OGH vom 13.11.1980, 7Ob687/80
Norm
AußstrG § 235 Abs 1;
Kopf
SZ 53/153
Spruch
Ansprüche auf Zuhaltung von zulässigen Vereinbarungen über eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse sind im Streitverfahren geltend zu machen und nicht an das Außerstreitgericht zu überweisen. Der Beschluß des Berufungsgerichtes auf Nichtigerklärung des Urteils erster Instanz und Überweisung der Rechtssache an das Außerstreitgericht ist anfechtbar
(LGZ Wien 32 R 532/80; BG Innere Stadt Wien 33 C 1290/79)
Text
Im Zuge der einvernehmlichen Scheidung ihrer Ehe am anerkannte in einem gerichtlichen Vergleich u. a. die Beklagte das Alleineigentum des Klägers an sämtlichen in der Eigentumswohnung Wien 2, B- Straße 35/10, befindlichen Einrichtungs- und Hausratsgegenständen und verpflichtete sich zur Räumung dieser Wohnung. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Rückgabe eines Farbfernsehers, eines Video-Recorders und verschiedenen Tafelgeschirrs und Eßbestecks mit der von der Beklagten zugestandenen Behauptung, daß diese die Gegenstände nach der Ehescheidung aus der genannten Wohnung entfernt habe. Die Beklagte hat eingewendet, das Anerkenntnis habe nicht ihre persönlichen Gegenstände betroffen, zu denen die Klagsgegenstände gehörten.
Aus Anlaß der Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Ersturteil hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren einschließlich der Anberaumung der ersten Tagsatzung als nichtig auf und überwies die Klage als Antrag nach §§ 81 ff EheG gemäß § 44 JN der zuständigen Außerstreitabteilung des Erstgerichtes.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem Gericht eine neue Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gegen die im Berufungsverfahren ergehenden Beschlüsse des Berufungsgerichtes ist der Rekurs nach § 519 ZPO nur in den dort angeführten Fällen statthaft, wenn das Berufungsgericht die Nichtigkeit des erstrichterlichen Urteils und die Zurückweisung der Klage durch Beschluß ausgesprochen hat (Z. 2; die anderen Anfechtungsgrunde kommen hier nicht in Betracht, zumal das Berufungsgericht keinen Rechtskraftvorbehalt gemacht hat). Diese Voraussetzung wurde schon nach der früheren Rechtslage durch eine Überweisung der Rechtssache an den Außerstreitrichter nach § 18 der
6. DVEheG nicht unmittelbar erfüllt, weil damit keine Zurückweisung der Klage verbunden war. Deshalb hatte der OGH einen solchen Überweisungsbeschluß zunächst als unanfechtbar angesehen (SZ 24/297; JBl. 1952, 590). Andererseits vertrat Novak, Zur Tragweite des § 519 ZPO, JBl. 1953, 57 FN. 16, den Standpunkt, daß auch der Beschluß auf Weiterleitung der Rechtssache an ein außerhalb des ordentlichen Rechtsweges entscheidungsbefugtes Gericht zwar nicht in wörtlicher, wohl aber in sinngemäßer Anwendung des § 519 Z. 2 ZPO anfechtbar sei, weil die einer lex specialis angepaßte und nur deshalb von der Bestimmung des § 478 Abs. 1 ZPO wie auch vom Wortlaut des § 519 Z. 2 ZPO abweichende Fassung des Beschlusses nichts daran ändere, daß das prozeßbeendigende Erkenntnis des Berufungsgerichtes genauso wie ein Aufhebungs- und Klagszurückweisungsbeschluß die im ordentlichen Rechtsweg angestrebte Sachentscheidung versage. Im Sinne dieser Meinung hat sodann der OGH ab der Entscheidung SZ 27/95 in ständiger Rechtsprechung den Rekurs gegen den Überweisungsbeschluß mit der Begründung für zulässig erachtet, daß auch hier die Streitanhängigkeit endgültig beendet werde und lediglich die formelle Klagszurückweisung entfalle.
