OGH vom 28.06.2011, 10Ob47/11a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm sowie Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. W*****, 2. Mag. L*****, beide vertreten durch Dr. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, 3. E*****, 4. Katherina M*****, 5. Thomas M*****, 6. Verlassenschaft nach dem am verstorbenen H*****, 7. G*****, alle vertreten durch Dr. Werner Heißig, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P*****, 2. P*****, beide vertreten durch Dr. Franz J. Salzer Rechtsanwalt KEG (KG) in Wien, und ihres Nebenintervenienten Z*****, vertreten durch Eckert Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 131/11b 26, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die außerordentliche Revision der erst und der zweitklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2. Die außerordentliche Revision der anderen klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu 2.: Das Berufungsgericht bestätigte die Aufhebung der von den klagenden Vermietern eingebrachten Aufkündigung des Mietvertrags vom über Geschäftsräumlichkeiten. Sein Urteil wurde dem Rechtsanwalt des Erst und des Zweitklägers am , jenem der anderen Kläger am zugestellt. Die außerordentliche Revision wurde von allen Klägern am im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht.
Die außerordentliche Revision der dritt- bis siebentklagenden Parteien ist verspätet. Mehrere Miteigentümer als Bestandgeber bilden im Kündigungsstreit zwar eine einheitliche Streitpartei (§ 14 ZPO;5 Ob 620/77 = RIS Justiz RS0013416 [T9]; Schubert in Fasching/Konecny ² II/1 § 14 ZPO Rz 9). Die Regelung des § 14 Satz 2 ZPO, wonach sich die Wirkung der Prozesshandlungen des tätigen Streitgenossen auch auf säumige Streitgenossen erstreckt, verhindert aber nicht, dass einzelne Streitgenossen eines eigenen Rechtsmittels durch Verstreichenlassen der Rechtsmittelfrist verlustig gehen. Diese Frist läuft nämlich auch bei der einheitlichen Streitpartei gegen jeden einzelnen Streitgenossen gesondert (9 Ob 36/05t = RIS Justiz RS0120144). Sie wird für jeden der Streitgenossen mit Bewirkung der Zustellung an ihn in Gang gesetzt und endet demnach für jeden Streitgenossen mit Ablauf der durch den jeweiligen Zustellakt ausgelösten Frist. Erhob jedoch einer der Streitgenossen ein Rechtsmittel, so wirkt es auch zu Gunsten der Säumigen (9 Ob 36/05t; Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 505 Rz 14 mwN).
Da die dritt bis siebentklagenden Parteien ihre außerordentlichen Revisionen erst nach Ablauf der vierwöchigen Revisionsfrist (§ 505 Abs 2 ZPO) erhoben haben, waren ihre Rechtsmittel als verspätet zurückzuweisen.
Zu 1.: Von den in der außerordentlichen Revision als im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich bezeichneten Rechtsfragen hängt die Entscheidung nicht ab. Denn selbst wenn die Absicht der den Mietvertrag vom schließenden Parteien (den Rechtsvorgängern der Streitteile) darauf gerichtet gewesen sein sollte, dass die Mieter eine Erhaltungspflicht der Außenmauern (Fassaden) der Gebäude, in dem sich der im schriftlichen Mietvertrag umschriebene Mietgegenstand (Geschäftsräumlichkeiten und Haushof) befindet, und der zu den Nachbarliegenschaften weisenden Feuermauern trifft, und dies gemäß § 16 Abs 1 Z 3 MG wirksam vereinbart worden wäre, führte dies nicht zur Bejahung der Begründetheit der auf § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG (erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand) gestützten gerichtlichen Aufkündigung vom .
Nach § 1 Abs 1 MRG gilt dieses Bundesgesetz „für die Miete von Wohnungen und einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art ... samt den etwa mitgemieteten ... Haus oder Grundflächen ... für die genossenschaftlichen Nutzungsverträge über derartige Objekte (im folgenden Mietgegenstände genannt)“. Hinsichtlich dieser Mietgegenstände gewährt das MRG einen besonderen Kündigungsschutz. Es ist unstrittig, dass das gegenständliche Mietverhältnis gemäß § 1 Abs 1 MRG als Miete von Geschäftsräumlichkeiten den Bestimmungen des MRG unterliegt (s § 43 Abs 1 MRG; was die geltend gemachte vertragliche Übernahme der Erhaltung durch den Mieter als Teil der Mietzinsvereinbarung betrifft, ist die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Rechtslage maßgeblich [vgl 5 Ob 99/87; 5 Ob 146/92]). Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (8 Ob 536/92) hat, setzt der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG einen nachteiligen Gebrauch von einem in § 1 Abs 1 MRG aufgezählten Mietgegenstand voraus. Fassaden und Außenmauern befinden sich aber außerhalb eines solchen Mietgegenstands und gehören zu den allgemeinen Teilen des Hauses (§ 3 Abs 2 Z 1 MRG; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet und Wohnrecht 22 § 3 MRG Rz 11 mwN). Die von den Klägern behauptete vertragliche Erhaltungspflicht, deren Verletzung als Grund der Kündigung geltend gemacht wurde, betrifft Gebäudeteile, die nicht zum Mietgegenstand der Beklagten gehören. Auch wenn man von der Anwendbarkeit des Spezialtatbestands des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG im Anlassfall ausgeht, so hängt doch die Frage, ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinne dieser Gesetzesstelle (s RIS Justiz RS0067832; RS0068076) vorliegt oder nicht, immer von den Umständen des einzelnen Falls ab (RIS Justiz RS0068103). Eine Fortsetzung des Bestandverhältnisses erscheint den Klägern zumutbar, zumal die Beklagten die Bauarbeiten an den Fassaden, zu denen sie von den Klägern im November 2008 aufgrund eines Bauauftrags der Baubehörde vom aufgefordert worden waren, ausführen und von der Baupolizei beanstandete, weil nur mit einem Vorspritzputz versehene Flächen, mit Verputz überarbeiten ließen. Konkrete Ausführungen, dass die Fortsetzung des Bestandverhältnisses den Klägern trotz der von den Beklagten veranlassten Maßnahmen unzumutbar ist, enthält die außerordentliche Revision nicht.
Gemäß § 30 Abs 1 MRG kann der Vermieter den Mietvertrag aus wichtigen Gründen kündigen. Nach ständiger Rechtsprechung liegt bei einem Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen ein Kündigungsgrund nach dieser Gesetzesstelle nur dann vor, wenn hiedurch wichtige Interessen des Vermieters in einer Weise verletzt werden, dass dies einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Vermieters gleichkommt, was der Vermieter schon in der Aufkündigung dartun muss (RIS Justiz RS0070227; 4 Ob 2135/96, SZ 69/177). Eine derartige Gefährdung haben die Kläger nicht behauptet.