OGH vom 29.01.2015, 9Ob43/14k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D***** K***** und 2. A***** K*****, beide: *****, beide vertreten durch Benedikt Wallner Rechtsanwalt Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. H***** N*****, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkursverfahren des N***** B*****, AZ ***** S ***** des Landesgerichts *****, wegen Feststellung einer bedingten Insolvenzforderung von 44.373,51 EUR, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 24/14f 17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 16 Cg 96/12k 13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Das unterbrochene Verfahren wird aufgenommen. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird wie im Kopf der Entscheidung ersichtlich berichtigt.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.848,71 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 308,12 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Zum Fortsetzungsbeschluss :
1. Aus dem Firmenbuch ergibt sich, dass die ursprünglich beklagte N***** B*****gmbH (FN*****) aufgrund eines Generalversammlungsbeschlusses vom gemäß §§ 2 ff UmwG durch Übertragung des Unternehmens auf den Gesellschafter N***** B***** umgewandelt wurde. Die Gesellschaft wurde aufgelöst, im Firmenbuch am gelöscht und als nicht protokolliertes Unternehmen von N***** B***** fortgeführt. Eine solche Umwandlung stellt eine
Gesamtrechtsnachfolge dar, sodass nach der Rechtsprechung auch noch im Revisionsverfahren eine Berichtigung der Parteienbezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO der ursprünglich Beklagten auf N***** B***** zu erfolgen hätte (9 Ob 154/00p; 2 Ob 156/01g; RIS Justiz RS0039530 [T8, T 9]).
2. Über das Vermögen des N***** B***** wurde jedoch nach Vorlage der Akten an das Revisionsgericht mit Beschluss vom des Landesgerichts *****, AZ ***** S *****, das Insolvenzverfahren als Konkursverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. H***** N***** zum Masseverwalter bestellt. Aus der von den Klägern vorgelegten Forderungsanmeldung ergibt sich, dass diese im Konkursverfahren beantragten, eine bedingte Insolvenzforderung in Höhe von 44.373,51 EUR (Feststellungsinteresse: 30.000 EUR, bisher entstandene Verfahrenskosten: 14.373,51 EUR) festzustellen. Die Kläger beantragten am beim Erstgericht die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens. Die Klageforderung sei im Insolvenzverfahren angemeldet und vom Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung bestritten worden.
3. Ist die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 7 Abs 1 IO im Revisionsstadium eingetreten, dann ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über den Aufnahmeantrag und die Berichtigung der Bezeichnung der Partei, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, berufen (§ 165 Abs 1 ZPO; RIS Justiz RS0097353 ua). Aus Anlass der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das Klagebegehren von Amts wegen in diesem Umfang in ein Begehren auf Feststellung einer Insolvenzforderung zu ändern (RIS Justiz RS0041103 ua).
II. Zur Entscheidung in der Hauptsache :
Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass die ursprünglich Beklagte ihnen für jeden Vermögensschaden hafte, welcher den Klägern aus der empfohlenen Hebelkonstruktion in Zusammenhang mit dem Fremdwährungskreditvertrag, dem fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag und dem Devisenmanagementvertrag entstehe. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, brachten sie vor, dass die Ansprüche entgegen dem Einwand der Beklagten nicht verjährt seien, weil der Schuldner den Klägern immer wieder zugesichert habe, die Kurse würden sich wieder erholen. Dass das abgeschlossene Modell deutlich risikoreicher als von ihnen gewünscht gewesen sei, sei ihnen erst im Mai 2011 bewusst geworden. Der Verjährungseinwand sei arglistig und verstoße gegen Treu und Glauben.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt, indem es die Feststellung der begehrten Haftung der ursprünglich Beklagten nach oben hin begrenzt mit einem Betrag von 156.000 EUR feststellte. Das darüber hinausgehende Klagebegehren, die Haftung der ursprünglich Beklagten ohne Betragsbegrenzung festzustellen, wies es hingegen ab. Im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens erwuchs sein Urteil unangefochten in Teilrechtskraft. Das Erstgericht bejahte einen Beratungsfehler. Infolge der Beschwichtigungen des Schuldners und vor dem Hintergrund, dass in der verjährungskritischen Zeit vor August 2009 die Entwicklungen des Kreditsaldos und des Tilgungsträgers stagnierten bzw leicht positiv waren, verstoße der von der Beklagten erhobene Verjährungseinwand gegen Treu und Glauben.
