OGH vom 08.09.2009, 10ObS144/09p

OGH vom 08.09.2009, 10ObS144/09p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christa Brezna (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Hörhahn-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eva Maria P*****, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, wegen Rückforderung des Zuschusses zum Karenzgeld (Streitwert 1.761,46 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 87/08p-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 10 Cgs 76/08m-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters einen mit 167,33 EUR (darin enthalten 27,89 EUR USt) bestimmten Anteil an den Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe :

Die Klägerin bezog von der Beklagten anlässlich der Geburt ihres Sohnes Benjamin am jeweils für den Zeitraum bis Karenzgeld in Höhe von 5.503,45 EUR sowie einen Zuschuss zum Karenzgeld in Höhe von 2.211,90 EUR.

Der Ehegatte der Klägerin, Konrad P*****, wurde 2001 von seinem Arbeitgeber gekündigt und bezog zu Beginn des Jahres 2002 Arbeitslosenunterstützung. Er war in der Folge noch kurzfristig als Dienstnehmer für einen Arbeitgeber tätig, beabsichtigte aber, sich selbständig zu machen. Vom 25. 5. bis befand er sich aufgrund einer akuten Dickdarmentzündung im Krankenstand. Er bezog vom bis 15.415,80 EUR an Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (davon 11.107,54 EUR an Krankengeld) sowie 3.036,97 EUR an Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte die Zuerkennung des Zuschusses zum Karenzgeld für das Jahr 2002 und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz von insgesamt 1.762,95 EUR. Die Beklagte begründete ihren auf die §§ 17 und 39 KGG gestützten Rückforderungsbescheid damit, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehegatten der Klägerin im Jahr 2002 in der Höhe von 23.361,46 EUR die maßgebende Freigrenze von 21.600 EUR um 1.761,46 EUR überschritten habe, sodass die Klägerin zur Rückzahlung des zu Unrecht empfangenen Zuschusses zum Karenzgeld in Höhe von 1.762,95 EUR (maschinelle Rundungsdifferenz) verpflichtet sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem (sinngemäßen) Begehren auf Feststellung, dass der Anspruch der Beklagten auf Rückersatz eines Betrags von 1.762,95 EUR nicht zu Recht bestehe. Sie brachte im Wesentlichen vor, ihr Gatte sei Ende 2001 gekündigt worden und habe in der Folge beabsichtigt, eine selbständige Tätigkeit auszuüben. In der Übergangsphase zur Selbständigkeit habe er wochenweise als Arbeitnehmer in einem Unternehmen gearbeitet, sei dann aber schwer erkrankt. Diese wirtschaftlich schwierige Situation im Jahr 2002 rechtfertige ein Absehen von der Rückforderung des Zuschusses zum Karenzgeld. Außerdem sei unter Berücksichtigung der aktuellen Einkommens- und Vermögenssituation ihrer sechsköpfigen Familie die Rückzahlung des Zuschusses zum Karenzgeld nicht möglich.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, die Rückforderung entspreche der Sach- und Rechtslage.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Widerruf der Zuerkennung des Zuschusses zum Karenzgeld für den Zeitraum vom bis nicht zu Recht erfolgt sei und der Anspruch auf Rückersatz von 1.762,95 EUR nicht zu Recht bestehe. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Familie der Klägerin und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass sich im Hinblick auf das Einkommen des Ehegatten der Klägerin im Jahr 2002 ein maßgeblicher Gesamtbetrag an Einkünften von 23.361,47 EUR ergebe. Damit werde einerseits die Zuverdienstgrenze von 21.600 EUR überschritten, andererseits sei diese Überschreitung im Sinn des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung geringfügig (unter 15 %). Hätte sich der Ehegatte der Klägerin, wie vorgesehen, selbständig gemacht, hätte er zumindest in den ersten Monaten seiner selbständigen Tätigkeit nicht jenes Einkommen erzielen können, welches er als Unselbständiger erzielt habe. Allerdings sei er unvorhergesehen erkrankt und habe Krankengeld bezogen, was im Vergleich zur beabsichtigten selbständigen Tätigkeit zur Überschreitung der Zuverdienstgrenze geführt habe. Da die Verpflichtung zum Rückersatz aufgrund der finanziellen Situation der Familie der Klägerin auch unbillig sei, liege ein Härtefall vor, welcher eine Rückforderung ausschließe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es wies das im Berufungsverfahren noch strittige Klagebegehren der Klägerin ab und verpflichtete diese, der Beklagten den Betrag von 1.761,46 EUR in 34 monatlichen Teilbeträgen von je 50 EUR und den letzten Teilbetrag von 61,46 EUR ab dem dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung folgenden Monatsersten zu bezahlen. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, die Rückzahlungsverpflichtung sei von der Beklagten zu Recht ausgesprochen worden, weil rückwirkend festgestellt worden sei, dass die Klägerin, wenn auch ohne ihr Verschulden, im Hinblick auf das festgestellte Einkommen ihres Ehegatten keinen Anspruch auf Zuschuss zum Karenzgeld gehabt habe. Es sei nicht strittig, dass die maßgebende Freigrenze von 21.600 EUR durch das Einkommen des Ehegatten der Klägerin im Jahr 2002 um den nunmehr zurückgeforderten Betrag (§ 17 Abs 2 KGG) überschritten worden sei. Die Frage, ob ein Härtefall im Sinn des § 31 Abs 4 KBGG iVm der KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliege, könne vom Krankenversicherungsträger erst geprüft werden, wenn die der Rückforderung zugrunde liegende Entscheidung in Rechtskraft erwachsen sei. Bei der Auferlegung eines Rückersatzes der zu Unrecht bezogenen Leistung sei gemäß § 89 Abs 4 zweiter Satz ASGG die Leistungsfrist unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin nach Billigkeit zu bestimmen; insoweit könne das Gericht die Zahlung auch in Raten anordnen. Bei Berücksichtigung der festgestellten Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin entspreche die vorgenommene Ratenanordnung der Billigkeit. Den Gerichten fehle hingegen die Kompetenz für die gänzliche oder teilweise Nachsicht der Rückzahlungsverpflichtung.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Entscheidung im Sinn des § 31 Abs 4 KBGG erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Rückersatzverpflichtung zu erfolgen habe, nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.

