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OGH vom 16.10.2002, 9Ob40/02a

OGH vom 16.10.2002, 9Ob40/02a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. N***** S*****, geb. , und des mj. A***** S*****, geb. , beide vertreten durch Dr. Charlotte Böhm ua, Rechtsanwälte in Wien, über den hinsichtlich des mj. N***** erhobenen "außerordentlichen" Revisionsrekurs des Vaters N***** S*****, Selbständiger, *****, vertreten durch Dr. Günter Tews und Mag. Christian Fischer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 334/01p-143, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 29 P 35/01i-121, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erhöhte die vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeiträge von je S 4.000,- monatlich pro Kind für den mj. N***** um S 7.000,- auf S 11.000,- monatlich und für den mj. A***** um S 1.500,- auf S 5.500,- monatlich. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zugelassen werde. Hinsichtlich des mj. A***** hat das Rekursgericht einen Antrag des Vaters auf Abänderung des Zulassungsausspruchs (§ 14a AußStrG) und einen dieses Kind betreffenden Revisionsrekurs zurückgewiesen. Insofern ist die Unterhaltsfestsetzung in Rechtskraft erwachsen. Hinsichtlich des mj. N***** hat der Vater einen als "außerordentlich" bezeichneten Revisionsrekurs erhoben, mit dem zunächst kein Antrag auf Änderung des Zulassungsausspruchs verbunden war. Im Zuge eines Verbesserungsverfahrens beantragte der Vater sodann, den Zulassungsausspruch hinsichtlich des mj. N***** iS der Zulassung des Revisionsrekurses abzuändern, wobei er sich auf das im bisherigen Verfahren und auch in seinem Rechtsmittel nicht relevierte Erkenntnis des , zur Auslegung des § 12 FLAG berief.

Im Hinblick auf diesen Einwand änderte das Rekursgericht seinen Zulassungsausspruch iS der Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses ab.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist der Oberste Gerichtshof an diesen Ausspruch des Rekursgerichtes nicht gebunden (RIS-Justiz RS0107926; zuletzt 7 Ob 328/01p). Es war daher aufzugreifen, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht gegeben sind. Auf die vom Vater erstmals in seinem Abänderungsantrag nach § 14a AußStrG relevierte Frage der Auswirkungen der Entscheidung des , ist im Rechtsmittelverfahren nicht einzugehen. Der Vater, der in seinem Rechtsmittel keinen Antrag nach § 14a AußStrG gestellt hat, hat diesen Antrag im Zuge eines entsprechenden Verbesserungsverfahrens - lange nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - gestellt. Im Hinblick auf den auch im Verfahren außer Streitsachen geltenden Grundsatz der Einmaligkeit der Rechtsmittelhandlung (EFSlg 82.681; zuletzt 9 Ob 41/00w; 1 Ob 156/01z) war es ihm verwehrt, in diesem Abänderungsantrag den bisher nicht geltend gemachten Einwand zu erheben. Die Verbesserung bzw. Ergänzung eines Rechtsmittels ist im Zuge eines Verbesserungsverfahrens nur insoweit zulässig, als das ursprüngliche Rechtsmittel insofern an einem Mangel gelitten hat (5 Ob 258/01d; Gitschthaler in Rechberger, ZPO², Rz 21 zu § 84 f). Hier wurde dem Vater das von ihm erhobene Rechtsmittel zur Verbesserung durch Erhebung eines ausdrücklichen Antrags nach § 14a AußStrG zurückgestellt. Bislang im Rechtsmittel (und auch im vorangegangenen Verfahren) nie erhobene Einwände konnte daher der Vater im Verbesserungsverfahren nicht nachtragen, zumal insofern das Rechtsmittel nicht fehlerhaft war. Der nunmehr erhobene Einwand ist daher nicht zu beachten und kann somit auch die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht rechtfertigen.

Die vom Vater in seinem (ursprünglichen) Rechtsmittel aufgeworfenen Rechtsfragen erfüllen die in § 14 Abs 1 AußStrG normierten Voraussetzungen nicht.

Der dem mj. N***** zugesprochene Gesamtbetrag enthält den vom Vater zugestandenen laufenden Unterhaltsbetrag von S 6.800,- monatlich sowie S 4.200,- monatlich für den Sonderbedarf des Kindes im Zusammenhang mit dem Besuch einer Privatschule.

