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OGH 17.11.2015, 10ObS123/15h

OGH 17.11.2015, 10ObS123/15h

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 1 ASGG) in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77, wegen Wochengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 77/15w-10, womit das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 36 Cgs 15/15t-6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag

zurückgestellt, die beklagte Partei zur

Verbesserung ihrer Revisionsbeantwortung durch Beibringen der Unterschrift eines Rechtsanwalts aufzufordern.

Text

Begründung:

Infolge Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung vom (ON 10) das Urteil des Erstgerichts vom (ON 6) abgeändert und die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zugelassen. Die Klägerin erhob gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts rechtzeitig Revision, die der beklagten Partei am zugestellt wurde. Diese brachte im ERV am eine - nicht anwaltlich unterfertigte - Revisionsbeantwortung ein.

Rechtliche Beurteilung

Für die Vertretung vor dem Obersten Gerichtshof gelten auch in Sozialrechtssachen die allgemeinen Bestimmungen der ZPO (§§ 506 Abs 1 Z 4 und 507 Abs 4 ZPO). Demnach besteht auch im Revisionsverfahren absolute Anwaltspflicht (RIS-Justiz RS0108295; Neumayr in ZellKomm2 § 40 ASGG Rz 3).

Das Erstgericht wird daher der beklagten Partei den Auftrag zu erteilen haben, die Revisionsbeantwortung innerhalb einer zu bestimmenden Frist durch Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt zu verbessern (§§ 84, 85 ZPO).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77, vertreten durch Mag. Andreas Nösterer, Rechtsanwalt in Pregarten, wegen Wochengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 77/15w-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 36 Cgs 15/15t-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 544,13 EUR (darin enthalten 90,69 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab März 2014 als freie Dienstnehmerin bei der P***** A***** GmbH beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit unterstützte sie beeinträchtigte Menschen bei deren Lebensführung zu Hause, wobei auch körperlich schwere Arbeiten anfielen. Bis zur Änderungsmeldung vom war die Klägerin bei der beklagten Gebietskrankenkasse als geringfügig beschäftigt gemeldet. Sie bezog im Mai 2014 ein Bruttogehalt von 643,66 EUR, im Juni 2014 von 400,47 EUR und im Juli 2014 von 1.033,76 EUR. Im August 2014 nahm die Klägerin einen schon einige Monate zuvor vereinbarten zweiwöchigen Erholungsurlaub. Für den Zeitraum des Erholungsurlaubs bestand kein Entgeltanspruch, sodass die Klägerin im August 2014 lediglich 289,36 EUR brutto verdiente. Als sie im September 2014 erfuhr, dass sie schwanger war, reduzierte sie ihr Arbeitszeitausmaß, weil sie ihr Kind nicht gefährden wollte. Die Dienstgeberin veranlasste ab eine (neuerliche) Ummeldung auf eine geringfügige Beschäftigung. Ab wurde der Klägerin laut ärztlichem Zeugnis der Bezirkshauptmannschaft P***** für den Fall der Fortdauer der Beschäftigung eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Mutter und Kind bis zum Beginn der Schutzfrist gemäß § 3 Abs 1 MSchG bescheinigt. Der voraussichtliche Entbindungstermin wurde mit berechnet.