Die Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom , 10 ObS 171/08g, die Revision der Klägerin schon deshalb, weil Bedenken gegen die Verfassungskonformität der präjudiziellen Bestimmungen der §§ 8, 12 und 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG in der hier anzuwendenden Fassung bestanden haben, für zulässig erklärt und beim Verfassungsgerichtshof einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag gestellt. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten. Der Verfassungsgerichtshof wies mit seinem Erkenntnis vom , G 128/08 ua, gleichlautende Gesetzesprüfungsanträge auch des Obersten Gerichtshofs ab, weil er die in diesen Anträgen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte. Mit Beschluss vom , G 33/09 ua, wies er unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom , G 128/08 ua, unter anderem auch den gegenständlichen inhaltsgleichen Gesetzesprüfungantrag wegen entschiedener Sache zurück. Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs war das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

Die Klägerin bekämpft in ihren Revisionsausführungen nicht die Richtigkeit der - somit auf einer vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform beurteilten Rechtslage - beruhenden Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach der Gesamtbetrag der Einkünfte ihres Ehegatten im Jahr 2002 insgesamt 23.361,46 EUR betragen und daher die für den Anspruch auf Zuschuss zum Karenzgeld damals maßgebliche Freigrenze von 21.600 EUR (vgl § 17 Abs 1 und 4 KGG iVm § 12 KBGG) um den nunmehr zurückgeforderten Betrag von 1.761,46 EUR (vgl § 17 Abs 2 KGG) überschritten und die Beklagte daher gemäß § 38 KGG iVm § 39 KGG grundsätzlich zur Rückforderung des zu Unrecht bezogenen Zuschusses in Höhe von 1.761,46 EUR berechtigt sei. Sie macht in ihrem Rechtsmittel allerdings geltend, die Beklagte hätte gemäß § 31 Abs 4 KBGG iVm § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordung auf die Rückforderung zur Gänze verzichten müssen. Der eindeutige Wortlaut des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung, wonach bei einer Überschreitung der Zuverdienstgrenze um nicht mehr als 15 % auf eine Rückforderung zu verzichten sei, könne auch im Zusammenhang mit § 31 Abs 4 KBGG nur als Anordnung an den Krankenversicherungsträger verstanden werden, bei der Prüfung der Rückforderung wegen Überschreitung der Zuverdienstgrenze amtswegig auch zu überprüfen, ob nicht bloß eine geringfügige Überschreitung der Zuverdienstgrenze vorliege und daher ohne weiteres auf die Rückforderung zu verzichten sei. Es bestehe daher auch kein Ermessensspielraum des Krankenversicherungsträgers bezüglich des Verzichts, wenn ein Härtefall im Sinn des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung vorliege.

