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OGH vom 19.11.2019, 10ObS132/19p

OGH vom 19.11.2019, 10ObS132/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Peter Lindinger, Dr. Andreas Pramer GesbR in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, wegen Familienzeitbonus, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 66/19h-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist der Vater des am geborenen Kindes J*****. Von seinem Dienstgeber wurde dem Kläger vom bis unbezahlte Freizeit zur Inanspruchnahme der Familienzeit gewährt. Ab der Geburt wiesen der Kläger, die Mutter des Kindes und auch das Kind denselben gemeinsamen Hauptwohnsitz auf und waren dort hauptwohnsitzlich gemeldet. Zunächst betreute der Kläger gemeinsam mit der Mutter das Kind. Am erkrankte das Kind und wurde von einer Kinderärztin ins Krankenhaus eingewiesen, wo es bis in stationärer Pflege war. Am erkrankte auch der Kläger (an einer Lungenentzündung) und befand sich bis in Krankenstand.

Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Familienzeitbonus für den Zeitraum vom bis ab.

Das Erstgericht wies das dagegen gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte – über die eingangs wiedergegebenen Feststellungen hinaus – noch fest, dass der Kläger zwischen dem und dem sein Kind nicht betreuen konnte, weil sich dieses in stationärer Spitalspflege befand und er auch selbst erkrankt war. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der gewählte Bezugszeitraum von 31 Tagen unterschritten worden sei, weil sich der Kläger fünf Tage nicht iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG ausschließlich seiner Familie widmen habe können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.1 Der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind ist nicht nur (neben weiteren Voraussetzungen) daran geknüpft, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG), sondern auch daran, dass sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG). Diese Anspruchsvoraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG2 § 2 FamZeitbG Rz 1).

1.2 § 2 Abs 3 FamZeitbG definiert den gemeinsamen Haushalt im Sinn dieses Gesetzes dahin, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Unter Familienzeit im Sinn des FamZeitbG wird der Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen verstanden, in dem sich der Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich der Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht (§ 2 Abs 4 FamZeitbG). Der Vater soll in dieser Zeit ausschließlich und ganz intensiv Zeit mit der Familie verbringen (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2).

2. Ein anteiliger Anspruch auf Familienzeitbonus ist nicht vorgesehen. Werden nicht an jedem der im Anspruchszeitraum liegenden Tage alle Voraussetzungen erfüllt, gebührt gar kein Familienzeitbonus. Der Anspruch auf Familienzeitbonus fällt nicht nur für diese Tage weg, sondern geht insgesamt verloren (§ 3 Abs 2 FamZeitbG; ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 3; Sonntag in Sonntag/
Schober/Konezny, KBGG2§ 3 FamZeitbG Rz 3). Der Familienzeitbonus gebührt ausschließlich für eine ununterbrochene Dauer von 28, 29, 30 oder 31 aufeinanderfolgenden Tagen (§ 3 Abs 2 FamZeitbG).

3. Von dieser – bereits vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegebenen – Rechtslage weicht die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht ab, die Voraussetzungen für den (unteilbaren) Anspruch auf Familienzeit seien nicht erfüllt.

3.1 Während die dem § 2 Abs 3 FamZeitbG gleichlautende Bestimmung des § 2 Abs 6 KBGG in ihrem dritten Satz eine Sonderregelung für Krankenhausaufenthalte beinhaltet und unter gewissen Voraussetzungen ausnahmsweise auch Zeiten eines Krankenhausaufenthalts als gemeinsamen Haushalt ansieht, fand sich in der Stammfassung des FamZeitbG eine derartige Regelung nicht. Erst mit der Novelle BGBl I 2019/24 wurde auch für den Bereich des Familienzeitbonus in § 2 Abs 3a FamZeitbG eine Ausnahmeregelung geschaffen, nach der ausnahmsweise ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG angenommen wird, wenn ein medizinisch indizierter Krankenhausaufenthalt des Kindes gegeben ist und der Vater und der andere Elternteil das Kind im Mindestausmaß von jeweils durchschnittlich vier Stunden täglich persönlich pflegen und betreuen. Ein solcher Krankenhausaufenthalt steht dem Vorliegen einer Familienzeit (§ 2 Abs 4 FamZeitbG) nicht entgegen. § 2 Abs 3a FamZeitbG trat mit in Kraft und ist auf Geburten nach dem (somit auf den vorliegenden Fall noch nicht) anzuwenden (§ 12 Abs 3 FamZeitbG).

