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OGH vom 03.09.2010, 9Ob52/10b

OGH vom 03.09.2010, 9Ob52/10b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras, Dr. E. Solé und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Raimund Gehart, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. G***** H*****, vertreten durch Dr. Dieter Klien, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 38.650,19 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 11 R 195/09s 33, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 27 Cg 90/09t 29, abgeändert wurde (Revisionsinteresse 35.335,68 EUR sA), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war in ***** als Rechtsanwalt tätig. Seit 2004 betreibt er auch eine „Rechtsberatungskanzlei“ in der Schweiz. Am wurde er aufgrund eines gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Feldkirch in Untersuchungshaft genommen. Am verzichtete er gegenüber der Rechtsanwaltskammer Vorarlberg auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft. Die Kanzlei wurde in der Folge noch zu Abrechnungs und Abwicklungstätigkeiten verwendet.

In den Jahren 2004 und 2006 schloss der Beklagte mit der U***** GmbH Leasingverträge über vier Fahrzeuge ab, die im Rahmen seiner Rechtsanwaltskanzlei genutzt wurden. Diesen Verträgen liegen die Allgemeinen Vertragsbedingungen für KFZ und Mobilien Leasing zugrunde, die auszugsweise lauten:

„…

13. Vorzeitige Vertragsauflösung:

13.1 Die LG (Leasinggeberin) ist zur sofortigen, vorzeitigen Auflösung des LV (Leasingvertrags) berechtigt, wenn der LN (auch nur einer von mehreren LN oder ein Sicherstellung leistender Dritter)

a) …

c) stirbt oder handlungsunfähig wird, oder bei Leasing zu Geschäftszwecken sein Geschäft (Unternehmen) aufgibt oder veräußert,

g) sich die wirtschaftliche Lage des LN (eines von mehreren LN oder eines Sicherstellung leistenden Dritten) derart verschlechtert, dass eine regelmäßige Zahlung des Leasingentgelts gefährdet erscheint, insbesondere wenn der LN …,

22.1 Der LN hat der LG etwaige Änderungen seiner Anschrift sofort schriftlich bekannt zu geben.

22.2 Erklärungen der LG sind rechtswirksam, wenn sie an die vom LN zuletzt bekannt gegebene Anschrift gesandt werden.

Aus Anlass der Verhängung der Untersuchungshaft über den Beklagten löste die Klägerin als Kooperationspartnerin der U***** GmbH am die vier Leasingverträge vorzeitig auf und verwertete die Fahrzeuge. Das Auflösungsschreiben wurde dem Beklagten am per Fax übermittelt. Die Höhe des Klagebegehrens sowie das Zinsenbegehren stehen außer Streit.

Die Klägerin begehrte den Nichterfüllungsschaden samt Spesen aus den aufgelösten Leasingverträgen. Aufgrund der Verhängung der Untersuchungshaft gegen den Beklagten und infolge seiner Zahlungsunfähigkeit habe sie das Vertrauen in dessen Zuverlässigkeit verloren. Die geleasten Fahrzeuge seien entsprechend den Vertragsbestimmungen eingezogen und verwertet worden. Neben den rückständigen Entgelten stehe ihr auch der Ersatz des Nichterfüllungsschadens zu, der sich nach der Dauer des erklärten Kündigungsverzichts bestimme.

Der Beklagte entgegnete, dass ihm die Erklärung über die Vertragsauflösung zufolge falscher Adressierung nicht wirksam zugestellt worden sei. Die Berechtigung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs habe er von sich aus zurückgelegt. Dies bedeute aber nicht, dass er sein Unternehmen aufgegeben habe, zumal er nach seiner Freilassung in den Kanzleiräumlichkeiten in Österreich noch offene Akten abgerechnet habe. Außerdem führe er in der Schweiz eine Rechtsberatungskanzlei, die zu seinem Unternehmen gehöre.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Angesichts des aufrechten Kanzleibetriebs in Österreich, der sich in einer Art Auflösungsstadium befunden habe, und im Hinblick auf die Kanzleiniederlassung in der Schweiz könne nicht von einer endgültigen Beendigung des Unternehmens des Beklagten ausgegangen werden. Die Vertragsauflösung durch die Klägerin sei daher nicht berechtigt erfolgt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung ab und gab dem Klagebegehren statt. Für das Leasing zu Geschäftszwecken sei charakteristisch, dass das Leasingentgelt aus den Umsätzen eines Geschäftsbetriebs aufgebracht werde. Es sei daher maßgeblich, ob noch Umsatzgeschäfte der vereinbarten Art zu erwarten seien. Zudem sei zu berücksichtigen, dass in den Leasingverträgen ein Hinweis auf eine Niederlassung des Beklagten in der Schweiz fehle. Die Vertragsgrundlage habe daher in der Anwaltstätigkeit des Beklagten in Österreich bestanden. Diese Tätigkeit sei mit Wirksamkeit des Verzichts des Beklagten auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft beendet worden. Der Auflösungstatbestand der Aufgabe des Unternehmens sei demnach erfüllt. Die Revision sei zulässig, weil in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Auslegung des in Rede stehenden Auflösungstatbestands in Allgemeinen Bedingungen für Leasingverträge noch nicht Stellung genommen worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in der Weise abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof ist auch zur Auslegung von AGB Klauseln nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, dass die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, die regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden von Bedeutung sind, eine erhebliche Rechtsfrage darstellt, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn die fragliche Regelung so eindeutig ist, dass nur eine Möglichkeit der Beurteilung in Betracht zu ziehen ist (RIS Justiz RS0121516; 10 Ob 47/08x).

