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OGH vom 15.02.1990, 8Ob718/89

OGH vom 15.02.1990, 8Ob718/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Pflegschaftssache betreffend die mj. Silvia P***, geboren am , und die mj. Kristina P***, geboren am , wegen Ersatz der Kosten der vollen Erziehung, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (Jugendamt) gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Rekursgerichtes vom , GZ R 410/89-17, womit infolge Rekurses der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (Jugendamt) der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom , GZ P 85/88-14, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der beiden Vorinstanzen in den Aussprüchen a) über den Antrag der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (Jugendamt) auf Verpflichtung des Vaters zur Ersatzleistung für die minderjährige Tochter Silvia P*** für die Zeit vom bis zum sowie b) auf Ersatzleistung des Vaters für beide Töchter "monatlich im nachhinein bis spätestens 5.des Folgemonates" und das diesen Aussprüchen vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben. Der genannte Antrag der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (Jugendamt) wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Auf Grund der mit erstgerichtlichem Beschluß vom (betreffend die mj. Silvia P***; ON 4) und vom (betreffend die mj. Kristina P***; ON 9) gemäß § 26 JWG (BGBl.1954/99; im folgenden JWG 1954 genannt) angeordneten gerichtlichen Erziehungshilfe wurden diese Kinder von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (Jugendamt) in Ausübung der dem Land Niederösterreich obliegenden Jugendwohlfahrtspflege im niederösterreichischen LandesSäuglings- und Kinderheim "Schwedenstift" in Perchtoldsdorf (mj. Silvia P***) bzw. bei Pflegeeltern (mj. Kristina P***) untergebracht.

Am beantragte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen unter Berufung auf § 40 JWG (BGBl.1989/161 - JWG 1989), den Vater dieser Kinder, Antal P***, zur Leistung eines Kostenbeitrages von S 1.400,- pro Kind und Monat zu verpflichten, und zwar für die mj. Silvia P*** ab und für die mj. Kristina P*** ab . Eine bestimmte Leistungsfrist wurde im Antrag nicht gestellt.

Das Erstgericht setzte die Ersatzleistung für die mj. Silvia P*** zwar dem Begehren gemäß mit S 1.400,-, aber erst ab , für die mj. Kristina P*** nur mit 1.000,- ab , fest, in beiden Fällen zahlbar im nachhinein bis spätestens am 5.des Folgemonates. Das Mehrbegehren wies es ab.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen teilweise Folge, in dem es die vom Vater für die mj. Kristina P*** zu erbringende Ersatzleistung entsprechend dem Rekursantrag auf monatlich S 1.200,- erhöhte. Im übrigen, nämlich hinsichtlich des Beginnes der Ersatzleistung für die mj. Silvia P*** erst am und der Zahlungsmodalitäten in beiden Fällen, bestätigte es den erstgerichtlichen Beschluß. § 33 des am in Kraft getretenen JWG 1989 sehe zwar vor, daß die Unterhaltspflichtigen die Kosten der vollen Erziehung, einer Form der vom Jugendwohlfahrtsträger wählbaren Erziehungshilfe (§§ 26 und 28 JWG 1989), zu tragen, gegebenenfalls rückwirkend für 3 Jahre zu ersetzen haben, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind, doch setze die rückwirkende Verpflichtung der Kostentragung voraus, daß es sich um eine nach Inkrafttreten des § 33 JWG 1989 stattgefundene Maßnahme handle. Eine rückwirkende Anwendung dieser Bestimmung auf die Zeit vor dem würde eine ausdrückliche diesbezügliche gesetzliche Bestimmung voraussetzen. Der im Rekurs geltend gemachte Umstand, § 9

nö Jugendwohlfahrtsgesetz 1978 habe schon bisher unter den dort normierten Voraussetzungen eine Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen zum Kostenersatz vorgesehen, vermöge daran nichts zu ändern, weil über die Kostentragung nach dieser Bestimmung die Verwaltungsbehörde zu entscheiden habe, sodaß damit die im gerichtlichen Verfahren zu treffende, im § 33 JWG 1989 begründete Entscheidung nicht gerechtfertigt werden könne. Der Anspruch des Jugendwohlfahrtsträgers auf Kostenersatz nach § 33 JWG sei nicht ein nach § 1418 ABGB im vorhinein zu zahlender Unterhaltsbetrag, sondern ein Anspruch nach § 1042 ABGB. Die vom Erstgericht angeordnete Zahlungsweise im nachhinein sei daher nicht zu beanstanden. Gegen den bestätigenden Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses richtet sich der nach § 16 AußStrG zu beurteilende Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, in dem die rückwirkende Verpflichtung des Vaters zur Leistung des Ersatzbetrages für die mj. Silvia P*** bereits ab sowie die Erbringung sämtlicher Ersatzleistungen jeweils am Monatsbeginn im vorhinein bei fünftägigem Respiro begehrt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat über die Zulässigkeit des Rechtsweges (§ 40 JWG 1989) im Gegensatz zur Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Entscheidung über ein Ersatzbegehren des Jugendwohlfahrtsträgers (§ 4 Abs. 1 letzter Satz JWG 1954 im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 nö Jugendwohlfahrtsgesetz LGBl 9270-1) folgendes erwogen:

