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OGH vom 14.02.2018, 15Os164/17g

OGH vom 14.02.2018, 15Os164/17g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Strafsache gegen Shahedullah S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Geschworenengericht vom , GZ 11 Hv 62/17x-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Shahedullah S***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am in L***** versucht, Omid R***** zu töten, „indem er zunächst mit einem Jausenmesser mit einer Klingenlänge von ca 11 cm einen Stich gegen dessen Körper führte, wobei er aufgrund einer Abwehrbewegung des Omid R***** lediglich dessen linken Unterarm traf und in der Folge mit dem selben Messer einen gezielten, wuchtigen Stich gegen den Hinterkopf des Omid R***** ausführte, wobei die Klinge des Messers stark deformiert wurde und es nur glücklichen Umständen zu verdanken ist, dass die Klinge des Messers nicht durch den Schädelknochen ins Gehirn eindrang bzw ein großes Blutgefäß verletzte“.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage bejaht, die Zusatzfrage nach Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB), irrtümlicher Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts (§ 8 StGB) oder Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB) hingegen verneint. Die weiters gestellten Eventualfragen und die entsprechenden Zusatzfragen blieben demgemäß unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Diese verfehlt ihr Ziel.

Mit Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am gestellten Antrags (ON 47 S 48) auf Durchführung einer Tatrekonstruktion an der „Vorfallsörtlichkeit“ und Befragung der Tatzeugen dort selbst. Eine Beurteilung der Angaben des Angeklagten sowie der Zeugen im Zusammenhang mit konkreten Ortsangaben sei wesentlich besser geeignet, den Geschworenen eine Beurteilung der Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit der betreffenden Angaben zu ermöglichen als die bloße Befragung im Zeugenstand.

In einem Beweisantrag müssen die Beweisthemen so substanziiert werden, dass unter Zugrundelegung der Verfahrensergebnisse im Zeitpunkt der Antragstellung bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zu erwarten ist (RISJustiz RS0107445).

Es wäre daher Sache des Antragstellers gewesen, darzulegen, inwieweit die Vernehmung der Zeugen am– topographisch unauffälligen – Tatort (Platz vor dem Schulgebäude) geeignet sein könnte, die „Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit der betreffenden Angaben“ zu klären und damit die Lösung der Schuldfrage nachhaltig zu beeinflussen (vgl Hinterhofer, WK-StPO §§ 149, 150 Rz 61; RISJustiz RS0116503 [T9]). Dem Antragsvorbringen war aber nicht zu entnehmen, weshalb die strittige und entscheidungswesentliche Frage, ob zunächst der Angeklagte den Omid R***** mit dem Messer verletzte oder dieser den Angeklagten davor mit einem Stein bedroht hatte, nach einer Tatrekonstruktion an Ort und Stelle „wesentlich besser“ beurteilt werden könnte als nach einer Vernehmung der Zeugen im Verhandlungssaal.

Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung des Antrags sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption dieses Nichtigkeitsgrundes unbeachtlich (RISJustiz RS0099618).

Weshalb schließlich die Durchführung der beantragten Tatrekonstruktion „zur Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und der Verteidigungsrechte des Angeklagten im Rahmen eines fairen Verfahrens“ geboten gewesen wäre, bleibt unklar.

Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 10a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie es die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht ermöglicht (RISJustiz RS0119583).

Mit Kritik an den von der gerichtsmedizinischen Sachverständigen an einem Schweinekopf durchgeführten Stichversuchen und dem Vorbringen, es wäre auf Grundlage der Angaben des Sachverständigen für Metallurgie davon auszugehen gewesen, dass das Obstmesser nicht ausreichend stabil war, um Lebensgefahr zu bewirken, sowie mit dem Hinweis auf isoliert wiedergegebene Details der Aussage des Tatopfers zu den Folgen des Messerstichs (vgl aber ON 47 S 23 „Die Schmerzen beim Kopf hatte ich rund zwei Monate gespürt“) gelingt es der Tatsachenrüge nicht, solche erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Nichts anderes gilt für die spekulative Überlegung, die Geschworenen hätten der Beantwortung der an sie gestellten Fragen „offensichtlich“ die „verfehlten Ausführungen der medizinischen Sachverständigen“ zugrunde gelegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zum Konfiskationsausspruch (§ 19a Abs 1 StGB) bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass– entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – aus Sicht des Obersten Gerichtshofs der Feststellungswille der Tatrichter in Bezug auf das (Allein-)Eigentum des Angeklagten am „sichergestellten Messer“ (US 4) noch hinreichend deutlich erkennbar ist (vgl ON 47 S 40, ON 61 S 7; RIS-Justiz RS0117228).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00164.17G.0214.000
Schlagworte:
Strafrecht;

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