Mit der zu beurteilenden Klausel in den zugrunde liegenden Allgemeinen Leasingbedingungen (Pkt 13.1 lit c) hat sich der Oberste Gerichtshof bisher nicht beschäftigt. Da die Klausel zweifellos einen größeren Personenkreis betrifft und auch von der Offenkundigkeit des Auslegungsergebnisses nicht ausgegangen werden kann, ist die Revision zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

2. Die Aktivlegitimation der Klägerin bildet zwischen den Parteien keinen Streitpunkt mehr. Weiters ist nicht strittig, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Leasing zu Geschäftszwecken handelte.

Der Beklagte steht selbst auf dem Standpunkt, dass die zugrunde liegenden Allgemeinen Vertragsbedingungen mit ihm frei vereinbart wurden. Mangels Einwands der Sittenwidrigkeit habe eine Inhaltskontrolle nicht stattzufinden (AS 227). Der zu beurteilende Auflösungstatbestand (Pkt 13.1 lit c der Allgemeinen Vertragsbedingungen) ist somit weder einer Geltungs noch einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Vielmehr hat ausschließlich eine Auslegung der anwendbaren Vertragsklausel stattzufinden.

Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach gesicherter Rechtsprechung - grundsätzlich objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut - so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen (RIS Justiz RS0008901). Zudem muss der erkennbare Zweck der Klausel beachtet werden (vgl RIS Justiz RS0112256).

3.1 Der Argumentation der Klägerin, bei der Aufgabe des Unternehmens des Leasingnehmers (Pkt 13.1 lit c der Allgemeinen Vertragsbedingungen) einerseits und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage (Pkt 13.1 lit g) andererseits handle es sich um unterschiedliche Auflösungsgründe, ist nicht entgegenzutreten.

Auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach Pkt 13.1 lit g der Allgemeinen Vertragsbedingungen hat das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt. Die Ausführungen in der Revision zu diesem Auflösungstatbestand und der Verweis des Beklagten auf die Rechtsprechung zur Auflösung von Kreditverträgen müssen daher unbeachtlich bleiben.

3.2 Der Beklagte bestreitet zunächst den wirksamen Zugang der Auflösungserklärung der Klägerin.

Die vorzeitige Auflösung bzw außerordentliche Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (RIS Justiz RS0028555). Sie wird daher erst dann wirksam, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugegangen ist (RIS Justiz RS0028636; RS0014092). Die Erklärung geht mit jenem Zeitpunkt zu, in dem unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme der Erklärung zu rechnen ist (RIS Justiz RS0014071; RS0014078; Rummel in Rummel ³, § 862a ABGB Rz 2). Dafür reicht aus, dass die Willenserklärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist (RIS Justiz RS0014076). Der Zugang tritt spätestens mit der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Empfänger ein ( Bollenberger in KBB² § 862a Rz 4).

Nach diesen Grundsätzen ist die Auflösungserklärung dem Beklagten am zugegangen. Er vertritt demgegenüber die Ansicht, dass nach Pkt 22.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen Erklärungen an die (zuletzt bekannt gegebene) Anschrift des Leasingnehmers gesandt werden müssten und nur dort zugehen könnten. Es stehe aber nicht fest, wohin ihm das Schreiben am übermittelt worden sei.

Auf Pkt 22.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen kann sich der Beklagte allerdings nicht berufen. Diese Bestimmung steht mit Pkt 22.1 leg cit, wonach der Leasingnehmer Änderungen seiner Anschrift (sofort schriftlich) bekannt zu geben hat, im Sachzusammenhang. Nach dem eindeutigen Wortlaut und klaren Regelungszweck beinhaltet Pkt 22.2 eine Zugangsfiktion für den Fall, dass der Leasingnehmer eine Änderung seiner Anschrift nicht bekannt gegeben hat. Die allgemeinen Zugangsregeln lässt diese Zusatzbestimmung allerdings unberührt. Die dem Beklagten tatsächlich zugekommene Auflösungserklärung war daher wirksam.

