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VfGH vom 24.09.2002, B1658/01

VfGH vom 24.09.2002, B1658/01

Sammlungsnummer

16607

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung eines Antrages einer Sozialversicherungsanstalt auf Feststellung eines Verstoßes gegen den Gesamtvertrag und die Honorarordnung durch Verrechnung bestimmter zusätzlicher Laboruntersuchungen durch Ärzte und auf Ausspruch der Berechtigung der Aufrechnung des Schadens gegen die Honoraransprüche der betreffenden Ärzte mangels ausreichender Begründung und grober Verkennung der Rechtslage

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den allein bekämpften Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 1962,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalls ergibt sich aus dem hg. Erkenntnis (berichtigt mit Beschluß vom ) = VfSlg. 15.560/1999, mit dem der Bescheid der Landesberufungskommission für Niederösterreich vom , ohne GZ, aufgehoben wurde, weil die Behörde die von den damaligen Beschwerdeführern behauptete Nichtigkeit der einschlägigen Bestimmungen des Gesamtvertrags nicht in ausreichendem Maße geprüft hatte, sie in einem wesentlichen Punkt daher jede nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben war und insoweit Willkür geübt hatte.

2. Mit Spruchpunkt 3. des im zweiten Rechtsgang - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - ergangenen Bescheides wies die Landesberufungskommission für Niederösterreich den verfahrenseinleitenden Antrag der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (künftig: SVA) ab, diese möge


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feststellen, daß die Vorgangsweise näher bezeichneter Vertragsärzte, aus den Laborgruppen der Stoffwechsel- bzw. Enzymuntersuchungen selbst Laborparameter zu verrechnen und gleichzeitig weitere Laboruntersuchungen aus diesen Gruppen durch ein Fachlabor zu veranlassen, sodaß der SVA insgesamt mehr als vier Laboruntersuchungen verrechnet wurden, gegen die Bestimmungen des Gesamtvertrags und der Honorarordnung verstoße, sowie


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aussprechen, daß die SVA berechtigt sei, den ihr durch die beschriebene Vorgangsweise entstandenen - näher bezifferten - Schaden gegen die Honoraransprüche der betreffenden Vertragsärzte aufzurechnen.


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3. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde der SVA. Darin behauptet die SVA, durch den bekämpften Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs 1 B-VG iVm Art 2 StGG) sowie auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) verletzt zu sein; es wird beantragt, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.


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4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

Die dem Verfahren als beteiligte Parteien beigezogenen antragsgegnerischen Vertragsärzte erstatteten eine schriftliche Äußerung, in der sie die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides verteidigen und die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Die beteiligten Parteien machen geltend, die vorliegende Beschwerde sei unzulässig, weil ihr keine bzw. keine ausreichende Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu entnehmen sei.

Der einschlägige § 15 Abs 2 VfGG bestimmt, daß Anträge an den Verfassungsgerichtshof ua. eine "Darstellung des Sachverhaltes, aus dem der Antrag hergeleitet wird", zu enthalten haben.

In dem von den beteiligten Parteien bezogenen hg. Beschluß VfSlg. 15.415/1999 wurden Beschwerden als unzulässig zurückgewiesen, weil sie keine individualisierten, sondern wörtlich übereinstimmende, lediglich das vorangegangene Verwaltungsgeschehen zusammenfassende Darstellungen des Sachverhalts enthielten, die zwar das an den Gerichtshof herangetragene Rechtsproblem, nicht aber die den Beschwerden je zugrunde liegenden Lebensumstände und rechtsbegründenden Sachverhalte erkennen ließen.

