OGH vom 12.11.1987, 7Ob704/87
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** S*** S***, registrierte
Genossenschaft mbH, Bad Aussee, vertreten durch Dr. Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning, wider die beklagte Partei Manfred Z***, Direktor, Bad Aussee, Obertressen 180, vertreten durch Dr. Heinz Kalss, Rechtsanwalt in Bad Aussee, sowie die auf Seite des Beklagten beigetretenen Nebenintervenienten Hugo H***, Sägewerksbesitzer, Bad Aussee, Gallhof, Hans P***, Tischlermeister, Bad Aussee, Grundlseestraße, Stefan P***, Salinenpensionist, Bad Aussee, Gasteig, Max D***, Landwirt, Bad Aussee, Reitern 24, Hugo R***, Konditormeister, Bad Aussee, Kurhausplatz 144, Hans S***, Tischlermeister i.R., Bad Mitterndorf Nr. 157, Gerhard K***, Gastwirt, Bad Mitterndorf Nr. 129, Hans S***, Bäckermeister, Bad Mitterndorf, Obersdorf 7, Leopold K***, Zimmermeister i.R., Grundlsee, Mosern 18, Erhard B***, Kaufmann, Altaussee 51 und Karl L***, Grundlsee, Bräuhof 27, sämtliche vertreten durch Dr. Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl sowie Dr. Rudolf E***, Gerichtsvorsteher, Bad Aussee, Lerchenreith-Neubau, vertreten durch Dr. Karlheinz A***, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wegen S 7,508.700,70 samt Anhang, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 6 R 53-55/87-79, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Handelsgerichtes vom , GZ 9 Cg 305/85-64, zum Teil zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine Sachentscheidung über die Berufung der Klägerin auch insoweit aufgetragen, als diese das Klagebegehren über den Betrag von S 6,508.700,70 s.A. betrifft.
Die Kosten des Rekurses sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Am brachte die Klägerin gegen den Beklagten zu 9 Cg 450/83 (nunmehr 9 Cg 305/85) des Kreis- als Handelsgerichtes Leoben eine auf Zahlung von 1 Million Schilling samt Anhang gerichtete Klage ein. Mit dem am beim Gericht eingelangten Schriftsatz (ON 22) hat die Klägerin dieses Klagebegehren auf S 7,064.540,70 s.A. ausgedehnt. Außerdem hat sie am zu 9 Cg 332/85 und 9 Cg 333/85 des Erstgerichtes gegen den Beklagten zwei Klagen auf Zahlung von S 50.000,-- s.A. und S 394.160,-- s.A. erhoben. Die beiden letztgenannten Klagen wurden mit der ersten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Das Erstgericht hat die zu 9 Cg 332/85 und 9 Cg 333/85 geltend gemachten Klagsforderungen und die einredeweise geltend gemachten Gegenforderungen bis zur Höhe der jeweiligen Klagsforderung als zu Recht bestehend erkannt und sowohl diese beiden Klagebegehren als auch das zu 9 Cg 305/85 geltend gemachte auf, S 7,064.540,70 s.A. ausgedehnte Begehren abgewiesen.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Erstgerichtes, soweit sie gegen die Abweisung von S 6,508,700,70 s.A. gerichtet ist, zurückgewiesen. Es hat Vorerhebungen gepflogen, die zu den Feststellungen führten, daß die Generalversammlung der Klägerin am die bisherige Prozeßführung gegen den Beklagten genehmigt hat. Eine spätere Genehmigung ist nicht mehr erfolgt. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, gemäß § 25 Abs. 1 des Genossenschaftsgesetzes, dem auch § 24 Abs. 9 der Satzungen der Klägerin entspreche, könne ein Prozeß gegen ein Vorstandsmitglied einer Genossenschaft nur vom Aufsichtsrat geführt werden und zwar nur insoweit, als diese Prozeßführung von der Generalversammlung beschlossen worden sei. Dies müsse auch für ehemalige Vorstandsmitglieder gelten. Der Beklagte sei in der Zeit vom bis Vorstandsmitglied der Klägerin gewesen. Demnach hätte eine Prozeßführung gegen ihn nur durch den Aufsichtsrat der Klägerin mit Zustimmung der Generalversammlung erfolgen können. Da eine solche Zustimmung nur bezüglich der Prozeßführung bis zum vorliege, sei der für die Klägerin entschreitende Rechtsanwalt Dr. Hans P*** zu späteren Klagsausdehnungen und Klagseinbringungen nicht mehr legitimiert gewesen. Da dieser Mangel trotz entsprechender Aufforderung nicht saniert worden sei, fehle Dr. P*** die Einschreiterlegitimation im Berufungsverfahren bezüglich jener Beträge, um die der Prozeß 9 Cg 305/85 des Kreisgerichtes Leoben ausgedehnt worden sei und bezüglich der beiden späteren Klagen (9 Cg 332/85 und 333/85 des Kreisgerichtes Leoben).