Der erkennende Senat hat dazu folgendes erwogen:

1. Zunächst ist im Hinblick auf die am erfolgte Geburt des Sohnes der Klägerin darauf hinzuweisen, dass für Ansprüche aufgrund von Geburten vor dem weiterhin grundsätzlich die Bestimmungen des Karenzgeldgesetzes (KGG) gelten (vgl § 60 KGG). Nach § 15 Abs 1 Z 2 KGG haben auch verheiratete Mütter oder verheiratete Väter nach Maßgabe des § 17 KGG Anspruch auf Zuschuss zum Karenzgeld oder zur Teilzeitbeihilfe. Nach § 17 Abs 1 KGG besteht ein Anspruch der verheirateten Eltern auf einen Zuschuss zum Karenzgeld, wenn das vom Ehegatten ins Verdienen gebrachte Einkommen bestimmte, an der Familiengröße bzw an den Unterhaltsverpflichtungen des Ehepartners orientierte Einkommensgrenzen nicht überschreitet. Um Härten zu vermeiden, gibt es bei Überschreitung dieser Grenzbeträge einen fließenden Übergang dahingehend, dass der den Freibetrag übersteigende Einkommensanteil auf die Zuschusshöhe angerechnet wird (vgl § 17 Abs 2 KGG).

1.1 Das KGG wurde in der Folge für Geburten zwischen dem und dem durch die Schaffung von Übergangsbestimmungen in der mit BGBl I 2001/103 unter anderem erfolgten Novellierung des KGG gemäß den für Ansprüche aufgrund von Geburten ab dem geltenden Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG) geändert. So gilt gemäß § 17 Abs 4 KGG idF BGBl I 2001/103, dass für Ansprüche auf Zuschuss zum Karenzgeld aufgrund von Geburten vom 1. 7. bis ab an die Stelle des Einkommens gemäß § 40 KGG das Einkommen gemäß § 8 KBGG und anstelle der Freigrenzen gemäß § 17 Abs 1 KGG die Freigrenzen gemäß § 12 Abs 1 KBGG treten. Auch hinsichtlich der Rückforderung einer nach dem KGG zu Unrecht bezogenen Leistung sieht § 39 KGG idF BGBl I 2003/71 vor, dass § 31 KBGG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass an die Stelle des Kinderbetreuungsgeldes das Karenzgeld oder die Teilzeitbeihilfe und an die Stelle der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse die jeweils zuständige Gebietskrankenkasse tritt. Damit sollte auch die Rückforderungsregelung des KGG an jene des KBGG angeglichen und insbesondere auch die aufgrund des § 31 Abs 4 letzter Satz KBGG erlassene KBGG-Härtefälle-Verordnung, BGBl II 2001/405, anwendbar werden (vgl RV BlgNR XXII. GP 192). Die zitierte Bestimmung des § 39 KGG idF BGBl I 2003/71 ist mit in Kraft getreten und gilt für Bezugszeiträume nach dem (vgl § 57 Abs 20 KGG).

1.2 § 31 Abs 4 KBGG sieht unter anderem vor, dass der Krankenversicherungsträger bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände (Härtefälle), insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers,

1. die Erstattung des zu Unrecht bezahlten Betrag in Teilbeträgen (Ratenzahlungen) zulassen,

2. die Rückforderung stunden,

3. auf die Rückforderung verzichten kann.

Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung die Kriterien für Härtefälle sowie Art und Weise der Rückforderung festzulegen.

Nach § 1 der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2001/405) gelten in Bezug auf die Einkommensgrenze als Härtefälle:

a) Fälle einer geringfügigen, unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze. Eine geringfügige unvorhersehbare Überschreitung liegt nur dann vor, wenn die Grenzbeträge gemäß den §§ 2 Abs 1 Z 3 und 9 Abs 3 KBGG um nicht mehr als 10 % überstiegen werden. In solch einem Fall ist auf die Rückforderung zu verzichten.

b) Fälle, in denen die Voraussetzungen für eine Rückforderung dem Grunde nach erfüllt sind, jedoch aufgrund der individuellen Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des/der Verpflichteten eine Rückforderung ganz oder teilweise oder zum gegebenen Zeitpunkt als unbillig erscheint.