Davon kann hier aber - entgegen dem Vorbringen der beteiligten Parteien - keine Rede sein:

Es trifft zwar zu, daß die Beschwerde in ihrem Pkt. III ("Sachverhalt") anscheinend bloß den Spruchpunkt 3. des bekämpften Bescheides referiert. Dieser Spruchpunkt gibt jedoch den der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhalt in hinreichend bestimmter Weise wieder. Es ist jedenfalls unrichtig, wenn die beteiligten Parteien behaupten, die Beschwerde lasse nicht erkennen, in welchem Rechtsverhältnis die SVA zu ihnen stehe: In Pkt. III der Beschwerde wird vielmehr ausdrücklich dargelegt, daß die beteiligten Parteien "Vertragsärzte" der SVA seien, womit - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des § 193 GSVG - in ausreichendem Maße klargestellt ist, welches Rechtsverhältnis zwischen ihnen und der SVA besteht.

Da auch alle übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, erweist sich die Beschwerde somit als zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Gemäß § 193 Z 2 GSVG,§ 342 Abs 1 ASVG werden die Beziehungen der Sozialversicherungsanstalt zu den freiberuflich tätigen Ärzten durch einen Gesamtvertrag geregelt, der auch zu bestimmen hat, wie die vertragsärztliche Tätigkeit vergütet wird (§193 GSVG,§ 342 Abs 1 Z 3 ASVG). § 193 Z 3 GSVG normiert, daß eine bundeseinheitliche Honorarordnung zu erlassen ist.

"Gesamtverträge

§341. (1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten werden durch Gesamtverträge geregelt, die für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen sind. [...]

(2) (aufgehoben)

(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes geltenden Gesamtvertrages verstoßen.

(4) ...

Inhalt der Gesamtverträge

§342. (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:

...

3. die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung

...

(2) Die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist grundsätzlich nach Einzelleistungen zu vereinbaren. Die Vereinbarungen über die Vergütung der ärztlichen Leistungen sind in Honorarordnungen zusammenzufassen; diese bilden einen Bestandteil der Gesamtverträge. Die Gesamtverträge sollen eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit (einschließlich der Rückvergütungen bei Inanspruchnahme der wahlärztlichen Hilfe [§131]) enthalten.

...

Paritätische Schiedskommission

§344. (1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.

(2) ...

(3) Die paritätische Schiedskommission ist verpflichtet, über einen Antrag ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach dessen Einlangen, mit Bescheid zu entscheiden. Wird der Bescheid dem Antragsteller innerhalb dieser Frist nicht zugestellt oder wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt, daß wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande kommt, geht auf schriftliches Verlangen einer der Parteien die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Landesberufungskommission über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Landesberufungskommission einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf Stimmengleichheit oder nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde (§73 AVG 1950) zurückzuführen ist.

(4) Gegen einen Bescheid der paritätischen Schiedskommission kann Berufung an die Landesberufungskommission erhoben werden.

Landesberufungskommission

§345. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesberufungskommission zu errichten. Diese besteht aus einem Richter des Dienststandes als Vorsitzendem und aus vier Beisitzern. Der Vorsitzende ist vom Bundesminister für Justiz zu bestellen; der Vorsitzende muß ein Richter sein, der im Zeitpunkt seiner Bestellung bei einem Gerichtshof in Arbeits- und Sozialrechtssachen tätig ist. Je zwei Beisitzer werden von der zuständigen Ärztekammer und dem Hauptverband entsendet.

(2) Die Landesberufungskommission ist zuständig:

1. zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission und

2. zur Entscheidung auf Grund von Devolutionsanträgen gemäß § 344 Abs 3.

...

(3) § 346 Abs 3 bis 7 gelten sinngemäß auch für die Landesberufungskommission und deren Mitglieder.

...

Bundesschiedskommission

§ 346. (1)-(5) ...

(6) Die Mitglieder der Bundesschiedskommission sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden.

(7) Entscheidungen der Bundesschiedskommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungswege."