Das Berufungsgericht änderte über Berufung der ursprünglich Beklagten dieses Urteil im gänzlich klageabweisenden Sinn ab. Die Kläger hätten mit der gewählten Vertragskonstruktion nicht nur die Tilgung ihres Altkredits angestrebt, sondern auch eine Pensionsvorsorge, wobei sie bei Kenntnis der tatsächlichen Risken der Gesamtkonstruktion vom Abschluss der Verträge Abstand genommen hätten. Bereits mit dem Abschluss der Vertragskonstruktion sei im vorliegenden Fall daher der (Primär )Schaden eingetreten. Die Kläger hätten spätestens Ende 2008 nicht nur Kenntnis vom eingetretenen Schaden haben müssen, sondern es sei ihnen spätestens am auch tatsächlich bewusst gewesen, dass sie eine Vertragskonstruktion gewählt hatten, die neben starken Schwankungen des Werts der gewählten Veranlagungsprodukte auch eine hohe Risikoträchtigkeit des Gesamtkonzepts mit sich brachte. Dass die Kläger dies erkannt haben, ergebe sich auch daraus, dass sie am vom Schuldner eine Erklärung gefordert hätten, wie es zu so einem „Desaster“ habe kommen können. Es sei daher von einem Beginn der Verjährung der geltend gemachten Forderungen jedenfalls mit Ende 2008 auszugehen, sodass die Verjährung zum Zeitpunkt des Einbringens der Klage am bereits eingetreten gewesen sei. Eine sittenwidrige Vorgangsweise der ursprünglichen Beklagten oder des für sie handelnden Schuldners liege nicht vor. Weder habe der Schuldner aktiv die Kläger von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten, noch habe er sonst den Eindruck erweckt, den Einwand der Verjährung nicht erheben zu wollen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob Beschwichtigungsversuche eines Anlageberaters in einem Fall wie dem vorliegenden dazu führen, dass eine Berufung auf die eingetretene Verjährung auch bei Kenntnis des Geschädigten vom Primärschaden und ohne Bezugnahme auf Ansprüche des geschädigten Anlegers gegen den Anlageberater als ein Treu und Glauben widersprechendes Verhalten anzusehen seien.
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Beschwichtigungsversuchen kann, wie das Berufungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung ausgeführt hat, in zweierlei Hinsicht Bedeutung zukommen: Zum einen kann dadurch auf der Tatsachenebene die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit der Beginn der Verjährungsfrist hinausgeschoben werden. Zum anderen können jedoch selbst bei früherer Erkennbarkeit des Schadenseintritts derartige Beschwichtigungsversuche nach der Rechtsprechung dazu führen, dass dem Verjährungseinwand der beklagten Partei die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann (6 Ob 103/08b; RIS Justiz RS0034951 [T33]). Welche Auswirkungen „Beschwichtigungsversuche“ auf die Verjährung der Ansprüche von Anlegern haben, ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen und wirft daher regelmäßig abgesehen von krassen Fehlbeurteilungen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (3 Ob 205/13p ua). Eine die Zulässigkeit der Revision dennoch rechtfertigende unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts zeigen die Revisionswerber jedoch nicht auf.