Im Zusammenhang mit dem laufenden Unterhalt wendet sich der Rekurswerber nur dagegen, dass dieser Unterhaltsbeitrag auch rückwirkend zugesprochen worden sei, obwohl seit der vorangegangenen Unterhaltsfestsetzung keine Änderung der wesentlichen Umstände eingetreten sei. Damals sei er mit dem von der Mutter begehrten Unterhaltsbeitrag von S 4.000,- monatlich sofort einverstanden gewesen. Dem hat allerdings schon das Rekursgericht zutreffend entgegengehalten, dass ein Unterhaltsanspruch, den der Berechtigte im vorangegangenen Verfahren gar nicht geltend gemacht hatte, nicht in Rechtskraft erwachsen kann, und zwar auch dann nicht, wenn der frühere Antrag nicht als Teilantrag bezeichnet und eine Nachforderung nicht ausdrücklich vorbehalten wurde. Voraussetzung der materiellen Rechtskraftwirkung ist die Identität der Ansprüche, an der es bei einem Begehren auf Erhöhung der Unterhaltsleistung (auch für die Vergangenheit) mangelt, wenn mit der Behauptung, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners sei höher als ursprünglich angenommen, ein höherer Betrag begehrt wird (RIS-Justiz RS0006259; ÖA 1992, 57; 4 Ob 565/91; 7 Ob 2353/96x uva). Anders wäre dies nur dann, wenn zB bei einer Teilabweisung eines überhöhten Unterhaltsbegehrens über den Unterhaltsanspruch abschließend (auf der Grundlage der festgestellten Verhältnisse) rechtskräftig erkannt worden wäre. In diesem Fall stünde auch einem höheren Unterhaltsbegehren - sofern nicht geänderte Verhältnisse behauptet werden - die Rechtskraft entgegen (1 Ob 539/92). Das ist aber hier nicht der Fall. Dazu kommt, dass - wie das Rekursgericht ebenfalls ausgeführt hat - geänderten tatsächlichen Umständen ein Sachverhalt gleichzusetzen ist, bei dem die wahren Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsfestsetzung unbekannt waren (RIS-Justiz RS0107667; zuletzt 1 Ob 177/99g). Auch insofern steht die Entscheidung der zweiten Instanz auf dem Boden der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, zumal der Vater erstmals in seiner Eingabe vom (ON 108), in der er sein Einkommen mit S 1,000.000,- netto im Jahresdurchschnitt bzw. S 83.300,- netto monatlich bezifferte, erstmals konkrete Angaben über sein Einkommen gemacht hat.

Auch mit der Entscheidung über den begehrten Sonderbedarf (hier: Anteil an den Kosten des Besuchs der V***** School) haben die Vorinstanzen nicht gegen die Rechtskraft der früheren Unterhaltsfestsetzung verstoßen, weil damals ein Begehren auf Zuspruch von Sonderbedarf nicht Gegenstand des Verfahrens war. Dass die Rechtsprechung Ausbildungskosten als Sonderbedarf anerkennt, stellt der Vater ebenso wenig in Frage, wie den Umstand, dass die Kosten des Besuchs einer Privatschule nicht von vornherein aus den Fällen des vom Unterhaltsschuldners zu bestreitenden Sonderbedarfs ausgeschieden werden können (ÖA 1994, 184; ÖA 1999, 261). Er weist aber zu Recht darauf hin, dass der Unterhaltsberechtigte dann, wenn in einem bestimmten Ausbildungsweg entgeltliche Privatschulen neben öffentlichen (unentgeltlichen) Schulen zur Verfügung stehen, bei gleichwertigen Alternativen grundsätzlich die für den Unterhaltsverpflichteten weniger belastende öffentliche Schule auszuwählen oder die Mehrkosten der Privatschule selbst zu tragen haben wird (ÖA 1999, 261). Stellt aber aus im jeweiligen Einzelfall zu prüfenden Gründen die öffentliche Schule keine gleichwertige Alternative dar und sprechen gerechtfertigte Gründe für den Besuch der vom Unterhaltsberechtigten (bzw. des betreuenden Elternteils) ausgewählten Privatschule, kann Schulgeld für diese Privatschule als Sonderbedarf anerkannt werden. Als rechtfertigender Umstand wurde unter anderem auch die Notwendigkeit der Unterbringung des Kindes in einer fremdsprachigen Schule nach einem langjährigen Auslandsaufenthalt anerkannt (ÖA 1999, 261 mwN). Auch der Zustimmung des Vaters zum Besuch der Privatschule kommt in diesem Zusammenhang Bedeutung zu, wenngleich die Bereitschaft des Unterhaltspflichtigen, deren Kosten während der aufrechten Lebensgemeinschaft zu zahlen, für sich allein nicht für die Anerkennung eines entsprechenden Sonderbedarfs ausreichen muss (EFSlg 83.274).

Ob im jeweiligen Einzelfall die Voraussetzungen für die Anerkennung der Kosten einer Privatschule als Sonderbedarf gegeben sind, stellt - sofern sich die Entscheidung der zweiten Instanz auf der Grundlage der wiedergegebenen Rechtsprechung bewegt und keine krasse Fehlbeurteilung darstellt - keine iSd § 14 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage dar. Die hier vom Rekursgericht getroffene Entscheidung ist aber keineswegs unvertretbar. Der Vater hat die Feststellung der Vorinstanzen, er habe der Schulauswahl zugestimmt, in seiner Eingabe ON 128 vom ausdrücklich nicht bekämpft. Dazu kommt, dass der mj. N***** zwar der polnischen und der englischen Sprache mächtig ist, die deutsche aber offenkundig nicht bzw nur so mangelhaft beherrscht, dass sich die Beamten der Wiener Jugendgerichtshilfe mit ihm auf Englisch verständigen mussten (ON 173). Trotz des Umstandes, dass der außergewöhnlich gut verdienende Vater einen den Regelbedarf deutlich übersteigenden Unterhalt leistet und daher bei der Prüfung des Sonderbedarfsbegehrens ein strenger Maßstab anzulegen ist (ÖA 1999, 261), erweist sich daher die Auffassung der zweiten Instanz, im hier zu beurteilenden Fall seien die Ausbildung in einer Privatschule rechtfertigende Umstände gegeben, als durchaus vertretbar und daher nicht revisibel. Berücksichtigt man überdies, dass die begehrte Sonderbedarfsleistung weniger als die Hälfte des Schulgeldes deckt und gemeinsam mit dem laufenden Unterhalt etwa dem vom Vater nach der Prozentkomponente zu zahlenden Betrag entspricht, kann von einer die Zulässigkeit des Revisionsrekurses rechtfertigenden Fehlbeurteilung der zweiten Instanz nicht die Rede sein.

Da somit die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht gegeben sind, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.