Nunmehr bestimmt der durch das EheRÄndG, BGBl. 280/1978, an die Stelle des § 18 der 6. DvEheG getretene § 235 AußStrG, daß das Prozeßgericht mit Beschluß die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen hat, wenn ein Ehegatte (den Anspruch auf Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen nach § 98 ABGB oder) binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe Ansprüche an den anderen Ehegatten hinsichtlich ehelichen Gebrauchsvermögen oder ehelicher Ersparnisse, soweit sie der Aufteilung unterliegen, im streitigen Verfahren geltend macht (Abs. 1 erster Halbsatz). Für die Überweisung gelten die §§ 44 und 46 Abs. 1 JN sinngemäß. Das Gericht, an das die Sache überwiesen worden ist, hat das Verfahren unter Benützung der Akten des Prozeßgerichts durchzuführen und bei der Entscheidung im Kostenpunkt die im Verfahren vor dem Prozeßgericht aufgelaufenen Kosten zu berücksichtigen (Abs. 2). Diese Änderung der Rechtslage gibt zur neuerlichen Prüfung der Frage Anlaß, ob der Beschluß, mit dem das Berufungsgericht das Ersturteil für nichtig erklärt und die Rechtssache an den Außerstreitrichter überweist (eine Nichtigerklärung des Verfahrens sieht das Gesetz hier nicht vor), analog einem Beschluß nach § 519 Z. 2 ZPO der Anfechtung unterliegt.
Die derzeitige Fassung des § 519 Z. 2 ZPO geht auf die 5. GEN, BGBl. 183/1925 Art. IV Z. 18, zurück. Nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers (JABl. 1925, 80) sollten damit nur die im Spruch 174 (und hinsichtlich § 519 Z. 1 die im Spruch 1 neu) vom OGH ausgesprochenen Grundsätze über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen dem Gesetze einverleibt werden. Dabei handelt es sich nach den übereinstimmenden späteren Hinweisen von Lehre und Rechtsprechung um die im Spruch 174 genannte Anfechtungsvoraussetzung, daß die Streitsache durch den Beschluß des Berufungsgerichtes "endgültig erledigt, die Klage definitiv abgewiesen" wurde (ZBl. 1934/327 mit insoweit zustimmender Anmerkung von Petschek; Novak a. a. O., 59 f.), daß also dem Prozeß ohne Entscheidung in der Hauptsache ein Ende gesetzt (Pollak, System[2], 573; Spruch 50 neu; SZ 49/25) und der Rechtsschutz abschließend verweigert wurde (EvBl. 1975/63 u. v. a.). Im besonderen Fall der Überweisung der Klage an den Außerstreitrichter scheint dieses Argument der Beendigung des Prozesses und der Streitanhängigkeit nicht weit zu tragen, zumal nun § 235 AußStrG sogar ausdrücklich die Benützung der Akten des Prozeßgerichtes und die Berücksichtigung der im Verfahren vor dem Prozeßgericht aufgelaufenen Kosten, letztere allerdings nach der Billigkeitsvorschrift des § 234 AußStrG, anordnet. Die Streitsache scheint damit zwar vor dem Prozeßgericht, aber nicht endgültig erledigt und die Klage nicht definitiv abgewiesen, sodaß nicht (wie in SZ 27/95) der Entfall der Klagszurückweisung, sondern umgekehrt die Beendigung der Streitanhängigkeit als bloß formell bezeichnet werden könnte. Dazu kommt, daß der Gesetzgeber bei der Neuregelung, auch wenn dessen Vorbild der § 18 der 6. DVEheG war, die sinngemäße Anwendung zwar der §§ 44 und 46 Abs. 1 JN, nicht aber auch des § 519 Z. 2 ZPO angeordnet hat.