2.2. Streitigkeiten zwischen den Parteien des Gesamtvertrages über dessen Auslegung und Anwendung sind in erster Instanz vor der Landesschiedskommission und in zweiter Instanz vor der Bundesschiedskommission auszutragen, zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Partnern der Einzelverträge, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist hingegen in erster Instanz die paritätische Schiedskommission, in zweiter Instanz die Landesberufungskommission zuständig. Die zuletzt genannte Zuständigkeit umfaßt auch die Kompetenz, im Zuge der Feststellung des Inhalts des Einzelvertrags vorfrageweise die Gültigkeit von Bestimmungen des Gesamtvertrags oder einer dazu geschlossenen Zusatzvereinbarung zu beurteilen, die sie - ihre Gültigkeit vorausgesetzt - als Inhalt des jeweils in Rede stehenden Einzelvertrags ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hätte.

Soweit also als notwendiges Element der rechtlichen Beurteilung durch die zur Entscheidung über den Einzelvertrag berufenen Behörden auch Fragen der Gültigkeit (und damit insoweit auch des "ob" der Einwirkung der betreffenden Bestimmungen des Gesamtvertrags und der dazu geschlossenen Zusatzvereinbarungen auf den Einzelvertrag) zu prüfen sind, gleicht der Gegenstand der rechtlichen Beurteilung zwar jenem der Landesschiedskommission (bzw. der Bundesschiedskommission) bei der Entscheidung von Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrags (vgl. Mosler, in: Strasser [Hrsg.], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung [1995] 403), wobei jedoch zu beachten ist, daß die bloß vorfrageweise Beurteilung der Gültigkeit des Gesamtvertrags für die zur Entscheidung über die Gültigkeit des Gesamtvertrags zuständige Landesschiedskommission keine Bindungswirkung zu entfalten vermag (s. zB VfSlg. 15.178/1998, 15.560/1999, 15.698/1999).

3.1. Wie die belangte Behörde in ihrem Bescheid ausführt, sei die Honorarordnung so auszugestalten, daß den Grundsätzen von Treu und Glauben ebenso wie den Prinzipien der Sachangemessenheit und der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen sei.

Die im Verfahren strittige Verrechnungsbeschränkung, wonach aus einer Gruppe (Stoffwechseluntersuchungen) von sieben Leistungen nur vier bzw. von neun Leistungen nur drei, aus einer anderen Gruppe (Enzyme) von elf Leistungen nur vier gemeinsam verrechenbar sind, sei weder sachangemessen noch verhältnismäßig. Es könnten nämlich - medizinisch indiziert - Fälle eintreten, in denen sämtliche Leistungen der betreffenden Gruppe zu erbringen seien. In diesem Fall hätten bestimmte Untersuchungen - nämlich jene, die nicht verrechnet werden dürften - "unentgeltlich" ausgeführt zu werden.

Der Versicherungsträger sei im Verhältnis zu den bei ihm Pflichtversicherten gesetzlich gehalten, im Krankheitsfall eine ausreichende und zweckmäßige, den Rahmen des Notwendigen nicht überschreitende Krankenbehandlung zu gewährleisten. Das Recht der Versicherten auf ausreichende medizinische Versorgung sei "mittelbar" verletzt, wenn die in Rede stehende Honorarordnung es nicht zu gewährleisten vermöge, daß der Vertragsarzt für notwendige medizinische Leistungen jedenfalls entgolten werde. Vertragsärzte würden nämlich unternehmerisch tätig und hätten daher auch ökonomischen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Die strittige Limitierungsbestimmung sei somit sittenwidrig, dies umso mehr, als sie von der SVA dahin ausgelegt werde, daß es dem Vertragsarzt untersagt sei, den Patienten an einen Laborfacharzt zu überweisen, wenn das zulässige Verrechnungshöchstausmaß bereits ausgeschöpft sei und der Vertragsarzt "medizinisch und technisch" in der Lage sei, auch weitere Laborleistungen selbst zu erbringen. Medizinisch indizierte Laboruntersuchungen hätten somit von Vertragsärzten teilweise aus eigenen Mitteln bestritten zu werden, zumal der Vertragsarzt bei Verstößen gegen das erwähnte Verbot der Überweisung selbst schadenersatzpflichtig würde.

