzanspruch beträgt

1. mindestens ein Monatsentgelt, wenn der/die Stellenbewerber/in bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte, oder

2. bis 500 Euro, wenn der/die Arbeitgeber/in nachweisen kann, dass der einem/einer Stellenbewerber/in durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird."

Abs 12 dieser Bestimmung hält allgemein fest, dass vorweg die betroffene Person einen Diskriminierungstatbestand unter anderem im Sinne des § 3 GlBG glaubhaft zu machen hat und es dann der beklagten Partei obliegt, zu beweisen, dass bei Abwägung aller Umstände es wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von der beklagten Partei glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht eine unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist bzw ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs 2 GlBG vorliegt.

Die Regelung des § 12 Abs 1 GlBG, die einerseits im ersten Satz anordnet, dass der Schadenersatzanspruch dann zustehen soll, wenn wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots das Arbeitsverhältnis nicht begründet wurde, und andererseits bei der Bemessung in der Z 2 des zweiten Satzes festlegt, dass der Ersatzanspruch bis zu 500 EUR beträgt, wenn der Beklagte nachweist, dass der dem Kläger durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung der Bewerbung „verweigert wird", scheint vorweg widersprüchlich.

In der Regierungsvorlage (307 BlgNR 22. GP, 17 f), in der die Bestimmung des § 12 GlBG noch als § 20 Abs 1 im Wesentlichen wortgleich vorgesehen war, verweist der Gesetzgeber darauf, dass die Schadenersatzregelung neben dem Ersatz des materiellen Schadens auch einen immateriellen Schadenersatzanspruch umfasst, und bezieht sich hiebei auf Art 6 der geänderten Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG, wonach der Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen und ersetzt werden muss und dies auch auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen soll. Der Gesetzgeber erklärt seine Anordnungen zur Höhe der Schadenersatzanprüche mit einem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Draehmpaehl (RS C-180/95), wonach die Festsetzung einer Höchstgrenze für den Schadenersatz infolge von Diskriminierungen wegen des Geschlechts nur dann zulässig ist, wenn der Arbeitgeber beweisen kann, dass der/die Bewerber/in die zu besetzende Position wegen der besseren Qualifikation anderer Bewerber auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte.

Hilfreich für die Beurteilung gesetzlicher Regelungen über schadenersatzrechtliche Konsequenzen ist naturgemäß auch eine Analyse der im Zusammenhang stehenden Vorgaben des Gesetzgebers zu den Regelungen, bei deren Übertretung sie zum Tragen kommen. § 3 Z 1 GlBG, auf den § 12 Abs 1 Z 1 GlBG Bezug nimmt, legt das Verbot der Diskriminierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses" fest. Was nun unter „bei der Begründung" zu verstehen ist, wird nicht näher dargestellt. Regelmäßig erfolgt die Begründung eines Arbeitsverhältnisses in einem längeren Prozess, der hinsichtlich einzelner Bewerber häufig mit deren Kontaktaufnahme mit dem potentiellen Arbeitgeber nach einem entsprechenden Inserat beginnt. Die „Begründung" ist also ein zeitlich gedehnter Prozess und erfasst nicht nur die abschließende Entscheidung über den Abschluss des Arbeitsvertrags selbst, sondern auch bereits davor das Bewerbungs- und Auswahlverfahren (vgl dazu auch Rebhahn in Rebhahn, Gleichbehandlungsgesetz § 3 Rz 61). Der Gesetzgeber verbietet also mit § 3 Z 1 GlBG jedes diskriminierende Verhalten in diesem „Prozess" und qualifiziert es als rechtswidrig.

Betrachtet man nun vor diesem Hintergrund den aufgezeigten scheinbaren Widerspruch zwischen dem ersten Satz des § 12 Abs 1 GlBG und der Anordnung des Z 2 im zweiten Satz in diesem Absatz, so wird offensichtlich, dass der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzung des „Nichtbegründens" des Arbeitsverhältnisses wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots im ersten Satz offenbar weiter und nicht nur auf das Ergebnis des Arbeitsvertragsabschlusses bezogen sieht. Er will also offensichtlich auch anderem zufolge § 3 Z 1 GlBG rechtswidrigen diskriminierenden Verhalten eine schadenersatzrechtliche Konsequenz zuordnen.

Es ist weiters allgemein daran zu erinnern, dass bei Schadenersatzanprüchen zwischen dem Nachweis des rechtswidrigen Verhaltens - der Diskriminierung - selbst und dem Nachweis des konkreten beeinträchtigten Rechtsguts zu unterscheiden ist (vgl zum Vermögensschaden auch Kletecka in Rebhahn aaO § 12 Rz 17). Es wurde in der Lehre auch aufgezeigt, dass die Festlegung der Ersatzfähigkeit ideeller Schäden nicht auf europarechtlichen Vorgaben beruht (vgl Kletecka aaO Rz 20) und die Frage aufgeworfen, welches Rechtsgut hier nun eigentlich beeinträchtigt sei (Kletecka aaO Rz 22). Es stellt sich also die Frage, was unter „erlittener persönlicher Beeinträchtigung" im Sinne des ersten Satzes des § 12 Abs 1 GlBG zu verstehen ist.

