OGH vom 21.06.2004, 10Ob46/04v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ivan M***** OEG, *****, vertreten durch Mag. Alexander Schneider, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** & Co GesmbH, *****, vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die auf deren Seite beigetretene Nebenintervenientin Mag. Johanna Abel-Winkler, Rechtsanwältin, *****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der H***** Aktiengesellschaft (4 S 246/00d des Handelsgerichtes Wien), wegen EUR 22.872 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 20.872,-- sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 213/03a-71, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die von der klagenden Partei geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Eine Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO liegt nämlich nur dann vor, wenn dem Urteil des Berufungsgerichtes in einem wesentlichen Punkt eine tatsächliche Voraussetzung zu Grunde gelegt wird, welche mit den Prozessakten erster und zweiter Instanz im Wiederspruch steht, wenn also Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden (RIS-Justiz RS0043203, RS0043347). Die von der klagenden Partei als aktenwidrig gerügte Feststellung des Erstgerichtes, wonach mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine Grundgeräuschpegelüberschreitung im Kaffeeraum der klagenden Partei bei geschlossener Tür gemäß ÖAL-Richtlinie aufgetreten sei, beruht, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, auf den entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten (S 16 in ON 57), sodass von einer auf einer aktenwidrigen Grundlage getroffenen Feststellung nicht gesprochen werden kann. Die Feststellungen des Erstgerichtes sind, wie ebenfalls das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, auch nicht widersprüchlich.
Nach den zutreffenden Rechtsausführungen der Vorinstanzen kann der Geschädigte nach der (hier analog anwendbaren) Bestimmung des § 364a ABGB nur den Ersatz jenes Schadens begehren, der durch die über das nach § 364 Abs 2 ABGB zu duldende Maß hinausgehenden Immissionen verursacht wird (8 Ob 372/97g, SZ 61/273; Spielbüchler in Rummel, ABGB³ § 364a Rz 9 mwN ua). Nach der zuletzt genannten Bestimmung sind Immissionen nur soweit unzulässig, als sie "das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen".
Hinsichtlich der Ortsüblichkeit von Baulärm hat der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass "in einem geschlossenen Siedlungsgebiet, in dem auch bei gleichbleibendem Charakter mit gelegentlichen baulichen Maßnahmen (Schließung von Baulücken auf noch unverbauten Liegenschaften; Umbauten, Erweiterungen, Reparaturen an bestehenden Objekten) gerechnet werden muss, die von solchen baulichen Maßnahmen ausgehenden Immissionen grundsätzlich als ortsüblich anzusehen sind und - soweit sie auch bei schonungsvoller, die Interessen der Anrainer berücksichtigender Bauführung unvermeidbar sind - von jedem Nachbarn hinzunehmen sind" (8 Ob 372/97g, SZ 65/38, SZ 56/158; RIS-Justiz RS0033725, RS0033674, RS0033715; vgl auch Spielbüchler aaO § 364 Rz 13). Das Erlassen von Gesetzen zur Verhinderung eines die öffentliche Ordnung störenden Baulärms fällt in die Zuständigkeit der Länder, soweit es sich - wie im vorliegenden Fall - um Bauführungen handelt, die von den BauO erfasst werden. In der Regel sehen die BauO bzw BauG der Länder für die Bauausführung Sorgfaltspflichten und Maßnahmen vor, die die Sicherheit und die Gesundheit von Menschen gewährleisten sollen und vermeidbare Belästigungen hintanhalten sollen. Zuweilen sind durch Gesetz oder Verordnung Lärmgrenzwerte und zeitliche Limitierungen vorgeschrieben. Die aufgrund der GewO erlassene Baumaschinenlärm-SicherheitsV (vgl nunmehr die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Geräuschemissionen von zur Verwendung im freien vorgesehenen Geräten und Maschinen - BGBl II Nr. 249/2001 idgF) regelt das Inverkehrbringen bestimmter Baumaschinen, die zu Arbeiten auf Baustellen des Baugewerbes und der Bauindustrie dienen (Huber, Lärmvorschriften in Österreich, ecolex 1999, 857 f). In der Entscheidung SZ 56/158 wurde bereits ausgesprochen, dass Einwirkungen durch Baulärm, die die in den entsprechenden Vorschriften näher beschriebene Intensität nicht übersteigen, innerhalb der erlaubten Bauzeit regelmäßig als ortsüblich anzusehen seien. In der Rechtsprechung wurde ebenfalls bereits die Auffassung vertreten, dass auch Ö-Normen Anhaltspunkte für die Frage, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung einer Liegenschaft vorliegt, bilden können (2 Ob 576/92, ImmZ 1985, 398 ua). Wie das ortsübliche Ausmaß der Immissionen ermittelt wird, ist eine Frage des Einzelfalls, der keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (vgl 8 Ob 524/93). Auch die Frage, ob die vom Nachbargrund einwirkenden Belästigungen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigen und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigen, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (8 Ob 94/01h, 1 Ob 23/99k, 4 Ob 1514/88, SZ 56/50, SZ 48/15, SZ 45/98 ua).
Soweit die Vorinstanzen - ausgehend von den von ihnen getroffenen Feststellungen unter Bedachtnahme auf die einschlägigen Ö-Normen und ÖAL-Richtlinien (vgl dazu auch Huber aaO 858) sowie das Wiener Landesgesetz zum Schutz gegen Baulärm vom (LGBl Nr 16/1973 idF LBGl Nr 17/1991) und die Verordnung der Wiener Landesregierung über Emissiongrenzwerte vom , LGBl Nr 20/1973 - die Ansicht vertraten, die darin enthaltenen Vorgaben und Grenzwerte seien im vorliegenden Fall beachtet worden und es sei auch das ortsübliche Maß der Immission durch Baulärm nicht überschritten worden, kann darin keine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung erblickt werden. Es liegen auch keine für die Entscheidung relevanten sekundären Feststellungsmängel vor.
Die Revision war demnach mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.