4.1 Weiters bestreitet der Beklagte, dass der hier fragliche Auflösungstatbestand der „Aufgabe oder Veräußerung des Geschäfts (Unternehmens)“ nach Pkt 13.1 lit c der Allgemeinen Vertragsbedingungen erfüllt sei.

Der zu beurteilende Auflösungsgrund bezieht sich auf das Leasing zu Geschäftszwecken. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer solange zur Verfügung stehen und das Auflösungsrecht des Leasinggebers nicht bestehen soll, solange eine Nutzung des Leasinggegenstands zu Geschäftszwecken erfolgt. Die Vertragsgrundlage besteht somit in der einvernehmlich unterstellten Nutzung des Leasingobjekts für die unternehmerische Tätigkeit, die zur Erreichung des Unternehmenszwecks typischerweise ausgeübt wird.

Nach den Feststellungen wurden die Leasingfahrzeuge im Rahmen der Rechtsanwaltskanzlei des Beklagten geleast und genutzt. Nach dem redlichen Verständnis hat sich die Nutzung der Leasinggegenstände auf die anwaltliche Tätigkeit des Beklagten bezogen, die er mit dem Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft aufgegeben hat. Damit hat er nach § 34 Abs 1 Z 3 RAO die Berechtigung zur Berufsausübung als Rechtsanwalt bzw zur berufsmäßigen Parteienvertretung verloren. Die den Leasingverträgen zugrunde gelegte Anwaltstätigkeit kann nach dem Sinn und Zweck der Verträge nicht auf Abrechnungen im Auflösungsstadium reduziert werden. Schon gar nicht kann, worauf auch das Berufungsgericht hingewiesen hat, auf die endgültige Betriebsstilllegung bzw Vollbeendigung des Unternehmens abgestellt werden.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es mit Rücksicht auf die den Leasingverträgen zugrunde gelegte anwaltliche Tätigkeit für deren Gültigkeit gerade nicht gleichgültig, ob er als Anwalt, selbständiger Rechtsberater oder Rechtsberater eines Unternehmens fungierte. Er kann sich auch nicht darauf berufen, dass er in den Kanzleiräumlichkeiten andere Tätigkeiten mit erforderlichen Rechtskenntnissen hätte ausüben können. Die Leasingverträge haben sich auf seine Anwaltstätigkeit und nicht auf die Benützung der Kanzleiräumlichkeiten bezogen. Außerdem behauptet er gar nicht, derartige andere Tätigkeiten in ***** ausgeübt zu haben.

4.2 Nicht nur die Art der unternehmerischen Tätigkeit, sondern auch die Ausformung und Größe des Unternehmens bestimmen sich nach der Vertragslage.

Das Berufungsgericht hat zur Beweisrüge der Klägerin darauf hingewiesen, dass der Beklagte schon nach seinem eigenen Vorbringen in der Schweiz lediglich eine Rechtsberatungskanzlei betreibe. Die Überlegungen in der Revision, wonach ein einheitliches Unternehmen bestehe, wenn ein Unternehmer mehrere Unternehmen mit gleichen Unternehmenszwecken betreibe, scheitert damit schon daran, dass der Beklagte in der Schweiz keine nach der Vertragslage maßgebliche Anwaltstätigkeit ausübt.

Davon abgesehen haben die Vorinstanzen zum Inhalt der Vertragsurkunden festgehalten, dass die Kanzleianschrift (in *****) als Vertragsadresse angegeben war und die Urkunden mit dem Kanzleistempel versehen waren. Dem Berufungsgericht ist somit darin beizupflichten, dass die Vertragsgrundlage in der Anwaltstätigkeit des Beklagten in Österreich bestanden hat, weil die Leasingverträge keinen Hinweis auf eine Niederlassung oder andere Geschäftstätigkeit in der Schweiz enthielten.

Zusammenfassend ergibt sich, dass es für den (wirksam) vereinbarten Auflösungstatbestand der „Aufgabe des Unternehmens“ in Allgemeinen Vertragsbedingungen für Leasingverträge auf die Einstellung der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit, die zur Erreichung des Unternehmenszwecks typischerweise ausgeübt wird, hier also auf die Aufgabe der anwaltlichen Vertretungstätigkeit infolge Verzichts auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft ankommt.

Die Ausführungen in der Revision sind insgesamt nicht begründet. Dem Rechtsmittel des Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.