Dennoch ist im Ergebnis an der Rechtsprechung zur alten Rechtslage festzuhalten, daß der Überweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes anfechtbar ist. Entscheidende Bedeutung kommt dem Umstand zu, daß der Außerstreitrichter die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse gemäß § 83 Abs. 1 AußStrG nach Billigkeit vorzunehmen und nur allenfalls auch den Inhalt einer von den Ehegatten getroffenen Vereinbarung mitzuberücksichtigen hat (§ 97 Abs. 1 Satz 1 EheG; JAB 916 BlgNR, XIV. GP, 20; vgl. EvBl. 1980/61 = JBl. 1980, 538). Bei dieser Rechtslage würde eine Überweisung des Rechtsstreites in das Außerstreitverfahren dann zugleich die Sachentscheidung beeinflussen, wenn es um die Durchsetzung oder Anfechtung einer Vereinbarung der Parteien geht. Hätte der Außerstreitrichter dennoch nach billigem Ermessen aufzuteilen, so würde dem streitigen Ausspruch tatsächlich der Rechtsschutz versagt und damit dem Prozeß über diesen Anspruch ein Ende gemacht. Nur wenn auch der Außerstreitrichter streitige Ansprüche nach dem materiellen Recht prüfen könnte, wäre der Rechtsschutz der gleiche.
Eine Ausnahme vom außerstreitigen Aufteilungsverfahren ist für die Fälle des § 82 Abs. 1 EheG anerkannt, mit dem der Gesetzgeber selbst bestimmte Sachen von der Aufteilung ausnimmt. Wird von einem geschiedenen Ehegatten die Herausgabe von Sachen mit dieser Behauptung begehrt, so ist der Anspruch im streitigen Verfahren geltend zu machen, und es kommt auch eine Überweisung in das außerstreitige Verfahren nach § 235 Abs. 1 AußStrG nicht in Betracht, weil es sich nicht um eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse handelt, die im Sinne des § 235 Abs. 1 AußStrG der Aufteilung unterliegen (JAB 20, 33; Berger, Verfahrensrechtliches zu den neuen eherechtlichen Gesetzen, RZ 1978, 257, 259; Hackl, Richterliche Anordnungsbefugnisse und das Verfahren bei der Aufteilung von ehelichem Gebrauchsvermögen und Ersparnissen in Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/1978, 166 f.; EvBl. 1980/81 = JBl. 1980, 538; JBl. 1980, 594). Die Durchsetzung einer zulässigen vertraglichen Regelung wurde hingegen, selbst wenn sie im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffen wurde, nach der alten Rechtslage ins Außerstreitverfahren verwiesen, wenn bloß ein nicht vollstreckbarer außergerichtlicher Vergleich vorlag und es deshalb noch der Schaffung eines Exekutionstitels bedurfte, aber sogar dann, wenn eine zulässige gerichtliche Vereinbarung angefochten wurde (SZ 44/185 u. v. a.). Diese Rechtsansicht wurde daraus abgeleitet, daß ein Verzicht der Ehegatten auf die Anwendung der 6. DVEheG rechtlich bedeutungslos sei (EvBl. 1955/190 u. a.) und § 17 Abs. 2 der Verordnung sogar die Abänderung eines gerichtlichen Vergleiches zuließ, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert hatten. Der erkennende Senat hat in der bereits zitierten Entscheidung EvBl. 1980/61 = JBl. 1980, 538 im Fall eines außergerichtlichen, aber nicht vollstreckbaren Vergleiches diese frühere Rechtsansicht mit der Begründung aufrechterhalten, daß an der Kompetenz des Außerstreitrichters durch das EheRÄndG, das an die Regelung der 6. DVEheG anknüpfe, keine Änderung eingetreten sei und daß nach den Gesetzesmaterialien der Außerstreitrichter bei seiner zu treffenden Billigkeitsentscheidung den Inhalt der von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung und die Gründe, warum sie zu einem solchen Übereinkommen gelangt sind, bloß mitzuberücksichtigen habe.