Mit Bescheid vom wies die beklagte Partei den auf die Gewährung von Wochengeld ab gerichteten Antrag der Klägerin ab. Als Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin seit September 2014 nur geringfügig beschäftigt gewesen sei, weshalb lediglich eine Teilversicherung in der Unfallversicherung bestanden habe. Eine Selbstversicherung (in der Krankenversicherung) sei nicht vorgelegen. Der Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft und der damit verbundene Anspruch auf Wochengeld aufgrund eines arbeitsinspektions- oder amtsärztlichen Zeugnisses bestehe aber nur für Dienstnehmerinnen, die in der Krankenversicherung pflichtversichert seien.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Klage brachte die Klägerin zusammengefasst vor, ihr Anspruch auf Wochengeld sei nach der Schutzfristregelung des § 122 Abs 3 ASVG gegeben. Der Zeitpunkt 8 Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung (= Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft nach § 120 Z 3 Satz 1 ASVG) sei der . Der Beginn der 32. Woche vor diesem Zeitpunkt falle auf den . Da im Monat August 2014 noch eine Pflichtversicherung aufgrund einer Vollbeschäftigung bestanden und diese Pflichtversicherung zuvor mindestens 13 Wochen ununterbrochen angedauert habe, sei ihr Anspruch auf Wochengeld zu bejahen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wiederholte ihren bereits im Bescheid vertretenen Rechtsstandpunkt. Ergänzend wendete sie ein, auch die Schutzfristregelung des § 122 Abs 3 ASVG ändere nichts daran, dass der Versicherungsfall der Mutterschaft wegen der fehlenden Krankenversicherung nicht eingetreten sei. § 122 Abs 3 ASVG sei schon deswegen nicht anwendbar, weil die Reduktion der Arbeitszeit auf Wunsch der Klägerin erfolgt sei und somit nach dieser - allenfalls auch analog anzuwendenden - Bestimmung eine schädliche Beendigungsart vorliege.

Das Erstgericht sprach aus, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab bis acht Wochen nach der Geburt bzw im Fall einer Frühgeburt, Mehrlingsgeburt oder Kaiser-schnittentbindung zwölf Wochen nach der Geburt ein tägliches Wochengeld im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen, dem Grunde nach zu Recht bestehe und trug der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von 15 EUR täglich auf.

Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, beim Wochengeld handle es sich um eine Leistung aus der Krankenversicherung. Die Klägerin sei an sich als freie Dienstnehmerin nach § 4 Abs 4 ASVG vollversichert. Als geringfügig Beschäftigte sei sie aber von der Vollversicherung ausgenommen, für geringfügig Beschäftigte bestünde lediglich eine Teilversicherung in der Unfallversicherung. Da die Klägerin jedenfalls ab September 2014 geringfügig beschäftigt gewesen sei (und kein Ausnahmetatbestand vorliege), habe im November 2014 (Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft mit Beginn des individuellen Beschäftigungsverbots) keine aufrechte Krankenversicherung mehr bestanden. Nach der Schutzfristregelung des § 122 Abs 3 ASVG seien Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft aber auch zu gewähren, wenn der Versicherungsfall nach dem Ende der Pflichtversicherung eintrete und der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls in den Zeitraum des Bestandes der beendeten Pflichtversicherung, die mindestens 13 Wochen bzw drei Kalendermonate ununterbrochen gedauert haben müsse, falle. Ausgehend vom Termin der voraussichtlichen Entbindung ergebe sich der Eintritt des Versicherungsfalls nach § 120 Z 3 1 Fall ASVG mit . Bei Abzug weiterer 32 Wochen errechne sich der als maßgebliches Datum. Die Pflichtversicherung habe drei Monate ununterbrochen angedauert, weil das Gehalt der Klägerin in den Monaten Mai, Juni und Juli die Geringfügigkeitsgrenze von 395,31 EUR jeweils überschritten habe. Im August 2014 sei ihr Gehalt von 289,36 EUR brutto zwar unter der Geringfügigkeitsgrenze gelegen, sodass grundsätzlich gemäß § 5 Abs 1 Z 2 ASVG eine Ausnahme von der Krankenversicherung vorgelegen habe. Treten jedoch bei Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Vollversicherung nach § 5 ASVG ein - etwa infolge Unterschreitens der Geringfügigkeitsgrenze -, so ende die Pflichtversicherung mit dem Ende des laufenden Beitragszeitraums. Die Vollversicherung der Klägerin habe daher (erst) mit Ablauf des Monats August 2014 geendet. Erst zu diesem Zeitpunkt sei definitiv festgestanden, dass die Geringfügigkeitsgrenze in diesem Monat nicht überschritten werde. Am sei die Klägerin somit aufrecht krankenversichert gewesen. Dem Einwand der beklagten Partei, die auf Wunsch der Klägerin erfolgte Stundenreduzierung entspreche einer der in § 122 Abs 3 2. Satz ASVG angeführten „schädlichen“ Beendigungsarten (einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses, Kündigung durch die Dienstnehmerin, unberechtigter vorzeitiger Austritt oder verschuldete Entlassung der Dienstnehmerin) komme keine Berechtigung zu. Der Katalog dieser Beendigungsgründe sei taxativ zu verstehen, sodass weder ein Unterschreiten der Geringfügigkeitsgrenze aufgrund der Inanspruchnahme von unbezahltem Urlaub noch eine Stundenreduktion aufgrund einer Schwangerschaft davon erfasst werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Rechtlich ging es davon aus, im relevanten Zeitpunkt - also zu Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls nach dem Grundtatbestand des § 120 Z 3 ASVG (acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung) - habe ein Pflichtversicherungsverhältnis vorgelegen. Nicht strittig sei, dass dieses Pflichtversicherungsverhältnis insgesamt lang genug, nämlich mindestens 13 Wochen bzw drei Kalendermonate ununterbrochen bestanden habe. In der Reduktion des Arbeitszeitausmaßes auf Wunsch der Klägerin liege aber eine der in § 122 Abs 3 2. Satz ASVG angeführten „schädlichen“ Beendigungsarten. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung dieser Regelung sei als Abgrenzungskriterium darauf abzustellen, ob eine Dienstnehmerin aus eigenem - und ohne einen vom Gesetz anerkannten Grund - den Kreis der Versichertengemeinschaft der Krankenversicherung verlassen habe, oder ob der Krankenversicherungsschutz ohne ihr berechtigtes Zutun verloren gegangen sei. In diesem Sinn rücke die einseitige Stundenreduktion in die Nähe des Tatbestands der „Kündigung durch die Dienstnehmerin“. Die Klägerin habe ohne einen gesetzlich vorgesehenen Anlass - wenn auch im Hinblick auf ihre Schwangerschaft - die von ihr geleisteten Arbeitsstunden reduziert und damit indirekt das ihr aus dem Dienstverhältnis gebührende Entgelt unter die Geringfügigkeitsgrenze abgesenkt. Sie habe quasi die Pflichtversicherung des Dienstverhältnisses - freilich bei dessen gleichzeitigem Weiterbestand - „gekündigt“. Ein im Hinblick auf den Gesetzeszweck relevanter Unterschied zwischen der Kündigung des Dienstverhältnisses „als Ganzes“ durch die Versicherte und einer auf Initiative der Versicherten erfolgten Reduktion von Arbeitszeit und Entgelt sei nicht ersichtlich. Die Klägerin könne - anders als beim Mutterschaftsaustritt oder der Inanspruchnahme des gesetzlichen Anspruchs auf Karenz - auch keinen gesetzlich anerkannten Grund für diese Reduktion in Anspruch nehmen. Ihr Anspruch auf Wochengeld sei deshalb zu verneinen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der Frage, ob die einseitige Reduktion des Arbeitszeitausmaßes, die zu einer Entgeltreduktion und zu einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis führt, als „schädliche“ Beendigungsart iSd § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG zu qualifizieren sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht in ihrer Revision zusammengefasst geltend, das Ende ihrer Pflichtversicherung im August 2014 sei auf einen gesetzlich anerkannten Grund, nämlich den Verbrauch von Erholungsurlaub zurückzuführen, weshalb es nicht mehr darauf ankomme, dass sie im September 2014 die von ihr geleisteten Arbeitsstunden im Hinblick auf eine Gefährdung ihrer Schwangerschaft infolge der mit ihren Dienstpflichten verbundenen schweren körperlichen Arbeiten reduziert habe. Jedenfalls aber stelle diese Situation einen durchaus berechtigten Grund dar, ihre Arbeitsleistung zu reduzieren. Der vom Berufungsgericht gezogene Analogieschluss zu den in § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG taxativ aufgezählten schädlichen Beendigungsarten sei unzulässig. Es liege keine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vor.

