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OGH vom 28.08.2014, 12Os24/14t

OGH vom 28.08.2014, 12Os24/14t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Daniela A***** wegen des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach § 79 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Jugendschöffengericht vom , GZ 11 Hv 118/13a 31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Daniela A***** des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach § 79 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am in B***** das von ihr geborene Kind, solange sie noch unter der Einwirkung des Geburtsvorgangs stand, durch eine nicht näher bekannte wuchtige stumpfe Gewaltanwendung getötet.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch aus Z 4, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen aus dem Gebiet der Gynäkologie und Endokrinologie zum Beweise dafür, dass es aufgrund der Geburt zu einem massiven Abfall des Hormonspiegels gekommen ist, was dazu geführt hat, dass die Angeklagte zum angeblichen Tatzeitpunkt in einem erhöhten Maß der Einschränkung der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit gewesen ist (gemeint wohl, worauf auch die Rechtsmittelschrift hinweist: in der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit eingeschränkt war; ON 30 S 36), durfte das Schöffengericht der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abweisen (ON 30 S 37). Denn bereits nach dem Vorbringen sollte gar nicht der Nachweis erbracht werden, dass Daniela A***** zum Tatzeitpunkt wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig war, das Unrecht ihrer Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 11 StGB), ihre Schuldfähigkeit somit ausgeschlossen gewesen wäre. Damit lässt das Begehren jedoch nicht unmissverständlich erkennen, dass es einen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betrifft; solcherart ist es aber aus Z 4 unbeachtlich ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 321).

Die in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer Fundierung des Antrags unterliegen dem Neuerungsverbot und sind somit unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).

Im Übrigen liegt der Grund der Privilegierung des Verbrechens nach § 79 StGB gegenüber jenem des Mordes nach § 75 StGB gerade in einer unter anderem durch einen eklatanten Abfall des Hormonspiegels bewirkten verminderten Zurechnungsfähigkeit der Mutter, wobei das Gesetz diese Privilegierungstatsache für den Zeitraum während der Geburt unwiderleglich vermutet ( Kienapfel/Schroll StudB BT I³ § 79 Rz 20; Moos in WK² StGB § 79 Rz 6), für die Tatbegehung danach (unter der Einwirkung des Geburtsvorgangs) diese hingegen im Einzelfall erwiesen sein muss ( Kienapfel/Schroll StudB BT I³ § 79 Rz 23; Moos in WK 2 StGB § 79 Rz 6 mwN).

Der psychiatrische Sachverständige Univ. Prof. Dr. Manfred W***** hat die Voraussetzungen für die Annahme der wenn auch verminderten - Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten auch unter Berücksichtigung ausgeprägter, bis zur Hauptverhandlung fortdauernder Verdrängungs-mechanismen begründet bejaht (ON 30 S 30 ff) und auf Befragen durch die Verteidigung ausdrücklich ausgeschlossen, dass letztere Rückschlüsse auf ein höheres Maß an seelisch, geistiger Abnormität zuließen (ON 30 S 32). Damit liegt der in der Mängelrüge behauptete, eine entsprechende Erwägung der Tatrichter bedingende Widerspruch im Gutachten (dSn Z 5 zweiter Fall) nicht vor.

Der „im Übrigen“ unsubstantiiert erhobene Einwand, das Erstgericht verwende „hinsichtlich der so wesentlichen Frage der Zurechnungsfähigkeit lediglich den Gesetzestext und setze sich damit nicht hinreichend auseinander“, ist nicht erwiderungsfähig.

Die Geltendmachung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den zum Tatsächlichen getroffenen Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei. Unerheblich ist dabei, ob die mit dem Gesetz zu vergleichenden Feststellungen einwandfrei zustande gekommen oder dargestellt sind oder erheblichen Bedenken begegnen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581, 584; RIS Justiz RS0099810).

Das Vorbringen zu einem Feststellungsmangel erfordert hingegen, dass unter Hinweis auf einen nicht durch Konstatierungen geklärten, jedoch durch Vorkommen in der Hauptverhandlung indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene Konsequenz angestrebt wird, weil dieses einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS Justiz RS0118580).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a und lit b, inhaltlich nur Z 9 lit b) unter anderem durch Hinweis auf ein die Koinzidenz von verdrängter, verleugneter Schwangerschaft und Infantizid bestätigendes Schrifttum das Fehlen von Konstatierungen dazu moniert, ob die Angeklagte ihre Schwangerschaft verdrängt hat, bestreitet sie im Ergebnis die vom Erstgericht auf Basis des psychiatrischen Sachverständigengutachtens bejahte Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin und wird damit den oben angeführten Kriterien nicht gerecht. Vielmehr wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Schließlich ging das Schöffengericht davon aus, dass Daniela A***** spätestens Ende November, Anfang Dezember mit einer Schwangerschaft gerechnet hat (US 3, 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, ebenso wie die von der Angeklagten erhobene im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich jedoch nicht vorgesehene Berufung wegen Schuld bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 283 Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00024.14T.0828.000