Die strittige Limitierungsbestimmung sei im übrigen willkürlich, weil sie weder medizinisch noch statistisch begründbar sei. Es müsse dem Vertragsarzt - bei überprüfbarer medizinischer Indikation - völlig unbenommen bleiben, Fettstoffwechseluntersuchungen und Enzymbestimmungen in welcher Anzahl immer selbst durchzuführen oder den Versicherten zur Durchführung dieser Untersuchungen an einen Laborfacharzt zu überweisen.

Die Limitierungsregelung sei auch mit dem Grundsatz der Vergütung nach Einzelleistungen (§342 Abs 2 ASVG) nicht vereinbar. Keineswegs sei anzunehmen, daß die Gesamtvertragsparteien von diesem Grundsatz nach Belieben abgehen dürften. Die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit sei in der Honorarordnung in unbilliger Weise bestimmt worden, was von "einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter" sofort erkannt werden könne. Wörtlich heißt es sodann:

"Vorliegendenfalls bedarf es jedoch keines sachkundigen Betrachters, zumal schon die unbefangene Beobachtung erkennen lässt, dass die verfahrensgegenständlichen Limitierungsregeln willkürlich, unverhältnismäßig und sachlich durch nichts gerechtfertigt sind. Hier hat lediglich das Diktat der leeren Kassen fröhliche Urständ gefeiert. Es liegt auch auf der Hand, dass es den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspricht, wenn ein Vertragsarzt medizinisch notwendige Untersuchungen ohne entsprechendes Honorar verrichten soll

..."

Dem Antrag habe daher keine Folge gegeben werden können.

3.2. Die SVA wirft der belangten Behörde im wesentlichen vor, sie habe Willkür geübt, wodurch die SVA in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art 7 Abs 1 B-VG) verletzt werde.

Mit diesem Vorbringen ist die SVA im Recht:

3.2.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch in einem Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).

Einer Behörde kann aber auch dann, wenn sie unrichtig entschieden hat, nicht Willkür zur Last gelegt werden, sofern sie nur bemüht war, richtig zu entscheiden, indem sie Gründe und Gegengründe gegeneinander abgewogen hat. Dies bedeutet, daß es aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes in der Regel nicht ausreichen würde, wenn die Behörde nur die für die Abweisung eines Anspruches maßgeblichen Gründe aufzählt, es jedoch unterläßt, sich mit den Gründen auseinanderzusetzen, die für die Bejahung der Anspruchsberechtigung zu sprechen scheinen, so daß sie gar nicht in die Lage kommen könnte, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (zB VfSlg. 9665/1983, 12.102/1989, 12.477/1990).

Besonders unter diesem Gesichtspunkt ist die ordnungsgemäße Begründung des Bescheides (vgl. § 347 Abs 4 ASVG iVm § 60 AVG) von erheblicher Bedeutung. Wie der Verfassungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen hat, liegt eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit des Bescheides nämlich ua. dann vor, wenn der Bescheid mit Ausführungen begründet wurde, denen keinerlei Begründungswert zukommt (zB VfSlg. 9293/1981, 10.057/1984, 10.758/1986, 10.997/1986, 11.851/1988, 12.101/1989, 12.141/1989, 12.905/1991, 13.007/1992, 13.302/1992, 13.650/1993, 14.115/1995, 14.506/1996, 14.661/1996, 14.980/1997).