Beim ersten Teil des JWG 1989 (§§ 1 bis 35) handelt es sich um Grundsatzbestimmungen im Sinne des Art 12 B-VG. Der Kompetenztypus der Grundsatzgesetzgebung ist dadurch gekennzeichnet, daß die Wirksamkeit gesetzgeberischer Maßnahmen für den Bereich der Vollziehung zweier Akte der Gesetzgebung bedarf. Der erste Akt, das Grundsatzgesetz, enthält Normen, die an den Ausführungsgesetzgeber, nicht aber an die Vollzugsbehörde gerichtet sind. Erst der zweite Akt, das Ausführungsgesetz, ist die für die Vollziehung bestimmte Rechtsgrundlage (VfSlg 5921). Ein Grundsatzgesetz kann und darf daher vor Erlassung des entsprechenden Ausführungsgesetzes nicht vollzogen werden (VfSlg 3340).

Die als unmittelbares Bundesrecht anzuwendende Bestimmung des § 40 JWG 1989 sieht die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges nur für die in § 33 JWG 1989 (erst durch Grundsatzbestimmung) geregelten Ersatzansprüche vor, wie sich aus dem Zitat des § 33 JWG 1989 in der genannten Bestimmung ergibt. Ein solcher Ersatzanspruch konnte aber mangels Erlassung des entsprechenden niederösterreichischen Ausführungsgesetzes noch nicht existent werden.

Gemäß § 42 Abs. 3 JWG 1989 sind die Ausführungsgesetze der Länder innerhalb eines Jahres vom Tag des Inkrafttretens des Grundsatzgesetzes (= ) an berechnet zu erlassen. Das bedeutet, daß die auf Grund des JWG 1954 erlassenen Landesausführungsgesetze unter dem Gesichtspunkt, daß sie dem JWG 1989 nicht mehr entsprechen sollten, erst mit Ablauf dieser Frist verfassungswidrig werden (Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 205; Walter-Mayer, Grundriß6 Rz 268). Da die vom Bundesgrundsatzgesetzgeber dem Landesgesetzgeber gesetzte Frist noch nicht abgelaufen ist, ist für die Vollziehung weiterhin, und zwar verfassungsrechtlich unbedenklich, das niederösterreichische Landesjugendwohlfahrtsgesetz als Ausführungsgesetz zum Jugendwohlfahrtsgesetz 1954 maßgebende Rechtsgrundlage. Diesem Grundsatz entspricht auch die Bestimmung des § 46 JWG 1989, wonach in den einzelnen Ländern erst mit Wirksamkeitsbeginn des jeweiligen (neuen) Ausführungsgesetzes die für das bisherige Ausführungsgesetz maßgebenden Bestimmungen des JWG 1954 außer Kraft treten. Für Ersatzansprüche des niederösterreichischen Jugendwohlfahrtsträgers ist daher weiterhin die Bestimmung des § 9

nö Landesjugendwohlfahrtsgesetzes - erlassen im Einklang mit § 4 Abs. 1 letzter Satz JWG 1954 - maßgebend, wonach über solche Ersatzansprüche im Verwaltungsweg zu entscheiden ist. Aus diesen Erwägungen war vom Obersten Gerichtshof der Mangel der Zulässigkeit des Rechtsweges im Rahmen des Anfechtungsumfanges durch den zulässigerweise erhobenen Revisionsrekurs gemäß § 42 Abs. 1 JN wahrzunehmen, das davon betroffene Verfahren als nichtig aufzuheben und der Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers insoweit zurückzuweisen. Eine bestimmte Zahlungsmodalität (im vorhinein oder im nachhinein) war vom Jugendwohlfahrtsträger nicht begehrt worden. Insoweit hatte nur die Aufhebung der Entscheidung und des dazu gehörenden Verfahrens zu erfolgen.