OGH vom 27.11.2007, 10ObS140/07x

OGH vom 27.11.2007, 10ObS140/07x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Edwin B*****, vertreten durch Dr. Herbert Orlich, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 132/07h-14, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Invaliditätspension, deren Höhe ab monatlich 493,97 EUR, ab monatlich 501,87 EUR beträgt. Weiters bezieht er eine Unfallrente, die im Dezember 2006 224,55 EUR, ab Jänner 2007 228,14 EUR beträgt.

Außer den Krankenversicherungsbeiträgen zieht die Pensionsversicherungsanstalt von der Pensionsleistung auch Raten in Höhe von 117 EUR monatlich ab, dies aufgrund eines rechtskräftigen Bescheides über die Rückforderung eines Überbezuges an Ausgleichszulage wegen Nichtmeldung des Bezugs der Versehrtenrente. Der Kläger ist geschieden.

Mit Bescheid vom hat die Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers auf Gewährung der Ausgleichszulage mit der Begründung abgelehnt, dass das maßgebliche monatliche Gesamteinkommen die Höhe des in Betracht kommenden Richtsatzes erreiche bzw übersteige.

Das Erstgericht wies das auf Gewährung einer Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren ab. Trotz sozialer Not stehe dem Kläger eine Ausgleichszulage nicht zu, weil sein monatliches Gesamteinkommen, nämlich die Invaliditätspension einerseits (ohne Berücksichtigung der Abzüge aus dem seinerzeitigen Überbezug) und die Nettounfallrente andererseits, den Einzelrichtsatz des § 293 Abs 1 lit a und bb ASVG überschreite.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens infolge Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht (der Kläger hatte geltend gemacht, dass sich aus den Akten Hinweise auf seinen außergewöhnlich schlechten Gesundheitszustand und eine schwere Gehbehinderung ergeben hätten, die mit besonderen finanziellen Belastungen verbunden seien, die wiederum als unvermeidbare krankheitsbedingte Aufwendungen abzuziehen seien). Da der sozialversicherungsrechtliche Einkommensbegriff nicht mit dem Einkommensbegriff des EStG gleichzusetzen sei und aus diesem Grund Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen nicht als „gesetzlich geregelte Abzüge" iSd § 292 Abs 3 ASVG zu berücksichtigen sind, habe für das Erstgericht auch kein Anlass bestanden, den Kläger zu einem Vorbringen zur Geltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen anzuleiten.

Die Revision sei mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass zur Frage, ob krankheitsbedingte Mehraufwendungen unter die „gesetzlich geregelten Abzüge" des § 292 Abs 3 ASVG fallen, keine einheitliche und gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt er aber keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Oberste Gerichtshof ist in der ebenfalls einen Anspruch auf Ausgleichszulage betreffenden Entscheidung 10 ObS 421/01m (= SSV-NF 16/67) ausführlich auf die Frage eingegangen, inwieweit steuerrechtliche Regeln auf das Sozialversicherungsrecht übertragen werden können. Dies wurde im Sinne der ständigen Rechtsprechung - im Hinblick auf das Fehlen einer einheitlichen Begriffsbildung und die unterschiedlichen gesetzgeberischen Ziele - grundsätzlich verneint; allerdings schließe die Ablehnung einer generellen Rezeption des Steuerrechts nicht aus, im Einzelfall auftretende Zweifelsfragen unter Zuhilfenahme steuerrechtlicher Normen zu klären (ebenso Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 89 [92]).

Nach den Gesetzesmaterialien der 29. ASVG-Novelle (RV 404 BlgNR 13. GP 106) wird für die Berechnung des Nettoeinkommens nach § 292 Abs 3 ASVG die Absetzung von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen nach dem Einkommensteuerrecht für unstatthaft gehalten, um eine zweifache Berücksichtigung (einerseits bei der Einkommensbesteuerung, andererseits bei der Ausgleichszulagenbemessung) zu vermeiden. Diesem Standpunkt sind das Oberlandesgericht Wien als seinerzeitiges Höchstgericht in Sozialrechtssachen (in SSV 19/86 zur generellen Nichtabzugsfähigkeit von Sonderausgaben nach § 18 EStG 1972) und der Oberste Gerichtshof in 10 ObS 321/88 und 10 ObS 101/93 zur Nichtabzugsfähigkeit von Sonderausgaben nach § 18 Abs 1 Z 4 EStG 1972 (Verluste früherer Wirtschaftsjahre) gefolgt, wobei das Oberlandesgericht Wien ausdrücklich ausgesprochen hat, dass es sich bei den Sonderausgaben um steuerliche Absetzbeträge, keinesfalls aber um „gesetzliche geregelte Abzüge" iSd § 292 Abs 3 ASVG handle.

Die unterinstanzliche Judikatur hat diesen Standpunkt auch für außergewöhnliche Belastungen übernommen (ASG Wien SVSlg 33.416 [kein Abzug von als außergewöhnliche Belastung anerkannten Beträgen]; ASG Wien SVSlg 43.359 [ebenso, wenn auch mit der Einschränkung, dass ein Abzug von „außergewöhnlichen Aufwendungen" dann in Betracht kommt, „wenn sie zur Schaffung oder Verbesserung einer Einkommensquelle dienen, also wenn etwa ein Darlehen für eine Investition im Gewerbebetrieb aufgenommen wurde"]).

Ausgehend vom Zweck der Ausgleichszulage, dass dem Pensionsbezieher in pauschaler Weise ein Betrag zur Verfügung gestellt werden soll, mit dem ihm die Bestreitung eines angemessenen Lebensunterhalts ermöglicht wird, ist die „Summe der Einkünfte ... nach Ausgleich mit Verlusten" nach § 292 Abs 3 ASVG jener Betrag, der dem Pensionisten real zur Verfügung steht (10 ObS 35/87 = SSV-NF 1/21). Aus diesem Betrag tätigt er die Ausgaben für seinen Lebensunterhalt. In diesem Sinn ist der zur Verfügung stehende Betrag nicht schon vorweg um Ausgaben zu kürzen, die der Bestreitung der Lebensführung dienen, und zwar unabhängig davon, ob diese Ausgaben bei einer Person überdurchschnittlich hoch sind.

Hinsichtlich ihrer fehlenden Abzugsfähigkeit im Ausgleichszulagenrecht sind die allein steuerrechtlich relevanten Sonderausgaben (§ 18 EStG) und außergewöhnlichen Belastungen (§ 34 EStG) durchaus vergleichbar. Bei Sonderausgaben handelt es sich eigentlich um Ausgaben im Rahmen der Einkommensverwendung, oder - mit anderen Worten - Ausgaben, die der Sphäre der Lebensführung zugehören (Büsser in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 27. Lfg [August 2003] § 18 Abs 1 EStG 1988 allgemein mwN). Obwohl es sich um Kosten der Lebensführung handelt, sind sie ausnahmsweise steuerlich zu berücksichtigen. Auch bei den als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG in Betracht kommenden Aufwendungen handelt es sich in der Regel bestimmungsgemäß um Kosten der Lebensführung (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 36. Lfg [April 2006] § 34 Abs 1 EStG Rz 4).

Die Ausführungen der Revision geben daher keinen Anlass, im Ausgleichszulagenrecht von der Nichtabzugsfähigkeit außergewöhnlicher Belastungen abzugehen.

Mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.