Der Oberste Gerichtshof geht daher davon aus, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung dieses ideellen Ersatzanspruchs im Sinne der auch „verfahrensrechtlichen" Dimension des Diskriminierungsschutzes das insoweit damit anerkannte und auch pauschal bewertete (vgl unten) Rechtsgut schützen wollte, sich „diskriminierungsfrei" am Arbeitsmarkt zu bewerben. Geht es doch darum, dass den betroffenen Personengruppen nicht bei ihren Bewerbungen der Eindruck vermittelt werden soll, dass sie aufgrund der sie spezifisch treffenden Merkmale (Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit etc) am Arbeitsmarkt ohnehin „keine Chancen" hätten, und sie so von Bewerbungen abgehalten werden (vgl zum weiten Verständnis des Europäischen Gerichtshofs etwa Feryn).

Dieser Ersatzanspruch für die „erlittene persönliche Beeinträchtigung" nach § 12 Abs 1 erster Satz GlBG findet für Fälle, in denen der Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung der Bewerbung verweigert wurde („Verfahrensverstoß"), nach der Z 2 im zweiten Satz des § 12 Abs 1 GlBG mit 500 EUR die gemeinsame - unter Umständen denkbar wären ja allenfalls auch materielle Schäden (einschränkend Kletecka aaO Rz 33) - Höchstgrenze, wie sie dem Gesetzgeber offenbar durch die Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Draehmpaehl vorschwebte.

Zusammengefasst enthält also § 3 Z 1 GlBG die Anordnung des Verbots der Diskriminierung im Zuge des bereits auf eine konkrete Person bezogenen Einstellungsverfahrens (vgl zu der davor liegenden Ausschreibung und den dabei vorgesehenen Verwaltungsstrafsanktionen § 10 GlBG). § 12 Abs 1 erster Satz GlBG bestimmt dazu die vom Gesetzgeber für den Fall des Verstoßes gegen diese Anordnung vorgesehene Rechtsfolge von materiellen und immateriellen Schadenersatzansprüchen, und die Z 1 und 2 des zweiten Satzes des § 12 Abs 1 GlBG legen dazu dann Unter- und Obergrenzen für bestimmte Fallkonstellationen fest.

Betrachtet man im vorliegenden Fall nun die Äußerungen von Ing. S, die im Ergebnis darauf hinausgelaufen sind, dass sich Personen weiblichen Geschlechts gleich gar nicht um diese Lehrstellen bewerben sollten, so ist darin ein klarer und massiver Verstoß gegen das Gebot des diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens zu sehen. Dieser Verstoß ist der Beklagten auch zuzurechnen, da sie Ing. S ja als Ansprechpartner für die Bewerbungen im Inserat angeführt hat. Durch diese der Beklagten zuzurechnende Vorgehensweise wurde die Klägerin auch in ihrem Recht, sich diskriminierungsfrei zu bewerben, verletzt.

Dem Argument des Berufungsgerichts, dass sich hier die Klägerin ja letztlich ohnehin beworben habe und ihre Bewerbung auch einer sachlichen Überprüfung unterzogen worden sei, ist entgegenzuhalten, dass die Funktion der Z 2 im § 12 Abs 1 GlBG ja im Wesentlichen in der Beschränkung der Ersatzansprüche und nicht in der Festlegung von deren Voraussetzungen liegt. Nur mittelbar lassen sich - wie oben ausgeführt - aus den Regelungen über die Beschränkung der Ersatzansprüche auch Schlüsse auf die Vorstellungen des Gesetzgebers über deren Grundlagen und Inhalte erschließen. Gerade ausgehend von der dargestellten Zielrichtung des Diskriminierungsverbots ist auch das Stadium der Kommunikation zwischen potentiellem Bewerber und namhaft gemachtem Ansprechpartner des Arbeitgebers als relevant anzusehen. In diesem hat aber der von der Beklagten namhaft gemachte Ansprechpartner eine Berücksichtigung der Bewerbung klar verweigert. Dass sich die Klägerin danach dann trotzdem beworben hat, ändert daran nichts.

Im Hinblick darauf sind aber die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch nach den §§ 3 Z 1 und 12 Abs 1 GlBG erfüllt.

Die Höhe des Ersatzanspruchs, die in der Z 2 des § 12 Abs 1 GlBG mit 500 EUR die Grenze findet, wird im Revisionsverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen. Mit dieser „Obergrenze" hat der Gesetzgeber ja nicht festgelegt, dass kein darüber hinausgehender Schaden entstanden sein könnte, sondern nur eine Begrenzung des Ersatzanspruchs („Haftungsbeschränkung") vorgenommen. Da der Gesetzgeber wohl keinen Ersatzanspruch für ein neues Rechtsgut schaffen wollte, ohne eine objektivierbare und vergleichbare Bemessung zu ermöglichen, kann in dem Betrag von 500 EUR aber auch eine gewisse Orientierung für die Bewertung der Rechtsgutbeeinträchtigung in Fällen gesehen werden, in denen es „nur" um die „persönliche Beeinträchtigung" geht und diese nur in der Beeinträchtigung des Rechts liegt, sich diskriminierungsfrei zu bewerben. Dem entspricht der vorliegende Fall, in dem eine ernsthaft um die Erlangung des Arbeitsplatzes bemühte Bewerberin in ihrem Recht, sich diskriminierungsfrei zu bewerben, klar beeinträchtigt wurde.

In diesem Sinne war daher das Urteil des Berufungsgerichts abzuändern und das Ersturteil herzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG,§§ 50 und 41 ZPO.