OGH vom 24.06.2016, 9Ob35/16m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am verstorbenen G***** B*****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Gudrun Truschner, Rechtsanwältin in Wels, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer ua, Rechtsanwälte in Wels, wegen Feststellung und Leistung (62.244 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 30/16y 16, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 5 Cg 43/15w 12, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der am verstorbene G***** B***** hatte am mit der Beklagten einen Kreditvertrag über eine Valuta von 68.000 EUR abgeschlossen und die Kreditraten bis zu seinem Tod regelmäßig bedient. Zur Besicherung der Kreditforderung hatte er der Beklagten mittels Sicherungsübereigungsvertrag eine bestimmte Anzahl an Goldmünzen und Nuggets übertragen. In diesem Vertrag wurde ua festgehalten: „Sollte der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nicht zur Gänze nachkommen, so ist die Sparkasse berechtigt, das Sicherungsgut nach den folgenden Bestimmungen zu verkaufen. Die Sparkasse wird mich/uns vom Eintritt der Fälligkeit der besicherten Forderung verständigen und die Verwertung des Sicherungsguts unter Setzung der gesetzlich vorgesehenen Frist androhen. Sollte im Einzelfall die Einhaltung dieser Frist untunlich sein (zum Beispiel wegen drohendem Wertverlust des Sicherungsguts), kann eine Verwertung bereits nach Eintritt der Fälligkeit erfolgen. […] Diese Veräußerungsvollmacht gilt auch für den Fall meines/unseres Ablebens.“
Am löste die Beklagte das Kreditverhältnis bei einem Kreditsaldo zum Todestag von 58.531,72 EUR auf und verwertete am selben Tag die Sicherheiten zu einem Erlös von 62.244 EUR. Weder die Verlassenschaft noch die Kinder als Erben des Verstorbenen waren zuvor verständigt worden. Im September 2014 überwies die Witwe des Verstorbenen auf das Kreditkonto die Kreditraten für die Monate Februar bis September 2014, der Betrag wurde rund sieben Monate später von der Beklagten rücküberwiesen.
Die Verlassenschaft nach dem am verstorbenen Kreditnehmer begehrte als Klägerin die Feststellung des aufrechten Bestands der Kreditvereinbarung und des Sicherungsübereignungsvertrags und die Verpflichtung der Beklagten zur Wiederbeschaffung und Haltung des Sicherungseigentums, in eventu Zug um Zug gegen Übernahme von Pflichten und Rechten durch die Klägerin laut dem Kredit- und dem Sicherungsübereignungsvertrag; eventualiter die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus der rechtswidrigen Vertragsauflösung und Verwertung des Sicherungseigentums. Es hätten keine die Auflösung des Kreditvertrags rechtfertigende Umstände, insbesondere auch kein Zahlungsverzug, vorgelegen. Auch sei keine Verständigung von der Fälligkeit der besicherten Forderung und Androhung der Verwertung des Sicherungsguts unter Setzung einer Frist erfolgt. Untunlichkeit der Fristeinhaltung sei bei Goldmünzen auszuschließen. Die Vertragsauflösungen seien rechtswidrig und gegenüber der Klägerin nichtig. Auch aus dem Titel des Schadenersatzes gebühre ihr die Schaffung einer gleichartigen und gleichwertigen Ersatzlage.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, ihr sei vom Kreditnehmer für den Fall seines Ablebens eine Veräußerungsvollmacht erteilt worden. Bereits sein Ableben habe einen wichtigen Grund für eine vorzeitige Auflösung des Kreditvertrags und für die Verwertung des Goldes dargestellt. Die Erben hätten nur eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben, dies bestätige die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Verlassenschaft. Ohne Verwertung und Abdeckung wären weitere Sollzinsen aufgelaufen und hätte auch die Gefahr bestanden, dass der Belehnwert unter den offenen Kreditsaldo sinken würde. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Fortsetzung des Kreditvertrags nach dem Ableben des Kreditnehmers, mit ihr sei kein Vertragsverhältnis begründet worden. Eine Verständigung des Kreditnehmers vor der Verwertung sei infolge seines Todes zwangsläufig ausgeschieden. Auch bei einer Androhung mit Nachfristsetzung hätte sich nichts geändert. Der Klägerin sei kein Schaden entstanden. Sie habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Goldstücke anschaffe, diese könnten von der Klägerin oder den Erben angeschafft werden. Dass eine solche Anschaffung nicht erfolgte, könne letztlich nur durch ihre mangelnde Leistungsfähigkeit erklärt werden.