Der erkennende Senat hat erwogen:

1.1 Aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft nach dem ASVG gebührt weiblichen Versicherten ein tägliches Wochengeld (§ 162 Abs 1 ASVG), das den Zweck hat den durch die Mutterschaft erlittenen Entgeltverlust zu ersetzen und eine finanzielle Absicherung zu schaffen (Felten in Tomandl, SV-System, 28. ErgLfg 264/15f).

1.2 Der Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft wird in § 120 Z 3 ASVG mit dem Beginn der achten Woche vor der voraussichtlichen Entbindung festgelegt. Erfolgt die Entbindung aber vor diesem Zeitpunkt, mit der Entbindung, oder auch mit dem Beginn eines besonderen Beschäftigungsverbots gemäß § 3 Abs 3 MSchG (aufgrund eines Zeugnisses eines Arbeitsinspektionsarztes oder eines Amtsarztes, nach dem die werdende Mutter nicht beschäftigt werden darf, weil bei Fortdauer der Beschäftigung Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet wäre - sogenanntes „individuelles Beschäftigungsverbot“).

2.1 Das Wochengeld nach dem ASVG wird als Geldleistung aus der Krankenversicherung gewährt (vgl § 117 Z 4 lit d ASVG). Gemäß § 122 Abs 1 ASVG ist Voraussetzung einer Leistung aus der Krankenversicherung, dass der Versicherungsfall während der Versicherung oder vor dem auf das Ende der Versicherung nächstfolgenden Arbeitstag eingetreten ist.

2.2 Nach § 4 Abs 4 ASVG war die Klägerin als freie Dienstnehmerin in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung grundsätzlich versichert (vollversichert). Von dieser Vollversicherung sind allerdings geringfügig beschäftigte Personen ausgenommen (§ 5 Abs 1 Z 2 ASVG). Für diese Personen besteht gemäß § 7 Z 3 lit a ASVG lediglich eine Teilversicherung in der Unfallversicherung. Geringfügig Beschäftigte sind daher mangels Pflichtversicherung in der Krankenversicherung vom Wochengeldanspruch ausgeschlossen, es sei denn sie sind selbst versichert (§ 19a Abs 6 ASVG).

2.3 Die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs 2 ASVG betrug für 2014 395,31 EUR (Zehetner in Sonntag, ASVG5 § 5 Rz 28). Treten - wie bei der Klägerin im August 2014 infolge Absinkens des Entgelts unter die Geringfügigkeitsgrenze - bei Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Vollversicherung nach § 5 ASVG ein, so endet nach § 11 Abs 4 ASVG die Pflichtversicherung (soweit nicht Abs 5 anderes bestimmt) mit dem Ende des laufenden Beitragszeitraums bzw - wenn der Ausnahmegrund auf den ersten Tag des Beitragszeitraums fällt - mit dem Ende des vorangegangenen Beitragszeitraums (VwGH 93/08/0008; Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 11 Rz 31). Die Klägerin schied demnach aus der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung - ungeachtet ihres in diesem Monat unter der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Entgelts - erst am  - dem Ende der Vollversicherungspflicht - aus. Der Versicherungsfall der Mutterschaft trat bei ihr erst danach, nämlich am , mit dem Beginn des individuellen Beschäftigungsverbots ein.

3.1 Die Klägerin beruft sich aber darauf, dass Anspruch auf Wochengeld auch aus der Pflichtversicherung ausgeschiedenen Personen zukomme. § 122 Abs 3 ASVG regelt eine Verlängerung des Versicherungsschutzes für jene Fälle, in denen der Versicherungsfall der Mutterschaft (Beginn der achten Woche vor der Entbindung) nach Beendigung der Pflichtversicherung eintritt (vgl 10 ObS 312/98z, SSV-NF 13/1).