2. Die Kläger wussten schon im November 2007, dass die monatliche Belastung auf das Doppelte angestiegen war. Ende 2008 wurde ihnen von der D***** GmbH, mit der die Kläger im Rahmen der Gesamtkonstruktion einen Devisenmanagementvertrag abgeschlossen hatten, mitgeteilt, dass eine Konvertierung des Kredits in Euro durchgeführt werden musste und sie „aus der Verwaltung“ genommen werden. Am war den Klägern aus einem Kontoauszug bekannt, dass die Verbindlichkeiten auf 197.000 EUR angewachsen waren und dass sich ihre Veranlagung aufgrund der Finanzmarktkrise reduziert hat. Vor diesem Hintergrund begegnet die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass den Klägern spätestens Ende 2008 tatsächlich bewusst war, dass die erhaltene Beratung unrichtig war und sie eine von ihnen nicht gewünschte risikoreiche Veranlagung abgeschlossen hatten, sodass die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB mit diesem Zeitpunkt (spätestens), in dem sie Kenntnis vom Primärschaden hatten, zu laufen begonnen hat (RIS Justiz RS0087615), im konkreten Fall keinen Bedenken. Dem Argument des Berufungsgerichts, dass den Klägern die Risikoträchtigkeit ihrer Veranlagung Ende 2008 bekannt war, sodass ein Hinausschieben der Erkennbarkeit des Schadens hier nicht in Betracht komme, halten die Revisionswerber im Wesentlichen entgegen, dass der Schuldner sie nicht nur „beschwichtigt“, sondern durch die vertragswidrig erfolgte Konvertierung aktiv dazu beigetragen habe, dass die Kläger ihre Rechte nicht geltend machen können. Damit übergehen sie aber, dass worauf das Berufungsgericht ebenfalls hingewiesen hat die Kläger in ihrem E Mail vom , in dem sie um Aufklärung des „Desasters“ ersuchten, den Schuldner ausdrücklich auch auf diese (Re )Konvertierung ansprachen.
3. Nach der Rechtsprechung kann sich der Schuldner, der den Gläubiger arglistig davon abgehalten hat, ihm zustehende Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen, gegenüber diesem nicht auf Verjährung berufen (RIS Justiz RS0014826; RS0014832; RS0014838; RS0034537). Auch die Frage, ob die Einrede der Verjährung gegen Treu und Glauben verstößt, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0014838 [T15]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Schuldner hier weder aktiv dazu beigetragen hat, die Kläger von der Geltendmachung ihrer Rechte abzuhalten, noch sonst den Eindruck erweckt hat, allfälligen Ansprüchen der Kläger den Einwand der Verjährung nicht entgegensetzen zu wollen, ist nach den getroffenen Feststellungen vertretbar. Nach der Rechtsprechung verstößt ein solches Verhalten des Schuldners gegen die guten Sitten, auf Grund dessen der Gläubiger nach objektiven Maßstäben der Auffassung sein konnte, sein Anspruch werde entweder ohne Rechtsstreit befriedigt oder nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, sodass er aus diesen Gründen eine rechtzeitige Klagsführung unterlassen hat (RIS Justiz RS0034537 [T8]). Die Kläger haben im Verfahren nicht näher vorgebracht, durch welches Verhalten der Schuldner diese Voraussetzungen konkret verwirklicht haben soll. Mit der bloßen Behauptung, ein solches Verhalten des Schuldners liege schon darin, dass dieser für seine Tätigkeit regelmäßig Entgelt von den Klägern erhalten habe, zeigen die Revisionswerber keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht der Vorinstanzen auf.
4. Die Revisionswerber führen unter Berufung auf eine Ablaufhemmung der Verjährung vergleichbar jener bei Vergleichsgesprächen ins Treffen, dass die Verjährungsfrist, die zwischen Ende 2007 und 2008 schon ein Jahr abgelaufen gewesen sei, infolge der Beschwichtigungsversuche des Schuldners, der am gegenüber den Klägern angegeben habe, dass die bisherigen Kursverluste in „ein bis zwei Jahren“ ausgeglichen sein würden, für zwei Jahre, daher bis Ende 2010, in ihrem Ablauf gehemmt gewesen sei, sodass die Klage durchaus fristgerecht eingebracht worden sei. Sie übergehen dabei aber, dass bei einer Ablaufhemmung nicht der Lauf der hier Ende 2008 begonnenen Verjährungsfrist verhindert wird, sondern nur ihr Ablauf (vgl nur Dehn in KBB 4 § 1494 Rz 1, 3 mwN), der hier aber ohnehin erst Ende 2011, und damit rund acht Monate vor Einbringung der Klage erfolgte, sodass die Kläger auch mit diesem Argument keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Einzelfall darlegen.
Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision der Kläger daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS Justiz RS0035979). Für die Revisionsbeantwortung ist keine Pauschalgebühr gemäß TP 3 GGG zu entrichten, ein ERV Zuschlag gebührt gemäß § 23a RATG nur in Höhe von 1,80 EUR.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00043.14K.0129.000