3.2.2. Die Begründung des angefochtenen Bescheides erschöpft sich nun darin, die in den Pkten. D.3. ("Stoffwechseluntersuchungen") bzw. D.4. ("Enzyme") der Honorarordnung des Gesamtvertrags für praktische Ärzte und Fachärzte der SVA enthaltene strittige Verrechnungsbeschränkung als - offenkundig - "unangemessen" bzw. "unverhältnismäßig" zu werten, ohne daß die Behörde auch nur den Versuch unternommen hätte, den sachlichen Gehalt der von ihr auf diese Weise gewerteten Regelungen darzustellen sowie ihre Wertung auch nur andeutungsweise zu begründen. In völliger Verkennung des tatsächlichen Inhaltes der Verrechnungsbeschränkungen nimmt die Behörde an, daß Vertragsärzte medizinisch notwendige Leistungen unentgeltlich zu erbringen hätten:

a) Zunächst hat die Behörde unbeachtet gelassen, daß die Honorarordnung - als Teil des Gesamtvertrags - das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Interessenvertretungen ist; sie bringt den zwischen den gegenbeteiligten Interessen erzielten Interessenausgleich zum Ausdruck, sodaß im allgemeinen davon auszugehen ist, daß die gesamtvertraglich vereinbarten ärztlichen Leistungen sowie die je geschuldeten Entgelte (Honorare) angemessen sind (vgl. , mwN). Die Annahme der Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit einer einzelnen Bestimmung des Gesamtvertrages gem. § 879 Abs 1 2. Fall ABGB muß deshalb eingehend begründet werden, insbesondere wäre darzulegen, aus welchen Gründen im besonderen Fall der Interessenausgleich als verfehlt anzusehen ist. Eine solche Begründung setzt voraus, daß sich die Behörde anhand der von ihr untersuchten Bestimmung mit der jeweiligen Interessenlage beider Vertragspartner beschäftigt, insbesondere diese nachvollziehbar ermittelt und in der Begründung ihres Bescheides (als Voraussetzung ihres Sittenwidrigkeitsurteils) darstellt. Auch die Frage der medizinischen Rechtfertigung der im Zusammenhang mit den Verrechnungsbeschränkungen erfolgten Gruppenbildung von Leistungen in der Honorarordnung kann eine Rolle spielen, wäre aber gegebenenfalls unter Beiziehung entsprechender Sachverständiger zu klären. Von all dem findet sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch kein Wort; der Bescheid läßt selbst eine genaue Darstellung des Inhaltes jener Regelungen vermissen, welche die Behörde als sittenwidrig bezeichnet.

b) Die Behörde hat auch die Rechtslage grob verkannt, wenn sie davon ausgeht, die strittige Verrechnungsbeschränkung sei mit dem in § 342 Abs 2 ASVG niedergelegten Grundsatz der Vergütung der vertragsärztlichen Leistung nach Einzelleistungen nicht zu vereinbaren und damit nichtig iS des § 879 Abs 1 (1. Fall) ABGB:

Gemäß § 342 Abs 1 Z 3 ASVG haben die Gesamtverträge ua. die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung, zu regeln. Der erste Satz des § 342 Abs 1 ASVG bestimmt hiezu, daß die vertragsärztliche Tätigkeit "grundsätzlich" nach Einzelleistungen zu vergüten sei. Es bleibt also den Vertragsparteien überlassen, das Honorar der Vertragsärzte zu bestimmen, wobei von einem weiten Gestaltungsspielraum auszugehen ist (vgl. Grillberger, in: Strasser [Hrsg.], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung [1995] 365).

Aus dem letzten Satz des § 342 Abs 2 ASVG ergibt sich zudem, daß die Gesamtverträge "eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit ..."

enthalten sollen. Wie sich aus dem hg. Erkenntnis VfSlg. 13.946/1994 ergibt, ist diese Bestimmung (nur) dahin zu verstehen, daß die Gesamtvertragsparteien - als (alleinige) Adressaten dieses gesetzlichen Auftrags - vorzukehren haben, daß die Krankenbehandlung das Maß des Notwendigen nicht überschreitet (vgl. § 133 Abs 2 ASVG).