Bei der neuerlichen Überprüfung der Rechtslage kann jedoch an dieser Ansicht nicht festgehalten werden. Das Eherechts-Änderungsgesetz hat zwar an die Regelung der 6. DVEheG angeknüpft, sie aber nur zum Teil übernommen. So wird im besonderen Fall der Überweisung einer streitigen Rechtssache an das Außerstreitgericht in § 235 Abs. 1 AußStrG die dem früheren Recht fehlende Einschränkung auf Gegenstände des ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse gemacht, soweit sie der Aufteilung unterliegen; auch wurde eine dem § 17 der Verordnung entsprechende Bestimmung in das neue Recht nicht mehr aufgenommen. Die Gesetzesmaterialien (JAB 33) erwecken zwar zunächst den Eindruck, jedes Herausgabebegehren auf Gegenstände des ehelichen Gebrauchsvermögens oder Räumung einer zu diesem gehörenden Wohnung sei ohne Rücksicht auf den geltend gemachten Rechtsgrund immer an das Außerstreitgericht zu überweisen; in der Folge wird aber auch dort die Einschränkung auf das der Aufteilung nach den §§ 81 ff. EheG unterliegende Vermögen gemacht. Die in der Vorentscheidung EvBl. 1980/61 = JBl. 1980, 538 bezogene weitere Stelle der Materialien, wonach der Außerstreitrichter bei seiner Billigkeitsentscheidung den Inhalt einer von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung und die Gründe, warum sie zu einem solchen Übereinkommen gelangt sind, zu berücksichtigen habe, betrifft hingegen bloß den Fall des § 97 Abs. 1 Satz 1 EheG einer nicht rechtswirksam möglichen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens im voraus; in diesem Fall ist klar, daß nur der Außerstreitrichter unter Beachtung des Billigkeitsgrundsatzes des § 83 Abs. 1 EheG aufteilen kann.
In der Lehre bestehen hingegen keine Zweifel daran, daß auch dann der Streitrichter zur Entscheidung berufen ist, wenn ein Ehegatte seinen Anspruch aus einem zulässigen Vertrag, zum Beispiel nach § 97 Abs. 1 Satz 2 EheG ableitet, weil auch hier nichts aufzuteilen ist (Berger a. a. O., 259 sub 1 b; im gleichen Sinne 6 Ob 688/79); daß die Anrufung des Gerichtes im außerstreitigen Verfahren unzulässig ist, soweit die Ehegatten die Aufteilung in zulässiger Weise vertraglich (§ 97 EheG; ohne Einschränkung auf Abs. 1 Satz 2) geregelt haben, weil eine dem § 17 der 6. DVEheG entsprechende Bestimmung in das neue Recht nicht aufgenommen worden ist (Ent - Hopf, Das neue Eherecht, 107; Hackl a. a. O., 167); daß Streitigkeiten aus solchen = rechtswirksamen Verträgen ins streitige Verfahren gehören (Gschnitzer - Faistenberger, Familienrecht[2], 55); und daß auch die Anfechtung des Vertrages im streitigen Verfahren nach den dort geltenden allgemeinen Regeln zu erfolgen hat (Ent - Hopf a. a. O.). Dieser Rechtsmeinung ist beizutreten, weil der Gesetzgeber solche Vereinbarungen im Rahmen ihrer Zulassung ausdrücklich als erwünscht bezeichnet hat (JAB 15), das Gesetz dementsprechend die gerichtliche Aufteilung nur vorsieht, soweit sich die Ehegatten über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nicht einigen (§ 85 EheG), und das Gericht angewiesen ist, auch noch während des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinzuwirken (§ 230 Abs. 1 letzter Satz AußStrG). Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen wird deutlich, daß dem Außerstreitgericht nur die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nach den Grundsätzen der Billigkeit übertragen ist, nicht aber eine Entscheidung über die schon nach § 1 AußStrG im Zweifel ins streitige Verfahren gehörenden Ansprüche auf Durchsetzung oder Anfechtung zulässig getroffener Vereinbarungen (vgl. auch die Abgrenzung der beiden Verfahrensarten im Miteigentumsrecht, SZ 23/81 u. v. a.; im gleichen Sinne nun auch 1 Ob 751, 754/80). (Siehe Nr. 150 in diesem Band.)
Eine Ausnahme von der Zuständigkeit des Außerstreitrichters zur Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse ist demnach nicht nur im Fall des § 82 EheG zu machen, sondern auch dann, wenn hier die Kläger eine nach § 97 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 EheG zulässige Vereinbarung über solche Sachen behauptet und aus dieser Vereinbarung Rechtsansprüche ableitet. Erweist sich seine Behauptung als unrichtig, etwa weil - wie es hier die Beklagte behauptet - die Vereinbarung die strittigen Gegenstände nicht umfaßte, so ist das Klagebegehren durch Sachentscheidung abzuweisen (vgl. Berger a. a. O. und Hackl a. a. O.).