Danach sind - über die Bestimmungen des § 122 Abs 2 ASVG hinaus - Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft auch zu gewähren, wenn

- der Versicherungsfall nach dem Ende der Pflichtversicherung eintritt,

- der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls in den Zeitraum des Bestands der beendeten Pflichtversicherung fällt und

- die Pflichtversicherung mindestens 13 Wochen bzw drei Kalendermonate ununterbrochen bestanden hat.

3.2 Der „Schutzfristfall“ des § 122 Abs 3 ASVG eröffnet somit den Anspruch auf Wochengeld auch solchen werdenden Müttern, bei denen zwar („ungefähr“) bei Eintritt ihrer Schwangerschaft, nicht aber bei Eintritt des Versicherungsfalls eine aufrechte Pflichtversicherung bestand (10 ObS 37/15m). Diese Bestimmung dient vor allem familienpolitischen Zwecken und es soll dadurch der Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft auch bei Ausscheiden der Arbeitnehmerin aus dem Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft aufrecht erhalten werden, sofern die Schwangerschaft während des Bestands der Pflichtversicherung eingetreten ist und zwar unabhängig davon, wann die Pflichtversicherung endet. Bei der Berechnung ist hiebei auf den Eintritt des Versicherungsfalls nach dem „Grundfall“ (§ 120 Z 3 1. Fall ASVG) abzustellen, nicht aber auf den Beginn des individuellen Beschäftigungsverbots (RIS-Justiz RS0127653).

3.3 Geht man im vorliegenden Fall vom errechneten Geburtstermin aus und zieht 8 Wochen ab, so ist das Datum des Versicherungsfalls nach § 120 Z 3 1. Fall ASVG („Grundfall“) der . Abzüglich weiterer 32 Wochen (§ 122 Abs 3 ASVG) errechnet sich der als maßgebliches Datum. Am war die Klägerin - wie oben dargelegt - aber aufrecht vollversichert, somit auch krankenversichert.

3.4 Es ist daher als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die Klägerin nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen die Voraussetzungen für Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft nach § 122 Abs 3 Satz 1 ASVG erfüllt, weil der Versicherungsfall der Mutterschaft mit , also erst nach dem mit eingetretenen Ende der Pflichtversicherung der Klägerin in der Krankenversicherung, eingetreten ist, der mit errechnete Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls (Beginn der achten Woche vor der voraussichtlichen Entbindung) in den Zeitraum des Bestands der mit beendeten Pflichtversicherung fällt und diese Pflichtversicherung auch mindestens 13 Wochen bzw drei Kalendermonate (Mai, Juni und Juli 2014) ununterbrochen gedauert hat.

3.5 Die beklagte Partei macht in ihrer Revisionsbeantwortung dagegen im Wesentlichen geltend, der Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft und der damit verbundene Anspruch auf Wochengeld aufgrund eines arbeitsinspektions- oder amtsärztlichen Zeugnisses bestehe nur für Dienstnehmerinnen, die in der Krankenversicherung pflichtversichert seien. Da die Klägerin aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung nur in der Unfallversicherung teilversichert sei, habe sie mangels Pflichtversicherung in der Krankenversicherung grundsätzlich keinen Anspruch auf Wochengeld. An dieser rechtlichen Beurteilung könne auch die Schutzfristregelung des § 122 Abs 3 ASVG nichts ändern.