Das Erstgericht stellte den aufrechten Bestand der Verträge fest und verpflichtete die Beklagte im Sinne des ersten Eventualbegehrens, die Goldwerte Zug um Zug gegen Übernahme von Rechten und Pflichten aus dem Kreditvertrag durch die Klägerin wiederzubeschaffen und als Sicherungseigentum zu halten. Die Beklagte sei mangels Gefährdung ihrer Rechtsstellung nicht zur vorzeitigen Auflösung des Kreditverhältnisses berechtigt gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Zur außerordentlichen Kündigung bedürfe es der Angabe der Gründe in der Kündigungserklärung, die Kündigung der Beklagten sei jedoch begründungslos geblieben. Es seien auch keinerlei Leistungsstörungen vorgelegen. Die Klausel, dass die Veräußerungsvollmacht auch für den Fall des Todes des Sicherheitenbestellers gelte, könne nur so verstanden werden, dass eine Verwertung des Sicherungsguts ebenfalls nur unter Einhaltung der in Punkt 6. geregelten Bedingungen zulässig sei. Von Untunlichkeit der durchzuführenden Verständigungen könne keine Rede sein. Der Erfüllungsanspruch erfordere die Wiederanschaffung des Goldes. Auch § 1323 ABGB führe zum selben Ergebnis. Im Übrigen verstoße eine Klausel in AGB, wonach das Kreditinstitut zur Kündigung des Kredits berechtigt sei, wenn ein Kreditnehmer stirbt, gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG. Nichts anderes könne für den Sicherungsübereignungsvertrag gelten. Die Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht zur Frage, ob eine außerordentliche Kündigung begründet sein müsse, von der Entscheidung 9 ObA 2/04s abgewichen und Lehrmeinungen gefolgt sei.
In ihrer dagegen gerichteten Revision begehrt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsabweisung.
Die Klägerin begehrt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a ZPO) – unzulässig.
1. Die Beklagte meint, dem Feststellungsbegehren hätte nicht stattgegeben werden dürfen, weil das Hauptbegehren abgewiesen worden sei und die Eventualbegehren nicht mit einem Feststellungsbegehren verbunden gewesen seien. Ein bereits in der Berufung erfolglos geltend gemachter Verfahrensmangel kann jedoch in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (vgl RIS Justiz RS0042963).
2. Die vom Berufungsgericht gestellte Frage, ob die Gründe für eine außerordentliche Kündigung bereits in der Auflösungserklärung angegeben sein müssen oder nachgetragen werden dürfen, ist hier nicht entscheidungsrelevant, weil die Beklagte keine solchen Gründe nachgewiesen hat:
Der Kreditvertrag kann, soweit er ein Dauerschuldverhältnis begründet, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit gelöst werden; ein solcher liegt vor, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses billigerweise nicht zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0019365; s auch RS0027780). Erschüttert muss das Vertrauen des Kreditinstituts darin sein, dass der zur sofortigen Rückzahlung fällig gestellte Kredit nicht mehr ordnungsgemäß bedient werde und insoweit eine vermögensrechtliche Gefährdung zu befürchten ist (RIS-Justiz RS0019365 [T1]). Ein „allgemeiner Vertrauensverlust“ reicht nicht aus. Vielmehr ist Voraussetzung, dass aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers die Kreditrückzahlung gefährdet ist (RIS Justiz RS0019365 [T4]). Wichtige Gründe für eine solche Vertragsaufhebung hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der die Auflösung erklärt (RIS-Justiz RS0027780 [T21]).