3.2 Das Revisionsvorbringen, die Absicht des Gesetzgebers sei auch vor der Novelle BGBl I 2019/24 nicht dahin gegangen, einen stationären Krankenhausaufenthalt des Kindes für wenige Tage durch Entzug des Familienbonus für den gesamten Zeitraum zu „bestrafen“, läuft darauf hinaus, dass in der (hier noch anwendbaren) Stammfassung des FamZeitbG die Ausnahmeregelung des § 2 Abs 3a FamZeitbG idF BGBl I 2019/24 nur versehentlich unterblieben ist, also eine Gesetzeslücke im Rechtssinn im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit gegeben sei.

3.3 Zwar ist die Auffassung, dass Ausnahmeregelungen generell keiner Analogie zugänglich seien, unzutreffend. Allerdings bleibt die analoge Anwendung einer Ausnahmeregelung auf Fälle, die nach dem – aus dem Wortlaut des Gesetzes erkennbaren – Willen des Gesetzgebers von dem Gesetz nicht erfasst werden sollen, unzulässig (vgl RIS-Justiz RS0008839 ua; Posch in Schwimann/Kodek4, § 7 ABGB Rz 12). Demnach ist auch die Anwendung des § 2 Abs 3a FamZeitbG auf Geburten vor dem ausgeschlossen, weil diese Fälle nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Abs 3 FamZeitbG und dem daraus erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfasst werden sollen (RS0008866). Zudem übersieht der Revisionswerber, dass auch die Anwendung des § 2 Abs 3a FamZeitbG zu keinem für ihn günstigeren Ergebnis führen könnte, weil feststeht, dass er seinen Sohn von bis nicht zumindest jeweils durchschnittlich vier Stunden täglich im Krankenhaus persönlich gepflegt und betreut hat.

4.1 Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vater während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind (unmittelbar) nach der Geburt wegen Fehlens eines gemeinsamen Haushalts mit dem Kind keinen Anspruch auf Familienzeitbonus, weil keine „dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft des Vaters, des Kindes und des anderen Elternteils an derselben Wohnadresse ...“ vorliegt (RS0132377). Demgegenüber war im vorliegenden Fall die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft des Vaters, des Kindes und des anderen Elternteils bereits begründet. Auch mit dem Standpunkt des Revisionswerbers, durch den kurzfristigen, vorübergehenden Krankenhausaufenthalt des Kindes könne der (einmal begründete) gemeinsame Haushalt im Sinn des FamZeitbG nicht wieder aufgehoben werden, wird keine für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits entscheidungsrelevante Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt:

4.2 Wie bereits eingangs dargelegt, ist die faktische Unterbrechung der Wohngemeinschaft mit dem Kind und die während dieser Unterbrechung eingetretene eigene Erkrankung des Klägers zugleich unter dem Blickwinkel des § 2 Abs 4 FamZeitbG und der dort normierten weiteren (kumulativen) Anspruchsvoraussetzung der zumindest 28-tägigen Familienzeit zu beurteilen. Zieht man von der gewählten Bezugsdauer von 31 Tagen 5 Tage ab, in denen der Kläger das Kind wegen dessen Spitalsaufenthalts und seiner eigenen Erkrankung nicht betreuen konnte, verbleiben nur weniger als 28 Tage, sodass keine Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG vorliegt und der gesetzliche Mindestbezugszeitraum unterschritten ist (§ 3 Abs 2 FamZeitbG).

5. Mit dem Revisionsvorbringen, ein Vater könne sich trotz eigener Erkrankung und stationärem Aufenthalt des Kindes ausschließlich der Familie widmen (beispielsweise durch ihn trotz Erkrankung mögliche organisatorische Tätigkeiten wie Behördenwege erledigen [allenfalls telefonisch oder per Internet], ein Kinderbett zusammenbauen, Besuche organisieren, oder auch Haushaltstätigkeiten wie Aufräumen, Wäschewaschen und Einkaufen etc ausführen), entfernt sich der Revisionswerber vom konkret festgestellten Sachverhalt.

6. Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00132.19P.1119.000

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