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OGH vom 15.03.2007, 8Ob10/07i

OGH vom 15.03.2007, 8Ob10/07i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Kurt D*****, über den Revisionsrekurs der gesetzlichen Erbin Monika D*****, vertreten durch Thum, Weinreich, Schwarz, Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 10 R 68/06m-45, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 10 R 68/06m-47, womit über Rekurs der gesetzlichen Erbin der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom , GZ 1 A 396/05a-39, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gesetzliche Erbin ist schuldig, der Testamentserbin Marianne S*****, vertreten durch Dr. Thomas Trixner, Rechtsanwalt in St. Pölten, die mit 2.061,71 EUR (darin enthalten 343,62 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der am verstorbene kinderlose Kurt D***** war mit der Revisionsrekurswerberin in zweiter Ehe verheiratet. Er lebte seit Jahren getrennt von ihr.

Marianne S***** ist die geschiedene erste Ehefrau des Erblassers. Seit Jänner 2004 hatte der Erblasser wieder Kontakt zu seiner geschiedenen Gattin. Sie besuchte ihn auch im Herbst 2004 im Krankenhaus. Für sie überraschend übergab der Erblasser ihr damals eine von ihm handschriftlich verfasste, nicht unterfertigte letztwillige Verfügung, welche er in der Folge in ihrer Anwesenheit stehend unterfertigte und ihr mit dem Ersuchen übergab, das Testament aufzubewahren.

Die geschiedene Gattin, welche testamentarisch als Alleinerbin vorgesehen war, war angesichts der Formlosigkeit dieser letztwilligen Verfügung und der Undeutlichkeit der „hingefetzten" Unterschrift beunruhigt und erkundigte sich bei einem Notar. Dieser sah kein gravierendes Problem hinsichtlich der Gültigkeit des Testaments. Er empfahl jedoch, um späteren Anfechtungen entgegenzuwirken, eine nochmalige Unterfertigung. Dieser Empfehlung kam der Erblasser einige Zeit später, als er wieder zu Hause war, nach. Er setzte seine zweite Unterschrift in Klammer. Dieser Umstand erweckte neuerliche Zweifel bei der geschiedenen Gattin, ob das Testament gültig sei. Sie drängte den Erblasser, er möge seine letztwillige Verfügung noch einmal „schön geschrieben" verfassen. Sie selbst fügte dem Originaltestament einen Beisatz hinzu („was auch im Sinne meiner verstorbenen Eltern war"). Bei der Besitzaufzählung ergänzte sie das Flächenausmaß des Grundstückes („etwa 480 m²").

Ihrem Ansinnen, das Testament nochmals „schöner" schreiben, kam der Erblasser jedoch nicht nach. Er vertrat die Meinung, seinen letzten Willen ausreichend klar und deutlich festgehalten zu haben.

Wörtlich lautet das Testament wie folgt:

„Mein letzter Wille

Ich, endesgefertigter Kurt D***** geb, ***** wohnhaft, möchte meinen

letzten Willen bekanntgeben.

Nach meinem Ableben setze ich mein erste Gattin, Marianne S***** als Erbin ein, [was auch im Sinne meiner verst. Eltern war] (***** geb) ***** wohnhaft.

Von Monika D***** (zweite Gattin) lebe ich seit 17 Jahren getrennt. Sollte sie rein rechtlich einen Erbanspruch haben, so darf dieser das Mindestmaß nicht überschreiten und ist von der Erbin aus der Erbmasse an sie auszubezahlen.

Der Besitz besteht aus:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Haus in ***** mit Inventar
2.
Grundstücksanteil gegenüber des Hauses [etwa 480 m²]
3.
Sparbuch der Volksbank S*****.
Ich bin schuldenfrei und habe auch keine anderen finanziellen
Verpflichtungen
S*****, am ."
Diese letztwillige Unterschrift trägt die Unterschrift des Erblassers. Darunter befindet sich - wie bereits ausgeführt - die in Klammer gesetzte nochmalige Unterschrift.
Die geschiedene Gattin (in der Folge immer: Testamentserbin) gab am aufgrund der letztwilligen Verfügung vom eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Die Ehefrau (in der Folge immer: gesetzliche Erbin) gab am eine bedingte Erbsantrittserklärung ab und bestritt die Echtheit des Testamentes. Die Testamentserbin begehrt die Feststellung ihres Erbrechtes und die Abweisung der Erbantrittserklärung der gesetzlichen Erbin. Sie habe (als pensionierte Deutschlehrerin) ausschließlich aus Formgründen rechtlich nicht relevante Ergänzungen im Testament durchgeführt. Die Einfügungen würden den Sinn des Testamentes in keiner Weise ändern. Der Gerichtskommissär legte den Akt nach vergeblichem Hinwirken auf ein Anerkenntnis des Erbrechtes durch eine der Erbansprecherinnen (§ 160 AußStrG) dem Erstgericht vor.
Das Erstgericht stellte - nach Durchführung eines Beweisverfahrens - das Erbrecht der Testamentserbin gemäß § 161 Abs 1 AußStrG fest und wies die Erbantrittserklärung der gesetzlichen Erbin ab. Es erachtete rechtlich, dass die Einfügungen der Gültigkeit des Testaments nicht schadeten, weil dieses den eindeutigen Willen des Erblassers zum Ausdruck bringe.
Das Rekursgericht gab dem dagegen von der gesetzlichen Erbin erhobenen Rekurs nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu fehle, ob Beifügungen Dritter in einem Testament, die sich klar von den eigenhändigen Schriftteilen des Verstorbenen unterschieden, auf die Gültigkeit des Testaments Einfluss hätten.
Das Rekursgericht billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Der dagegen von der gesetzlichen Erbin erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 161 Abs 1 AußStrG hat das Gericht im Rahmen des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisanbote das Erbrecht der Berechtigten feststellen und die übrigen Erbantrittserklärungen abzuweisen. Darüber kann mit gesondertem Beschluss (§ 36 Abs 2 AußStrG) oder mit dem Einantwortungsbeschluss entschieden werden.