Der von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht beruft sich zur Stützung seiner Rechtsansicht, die Bestimmung des § 25 Abs. 1 GenossenschaftsG gelte auch für ehemalige Vorstandsmitglieder, auf einer zu der gleichlautenden Bestimmung des deutschen Genossenschaftsgesetzes (§ 39) ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom (Neue Juristische Wochenschrift 1960, 1667). Diese Entscheidung ist jedoch vereinzelt geblieben. Nahezu die gesamte deutsche Rechtslehre vertritt den gegenteiligen Standpunkt. Mayer-Meulenbergh (in Genossenschaftsgesetz12 334, Lang-Weidmüller, Genossenschaftsgesetz31 485). Es wird darauf verwiesen, daß die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung die vorgenannte Frage offen läßt, indem hervorgehoben wird, aus der jeweiligen Satzung könne sich ergeben, daß ein Beschluß der Generalversammlung auch dann erforderlich sei, wenn ein Rechtsstreit ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied betrifft (Lang-Weidmüller a.a.O.).
§ 25 Abs. 1 des Genossenschaftsgesetzes entspricht überdies dem § 97 Abs. 1 AktG, weshalb zur Auslegung auch die für das Aktiengesetz entwickelten Grundsätze herangezogen werden können. Zu der entsprechenden Bestimmung des Aktiengesetzes vertritt die einzige auffindbare österreichische Literaturstelle (Schima, Aktiengesetz2, 414) die Rechtsansicht, daß diese nur für amtierende Vorstandsmitglieder gilt. Dies wurde auch zu der entsprechenden Bestimmung des seinerzeitigen deutschen Aktiengesetzes (§ 97) ausgeführt. Die entsprechende Vertretungsregelung enthält das nunmehrige deutsche Aktienrecht in § 112 AktG. Auch hier wird, soweit überblickbar, von der Literatur und weitgehend auch von der Judikatur die Rechtsansicht vertreten, daß die Regelung des § 112 AktG nicht für frühere Vorstandsmitglieder gilt (Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Anm. 9 zu § 112, Gessler-Hefermehl-Eckhart-Kropff, Aktiengesetz II Rz 7 zu § 112, Großkomm.z.Aktiengesetz3 I/2 Anm. 1 zu § 112). Im Hinblick darauf, daß es sich bei der Bestimmung des § 25 GenossenschaftsG (entsprechend § 97 Abs. 1 AktG) um eine Ausnahmsbestimmung handelt, die der Lahmlegung des sonst berufenen Vertretungsorganes (Vorstand) im Falle von Differenzen, die auf dem Prozeßweg ausgetragen werden sollen, handelt, schließt sich der Oberste Gerichtshof der wiedergegebenen überwiegenden Rechtsansicht an. Richtet sich eine Klage gegen eine Person, die nicht mehr Mitglied des Vorstandes ist, so wird kein derzeitiges Vorstandsmitglied an der Ausübung seines Vertretungsrechtes gehindert. Es ist zwar richtig, daß allenfalls Animositäten zwischen ehemaligen und derzeitigen Vorstandsmitgliedern bestehen können und daß unter Umständen ein Interesse bestünde, interne Vorgänge der Genossenschaft nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, doch ist es Sache des Vorstandes, als Vertretungsorgan der Genossenschaft, diese Fragen zu beurteilen. Wie in allen anderen Fällen der Ausübung seiner Vertretungsmacht trifft den Vorstand auch hier die Verantwortung für seine Entscheidung und sein Vorgehen. Schließlich wird auch in anderen Angelegenheiten, die Interessen der Genossenschaft sehr einschneidend berühren können, die Vertretungsmacht des Vorstandes nicht durch die Generalversammlung eingeschränkt. Auch in anderen Bereichen sind Interessenkollisionen denkbar. Es ist daher geboten, die Bestimmung des § 25 Abs. 1 GenossenschaftsG, ihrem Wortlaut entsprechend, auf jene Ausnahmsfälle zu beschränken, in denen eine Vertretung der Genossenschaft durch den gesamten Vorstand nicht möglich ist.
Daß im vorliegenden Fall Dr. P*** durch den amtierenden Vorstand der Klägerin, als dem gemäß § 17 Abs. 1 Gen.Ges. zur Vertretung berufenen Organ, zur Prozeßführung und Ausdehnung des Klagebegehrens bevollmächtigt wurde, ist nicht strittig. Da der Oberste Gerichtshof der Auslegung des § 25 Abs. 1 GenossenschaftsG durch das Berufungsgericht nicht beitritt, erweist sich demnach die teilweise Zurückweisung der Berufung als nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.