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OGH vom 15.02.1996, 15Os166/95

OGH vom 15.02.1996, 15Os166/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Mänhardt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr.Kurt L***** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes Salzburg-Stadt gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 39 Vr 2645/95-107, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr.Kurt L***** (im zweiten Rechtsgang) von der Anklage, er habe als Geschäftsführer der Dr.K***** GesmbH in Salzburg vorsätzlich

1. unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1982, und zwar infolge Geltendmachung ungerechtfertigter Vorsteuergutschrift aus fingierten Einkaufsrechnungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von 587.538 S bewirkt, sowie

2. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch ungerechtfertigte Geltendmachung von Vorsteuern aus fingierten Einkaufsrechnungen Umsatzsteuervorauszahlungen für die Zeiträume Jänner bis Dezember 1983 in Höhe von 1,078.309 S und Jänner bis August 1984 in Höhe von 1,744.576 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten,

er habe hiedurch die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung zu 1. nach § 33 Abs 1 (im Ersturteil unrichtig: Abs 2) FinStrG und zu 2. nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den Urteilsannahmen hat der Angeklagte als Geschäftsführer der Dr.K***** GesmbH in der Umsatzsteuerjahreserklärung 1982 Vorsteuergutschriften auf Grund fingierter Einkaufsrechnungen geltend gemacht und dadurch eine Verkürzung von Umsatzsteuer in Höhe von 587.538 S 1.) sowie bei Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen in bezug auf den Zeitraum Jänner 1993 bis August 1994 unter Verletzung der Bestimmung des § 21 UStG durch Geltendmachung von Vorsteuern auf Grund fingierter Einkaufsrechnungen eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von 2,822.855 S 2.) bewirkt.

Diese verfahrensgegenständlichen Vorsteuergutschriften und Vorsteuern wurden auf Grund von Gefälligkeitsrechnungen des mittlerweile verstorbenen Bruno R***** geltend gemacht, mit denen Schwarzlieferungen anderer Firmen an die oben bezeichnete GesmbH rechnungsmäßig abgedeckt werden sollten. Diese "Gefälligkeitsrechnungen" R*****s konnten mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 11 (im Ersturteil unrichtig: § 21) UStG einen rechtmäßigen Vorsteuerabzug nicht bewirken.

Trotz dieser Feststellungen zum objektiven Sachverhalt gelangte das Schöffengericht zum Freispruch, weil es hinsichtlich der subjektiven Tatseite die - im Urteil unnötigerweise in extenso wiedergegebene - Verantwortung des Angeklagten als unwiderlegt ansah.

Dieser hatte vorgebracht, alle Rechnungen seien auf Grund tatsächlicher Lieferungen ausgestellt worden und der Rechnungsbetrag habe dem Wert der gelieferten Ware entsprochen; R***** sei - von geringen Ausnahmen abgesehen - nur der Rechnungslieferant gewesen, weshalb die GesmbH den gesamten Rechnungsbetrag inklusive Umsatzsteuer an R***** bezahlt, dieser seinerseits aber die Abführung der Umsatzsteuer unterlassen habe; der Angeklagte sei der Meinung gewesen, daß ungeachtet der fehlenden Identität zwischen Rechnungsaussteller und Lieferant nicht das Subjekt, sondern der Vorgang von der Umsatzsteuer erfaßt werde, weshalb nicht die GesmbH, welche die Umsatzsteuer ja abgeführt hat, sondern Bruno R***** diese Steuer hinterzogen habe.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden; während die der Staatsanwaltschaft auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 ZPO gestützt wird, macht das Finanzamt - nicht näher differenziert - Gründe der Z 5 und 9 lit a der zitierten Gesetzesstelle geltend.

Der Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zunächst zu erwidern, daß der Oberste Gerichtshof bereits in seiner kassatorischen Entscheidung im ersten Rechtsgang vom , 15 Os 90/91, zum Ausdruck gebracht hat, der (unreflektierte) bloße Hinweis auf Vorbildung und langjährige kaufmännische Tätigkeit des Angeklagten sei keine zureichende Begründung für die Ablehnung seiner eine Verwirklichung der subjektiven Tatseite in bezug auf die ihm zur Last gelegten Verfehlungen in Abrede stellenden Verantwortung. Daran vermag auch die nun in der Mängelrüge aufgestellte Behauptung, die Schwarzeinkäufe hätten zu einer Umsatzsteigerung mit dem Effekt geführt, daß die ungerechtfertigt lukrierte Vorsteuer das Unternehmen mitfinanzierte, nichts zu ändern. Das weitere Beschwerdevorbringen hingegen, die "völlig abwegige umsatzsteuerliche Konstruktion des Angeklagten" stelle eine zwangsläufige Schutzbehauptung dar und die Abgabenverkürzung in bezug auf 1982 sei vorsätzlich, jene hinsichtlich der Jahre 1983 und 1984 sei wissentlich erfolgt, ist ein unzulässiger Angriff auf die Beweiswürdigung; damit wird kein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes geltend gemacht, sondern der Versuch unternommen, nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter zu bekämpfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist daher nicht berechtigt.