Im Unterschied zur Rechtslage nach dem AußStrG 1854 hat nun eine Erbrechtsfeststellung im Verfahren außer Streitsachen zu erfolgen. Inhalt der Entscheidung im Verfahren über das Erbrecht ist die Feststellung des Erbrechts der Berechtigten und die Abweisung jener Erbantrittserklärungen, die mit der Erbantrittserklärung des festgestellten Erbrechtsberechtigten im Widerspruch stehen. Die Wahl zwischen Vorabentscheidung des Erbrechts und Integration in den Einantwortungsbeschluss steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (Fucik/Kloiber, AußStrG § 161 Rz 7).

Zutreffend haben die Vorinstanzen die Erbantrittserklärung der gesetzlichen Erbin abgewiesen und das Erbrecht der Testamentserbin festgestellt:

Die Behauptung, der Erblasser habe das Testament nicht selbst verfasst, hat sich nicht erwiesen. Soweit im Revisionsrekurs auf den mangelnden Testierwillen des Erblassers verwiesen wird, entfernt sich die Rechtsmittelwerberin von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt.

Das Testament des Erblassers wurde von ihm eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Dass der Erblasser das Testament neuerlich (in Klammer gesetzt) unterfertigte, vermag der Gültigkeit des Testaments keinen Abbruch zu tun. Das bezweifelt auch die Revisionsrekurswerberin nicht mehr. Entgegen der Auffassung im Revisionsrekurs wird die Gültigkeit des Testamentes aber auch nicht durch die Einfügungen der Testamentserbin, und zwar um den Beisatz „was auch im Sinne meiner verstorbenen Eltern war" und um die Ergänzung des Flächenmaßes („etwa 480 m²) bei der Besitzaufzählung beeinträchtigt.

Die Entscheidung 8 Ob 283/63 (EvBl 1964/160) lässt für den Standpunkt der gesetzlichen Erbin nichts gewinnen: Dort wurde der nicht unterschriebene Nachtrag des Erblassers zu einem Kodizil für ungültig erkannt. Die Verfälschung des Kodizils, die die vermachte Summe nicht erkennen lasse, mache das Legat ungültig. Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt wesentlich dadurch, dass das Testament vom Erblasser nicht nur unterschrieben wurde, sondern sein Inhalt auch in keiner Weise verfälscht wurde. Aus dem Testament geht sein Inhalt und der Erblasserwille zweifelsfrei hervor. Es steht fest, welche Teile des Testamentstextes vom Erblasser stammen. Die von der Testamentserbin vorgenommenen nachträglichen Beifügungen schaden nicht. Andernfalls hätte es ein Dritter immer in der Hand, die Ungültigkeit eines eigenhändig ge- und unterschriebenen Testamentes durch Beifügung eines Zusatzes zu bewirken. Das entspricht auch der herrschenden Auffassung in der Lehre: Nach Weiß in Klang 3², 302 haben von einer anderen Person im Kontext geschriebene oder hinzufügte Worte oder Sätze keinen Anspruch auf Geltung als Erblasserwillen, machen aber den selbst geschriebenen Teil, soferne er noch einen vernünftigen Zusammenhang und Sinn erkennen lässt, nicht ungültig. Auch Gschnitzer (Erbrecht², 39) vertritt die Auffassung, dass mit fremder Hand geschriebene Teile in einem Testament zwar ungültig sind, jedoch eigenhändige Partien gültig bleiben, wenn sie für sich allein einen Sinn geben (ebenso Kralik Erbrecht 133). Welser in Rummel³ § 578 Rz 3 meint, dass Fälschungsversuche von fremder Hand das vom Erblasser Herstammende nicht ungültig machen. Das hat umso mehr zu gelten, wenn die Zusätze des Dritten bloße Angaben tatsächlicher Natur darstellen, die keinerlei Verfälschungen bezwecken sollen.

Es ist somit davon auszugehen, dass fremdhändige Einfügungen dem eigenhändigen Teil eines Testaments die Gültigkeit unabhängig davon nicht nehmen, ob sie mit oder ohne Wissen und Willen des Testators erfolgt sind. Der Text ist so zu lesen, als ob die fremde Schrift nicht vorhanden wäre. Ergibt der eigenhändige Text einen Sinn und ist als solcher als gültiges eigenhändiges Testament anzusehen, so liegt eine wirksame letztwillige Verfügung vor.

Dem unberechtigten Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf § 78 AußStrG iVm § 185 AußStrG.