Nach der Rechtsprechung verstößt eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach das Kreditinstitut zur Kündigung des Kredits zur sofortigen Rückzahlung berechtigt ist, wenn der Kreditnehmer oder Bürge stirbt, mangels genereller sachlicher Rechtfertigung eines Rücktrittsrechts des Kreditgebers gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG (RIS-Justiz RS0117369). Der für eine vorzeitige Beendigung erforderliche wichtige Grund ist erst dann verwirklicht, wenn der in der Klausel angeführte Umstand die Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber der Bank auch tatsächlich gefährden kann (vgl RIS-Justiz RS0117369 [T1, T 4]). Eine tatsächliche Gefährdung der Erfüllung der Verbindlichkeiten ist etwa dann nicht gegeben, wenn weitere Sicherheiten vorhanden sind oder vom Kreditnehmer oder von dritter Seite gestellt werden können (vgl 4 Ob 221/06p).
Eine tatsächliche Gefährdung der Erfüllung der Kreditverbindlichkeiten wird auch in der Revision nicht aufgezeigt. Das Argument der Beklagten, dass mit dem Ableben des Kreditnehmers seine persönliche Haftung weggefallen und sie nur auf die bestellte Sicherheit beschränkt gewesen sei, verkennt das Wesen der Rechtsnachfolge. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang vermisste Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, ob und welche Aktiva der Nachlass nach dem Kreditnehmer aufweist, ist nicht entscheidungsrelevant, weil sie zu ihren Lasten ginge. Im Übrigen ginge hier weder daraus noch aus der Abgabe bedingter Erbantrittserklärungen hervor, dass die Klägerin zur Leistung der monatlichen Kreditraten nicht imstande gewesen wäre. Die Beklagte kann sich hier auch nicht auf erhebliche Wertschwankungen des Goldes berufen, hat sie doch nicht einmal behauptet, dass im Verwertungszeitpunkt eine konkrete Gefährdungslage gegeben war, die bei sonstigem Wertverlust der Sicherheit einer vertragskonformen Verständigung der Klägerin entgegengestanden wäre. Das deutlich über dem aushaftenden Kreditsaldo liegende Verwertungsergebnis zeugt vielmehr vom Gegenteil. Mangels Kündigungsgrund ist die Kündigung daher unwirksam (s nur Perner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 987 Rz 2).
3. Ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes ist es unerheblich, ob das Erkennen der Klägerin, dass die Beklagte die Sicherheiten verwertet hatte, und das Prozessvorbringen der Beklagten nachträglich als konkludente Auflösungserklärung zu verstehen gewesen wäre.
4. Worin die Beklagte eine bereits per erfolgte Auflösungserklärung und deren Akzeptanz durch die Klägerin sehen will, bleibt unerfindlich. Ihr Vorbringen, dass sie mangels Leistung der Rückzahlungsraten durch die Klägerin zur vorzeitigen Beendigung berechtigt gewesen wäre, lässt die gesetzlichen Voraussetzungen des Terminsverlusts außer Acht (§ 14 Abs 3 VKrG;§ 13 KSchG aF). Die Richtigkeit der Vertragsauflösung und Sicherheitenverwertung damit zu begründen, dass die Klägerin in der Folge keinerlei Rückzahlungsraten mehr leistete, verkennt Ursache und Wirkung.
5. Dass der Klägerin aus der Vorgangsweise der Beklagten kein Nachteil entstanden sei, ist unrichtig, weil sie bei Erfüllung ihrer Kreditpflichten infolge der schuldrechtlichen Innenbindung des Sicherungsübereignungsvertrags (s RIS-Justiz RS0010387) Anspruch auf Rückstellung der Goldmünzen und Nuggets zum dann geltenden Wert hat. Die Ansicht, dass sich die Klägerin die Kreditrückzahlung erspare und jederzeit selbst das Gold anschaffen könne, übergeht, dass monatliche Ratenzahlungen der sofortigen Zahlung eines Gesamtbetrags nicht gleichgehalten werden können. Das Vorbringen, die unterlassene vorgängige Androhung der Sicherheitenverwertung sei durch die nachfolgenden Nichtzahlungen der Klägerin „geheilt“ worden, verkennt die Problemlage.
6. Mangels einer entscheidungsrelevanten Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen (s RIS Justiz RS0035979).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00035.16M.0624.000