In dem bereits erwähnten weiteren Erkenntnis vom , B1538/01, wurde ausgesprochen, daß eine gesamtvertragliche Honorarlimitierung (welche die Wirkung entfalten soll, daß ab einer bestimmten Fallzahl kein Honorar mehr zusteht) prinzipiell keinen Bedenken aus dem Blickwinkel des § 342 Abs 2 ASVG begegnet:

"Es steht den Parteien des Gesamtvertrags offen, welche Mittel sie einsetzen, um das ihnen gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen, soweit diese Mittel zur Zielerreichung geeignet, angemessen und auch sonst sachlich gerechtfertigt sind (vgl. allgemein zu den dem Gesetzgeber aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes gezogenen Grenzen zB VfSlg. 11.369/1987, 12.227/1989, 13.576/1993, 14.301/1995, 15.031/1997). Eine 'Deckelung' des Honorars in der Weise, daß auf Erfahrungswerten beruhende Leistungskennzahlen zugrunde gelegt werden, wobei immer dann, wenn bestimmte Kennzahlen überschritten werden, das auf die Einzelleistung bezogene Vertragsarzthonorar niedriger wird, ist zweifellos geeignet, dem gesetzgeberischen Ziel zu dienen. Die den vertragschließenden Teilen nach § 342 Abs 1 Z 3 ASVG zukommende Gestaltungsmacht darf daher - verfassungsrechtlich unbedenklich - in der Weise ausgeübt werden, daß - um die Funktionsfähigkeit des Krankenversicherungssystems auch künftig zu gewährleisten - die Pflicht des Krankenversicherungsträgers, die vertragsärztliche Tätigkeit zu vergüten, in der Honorarordnung angemessen begrenzt wird (zB indem - wie hier - ein Honorarlimit bestimmt wird; hiezu wiederum Grillberger, aaO 371 f)."

Es kann somit nicht gesagt werden, daß Verrechnungsbeschränkungen unter dem Gesichtspunkt des Gebotes der Verrechnung von Einzelleistungen gesetzlich ausgeschlossen wären.

c) Die belangte Behörde hat schließlich auch auf grobe Weise den Norminhalt der (von ihr im einzelnen nicht einmal dargestellten) strittigen Verrechnungsbeschränkungen verkannt: Davon, daß Vertragsärzte - wie die Behörde annimmt - wegen der Verrechnungsbeschränkung verhalten seien, medizinisch notwendige Untersuchungen ohne entsprechendes Honorar vorzunehmen, kann keine Rede sein; die in Rede stehenden Verrechnungsbeschränkungen haben nämlich (bloß) den Effekt, das auf jede zusätzlich erbrachte vertragsärztliche Leistung entfallende Honorar zu reduzieren. Nach den im Vorerkenntnis VfSlg. 15.560/1999 (Pkt. II.2.1.) wiedergegebenen (damaligen) Feststellungen der belangten Behörde wird durch die Verrechnungsbeschränkungen bei bestimmten Stoffwechseluntersuchungen eine Obergrenze in der Höhe der Summe der drei oder vier jeweils teuersten in Betracht kommenden Positionen eingezogen. Das Vertragsarzthonorar wird insoweit in gewisser Weise pauschaliert und dadurch an das von anderen Krankenversicherungsträgern ausbezahlte Honorar angeglichen, das - nach dem unwidersprochen gebliebenen Beschwerdevorbringen - hinter dem der SVA zurückbleibt.

d) Die belangte Behörde hat sich auch in keiner Weise damit auseinandergesetzt, daß - der vorliegenden Regelung vergleichbare - gesamtvertragliche Verrechnungsbeschränkungen nach ständiger sozialgerichtlicher Judikatur prinzipiell keinen Bedenken begegnen (vgl. Z 10 Ob S 403/98g, RdA 2000/16 [Anm. Kiesl]; , Z 10 Ob S 365/98v, RdA 2000/31 [Anm. Schrammel]; beide mwN).

4. Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie in mehreren für die Frage der Rechtsgültigkeit der strittigen Verrechnungsbeschränkung des Gesamtvertrags entscheidungswesentlichen Punkten jede nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben ist, Willkür geübt und die SVA in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.

Der Bescheid war daher - im bekämpften Umfang - aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- enthalten.

6. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).