Seit der Änderung der KBGG-Härtefälle-Verordnung durch die Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen, ausgegeben am (BGBl II 2004/91), gilt eine geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung der in § 2 Abs 1 Z 3 KBGG und § 9 Abs 3 KBGG vorgesehenen Zuverdienstgrenzen um nicht mehr als 15 % als Härtefall, bei dem von einer Rückforderung der ausbezahlten Leistungen abzusehen ist. Nach § 4 der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2004/91) tritt lit a in der Fassung dieser Verordnung mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und gilt für Geburten nach dem .

Die Bestimmung des § 31 Abs 4 letzter Satz KBGG wurde zwar mit der Novelle BGBl I 2007/76 insofern geändert, als an die Stelle der Verordnungsermächtigung der Verweis auf die §§ 60 bis 62 BHG trat, weshalb die KBGG-Härtefälle-Verordnung mit Ablauf des außer Kraft getreten ist; sie ist jedoch auf Anspruchsüberprüfungen der Kalenderjahre 2002 bis 2007 weiterhin anzuwenden (§ 49 Abs 15 KBGG).

2.1 Zutreffend macht die Klägerin geltend, dass die KBGG-Härtefälle-Verordnung zwei unterschiedliche Härtefalltatbestände festlegt (vgl auch 10 ObS 54/09b ua):

2.2 Gemäß § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung gelten als Härtefälle jene Fälle einer geringfügigen (nicht mehr als 15 %) und unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze gemäß den §§ 2 Abs 1 Z 3 und 9 Abs 3 KBGG. Der Grenzbetrag des § 2 Abs 1 Z 3 KBGG stellt auf das Einkommen des Beziehers des Kinderbetreuungsgeldes und jener des § 9 Abs 3 KBGG auf das Einkommen des Beziehers eines Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld ab. Daraus ergibt sich, dass § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung nur dann zur Anwendung kommt, wenn auf das Einkommen des Beziehers des Kinderbetreuungsgeldes bzw Karenzgeldes oder auf das Einkommen des Beziehers eines Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld bzw Karenzgeld abzustellen ist. Die Rückforderung in solchen Fällen ist vom Gesetzgeber nach dem „Alles oder Nichts Prinzip" konzipiert. Dies bedeutet, dass auch geringfügige Überschreitungen der genannten Grenzbeträge zur Rückforderung des gesamten Kinderbetreuungsgeldes/Karenzgeldes bzw Zuschusses führen würden. Um daraus resultierende unbillige Ergebnisse zu vermeiden, wurde die Härtefallverordnung geschaffen.

Dieser Härtefalltatbestand des § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung kommt jedoch im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zum Tragen, weil bei der Klägerin keine Überschreitung des Grenzbetrags durch eigene Einkünfte gemäß § 9 Abs 3 KBGG iVm § 15 Abs 3 KGG, sondern eine Überschreitung der Freigrenze durch das Einkommen des Ehegatten gemäß § 17 Abs 1 KGG vorliegt. Um Härten zu vermeiden, besteht für diesen Fall bereits eine Einschleifregelung (vgl § 17 Abs 2 KGG) dahingehend, dass bei Überschreiten der Freigrenze nicht der gesamte, im Kalenderjahr gebührende Zuschuss zum Karenzgeld sondern nur der die Freigrenze übersteigende Betrag zurückgezahlt werden muss.

2.3 Als Härtefälle gelten gemäß § 1 lit b KBGG-Härtefälle-Verordnung weiters jene Fälle, in denen die Voraussetzungen für eine Rückforderung dem Grunde nach erfüllt sind, jedoch aufgrund der individuellen Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des/der Verpflichtenden eine Rückforderung ganz oder teilweise oder zum gegebenen Zeitpunkt als unbillig erscheint. Dieses Ermessen kann vom Versicherungsträger jedoch erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheids oder Urteils über die Rückzahlungsverpflichtung ausgeübt werden. Auch eine Anwendung der Härtefallregelung des § 1 lit b der KBGG-Härtefälle-Verordnung kommt daher derzeit nicht in Betracht.

2.4 Da somit aufgrund der zu 2.2 dargelegten Erwägungen entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ein Härtefall im Sinn des § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung nicht vorliegt, musste der Revision im Ergebnis ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls und die festgestellten angespannten finanziellen Verhältnisse der Klägerin entspricht es der Billigkeit, ihr trotz ihres gänzlichen Unterliegens im Revisionsverfahren die Hälfte der von ihr verzeichneten Revisionskosten zuzuerkennen (vgl 10 Ob 26/08h ua).