Auch die Beschwerde der Finanzstrafbehörde erster Instanz vermag keinen Urteilsfehler im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzuzeigen. Mit dem Vorbringen, dem einschlägig vorgebildeten Angeklagten seien die Grundsätze des Umsatzsteuersystems voll bewußt gewesen, die gegenteilige Urteilsannahme sei realitätsfremd und widerspreche den Denkgesetzen, die Konsequenz wäre die Möglichkeit, die auf Grund einer Lieferung oder Leistung entstandene Umsatzsteuerschuld willkürlich und beliebig auf andere Personen zu verlegen, ist sie auf die Ausführungen in Erledigung der Mängelrüge der Staatsanwaltschaft zu verweisen.

Des weiteren moniert die Finanzstrafbehörde ein Unterbleiben von Feststellungen, wonach der Angeklagte die gesamte in den fingierten Rechnungen des Bruno R***** ausgewiesene Rechnungssumme an diesen entweder in bar übergeben oder überwiesen habe und sich den Betrag abzüglich der Umsatzsteuer und einer Provision auf sein Privatkonto (Aussage des Angeklagten vor dem Finanzamt Salzburg-Stadt vom S 99/I = S 317/I = S 535/I, Aussage des Bruno R***** vor dem Finanzamt für den ersten Bezirk in Wien vom und vom S 128 und 132/II) habe rückerstatten lassen, womit der in den Kassabüchern und Überweisungsbelegen des Unternehmens dokumentierte Zahlungsfluß an R***** offenkundig die Echtheit der in Rechnung gestellten Geschäftsvorgänge vortäuschen sollte, eine Vorgangsweise, aus der sich das beim Angeklagten schon zum Tatzeitpunkt vorhandene Unrechtsbewußtsein in Form einer qualifiziert vorsätzlichen (gemeint: wissentlichen), auf eine Abgabenverkürzung gerichtete Tatbegehung erhelle.

Ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) in Ansehung des Zahlungsflusses an R***** liegt nicht vor. Denn dieser Umstand wurde vom Angeklagten in den vom Schöffengericht im Urteil (wörtlich) wiedergegebenen Aussagepassagen eingeräumt, die das Erstgericht (als insoweit nicht widerlegt) seinem Urteil als Sachverhaltsfeststellung unterlegte.

Den Geldrückfluß auf ein Privatkonto des Angeklagten erwähnte das Erstgericht in der umfänglichen Wiedergabe der Aussage des Angeklagten allerdings nicht und nahm demnach in seiner global gehaltenen Beurteilung dieser Aussagen dazu nicht Stellung. Insoweit ist das Vorbringen der Finanzstrafbehörde als Geltendmachung eines Begründungsmangels (Z 5) anzusehen.

Ein solcher liegt indes im Ergebnis nicht vor: Der von R***** in den erwähnten Aussagen geschilderte, vom Angeklagten eingestandene (S 99/I, 20/II) und zT aus Urkunden ersichtliche (S 35 bis 39/I) Rückfluß auf ein Privatkonto des Angeklagten brachte nach seinen Behauptungen für ihn keinen Nutzen (S 20/II), sodaß - folgt man dieser Behauptung - die rückgeführten Gelder der Dr.K***** GesmbH zugeführt wurden. Wären sie indes beim Angeklagten verblieben, könnte dies nach Lage des Falles nur ein Indiz für ein vom Angeklagten als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft zu deren Nachteil verübten Vermögensdeliktes abgeben.

Auch der Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde kommt somit keine Berechtigung zu.

Abschließend ist dem Vorbringen in beiden Nichtigkeitsbeschwerden (jeweils in Form eines obiter dictum), richtigerweise hätte ein Freispruch gemäß § 214 FinStrG ergehen müssen, entgegenzuhalten, daß der Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO im Ergebnis deswegen zu Recht erfolgte, weil eine rechtliche Beurteilung der Taten des Angeklagten als verwaltungsbehördlich zu ahndendes Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit oder der fahrlässigen Abgabenverkürzung wegen Eintrittes absoluter Verjährung am (§ 31 Abs 5 FinStrG) und somit schon zur Zeit der Urteilsfällung in erster Instanz ausgeschlossen war (vgl Dorazil/Harbich, FinStrG MGA 52 § 214 E 15). Der Vollständigkeit halber sei jedoch hinzugefügt, daß die Rechtsmeinung des Schöffengerichtes, dem Angeklagten könne auch Fahrlässigkeit nicht zugerechnet werden, bei der vorliegenden groben Unkenntnis der für den Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft maßgeblichen Abgabenvorschriften verfehlt ist.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO (in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur) zurückzuweisen.