3.6 Der erkennende Senat vermag sich diesen Ausführungen nicht anzuschließen. Es trifft zu, dass Anspruch auf Wochengeld grundsätzlich alle nach dem ASVG in der Krankenversicherung Plichtversicherten, insbesondere die in der Krankenversicherung pflichtversicherten Dienstnehmer gemäß § 4 Abs 2 ASVG und freie Dienstnehmer gemäß § 4 Abs 4 ASVG haben. Es wurde ebenfalls bereits dargelegte, dass geringfügig Beschäftigte, die sich nicht selbst versichert haben (§ 19a ASVG), daher - mangels Pflichtversicherung in der Krankenversicherung - vom Wochengeldanspruch ausgeschlossen sind. Darüber hinaus haben aber, wie ebenfalls bereits dargelegt wurde, auch aus der Pflichtversicherung ausgeschiedene, nach § 122 ASVG aber dennoch anspruchsberechtigte Personen - wie die Klägerin - Anspruch auf Wochengeld (vgl Drs in SV-Komm § 162 ASVG Rz 9 ff). Sowohl das allgemeine Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MSchG als auch das individuelle Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 3 MSchG bestehen unabhängig von einem aktuellen Arbeitsverhältnis (vgl M. Thomasberger in seinerEntscheidungsbesprechung in DRdA 2012/14, 222 [223]), sodass es auch nicht schaden kann, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Mutterschaft mit dem Beginn des individuellen Beschäftigungsverbots am in der Krankenversicherung nicht (mehr) pflichtversichert war. Es besteht daher selbst dann, wenn zwischenzeitlich das Arbeitsverhältnis beendet worden sein sollte, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 122 Abs 3 ASVG ein (erweiterter) Anspruch auf Wochengeld für die Zeit des individuellen Beschäftigungsverbots (Felten in Tomandl, SV-System 28. ErgLfg 264/16).

4.1 Nach dem Wortlaut des § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG kommt der Dienstnehmerin die Schutzfristverlängerung jedoch dann nicht zugute, wenn die Pflichtversicherung aufgrund einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses, einer Kündigung durch die Dienstnehmerin, eines unberechtigten vorzeitigen Austritts oder einer verschuldeten Entlassung der Dienstnehmerin geendet hat oder wenn die Dienstnehmerin aus einem dieser Gründe unmittelbar im Anschluss an einen Zeitraum des Bezugs eines Karenzgeldes nach dem KGG ihre vorherige Beschäftigung nicht wieder aufgenommen hat. Der Bezug von Karenzgeld nach dem KGG ist nunmehr als Bezug von Kinderbetreuungsgeld nach dem KBGG zu verstehen.

4.2 Dass die Klägerin im September 2014 im Hinblick auf den Eintritt der Schwangerschaft das Ausmaß ihrer Beschäftigung auf das Ausmaß einer geringfügigen Beschäftigung reduziert hat, ist unter keinen der beiden in § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG geregelten Fälle zu subsumieren. Sie hat weder ihr Arbeitsverhältnis, das die Pflichtversicherung begründet hatte, beendet noch hat sie unmittelbar im Anschluss an den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes „aus einem dieser Gründe“ ihre vorherige Beschäftigung nicht aufgenommen. Im vorliegenden Fall ist der Wochengeldanspruch der Klägerin jedenfalls nicht aufgrund einer unmittelbaren Anwendung der hier allein in Betracht kommenden Ausschlussbestimmung des § 122 Abs 3 Satz 2 erste Alternative ASVG zu verneinen, weil die Pflichtversicherung nicht wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses geendet hat. Die Pflichtversicherung der Klägerin in der Krankenversicherung endete vielmehr wegen einer Verringerung des Beschäftigungsausmaßes der Klägerin in ihrem weiterhin aufrechten Dienstverhältnis. Die erste Alternative der Ausschlussbestimmung des § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG setzt jedoch eine Auflösung des Dienstverhältnisses (und eine Beendigung der Pflichtversicherung dadurch) voraus (vgl J. Naderhirn in ihrer Entscheidungsbesprechung in DRdA 2010/40, 409 [412]).

4.3.1 Dass der Gesetzgeber in § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG die Herabsetzung des Arbeitszeitausmaßes im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses auf ein derartiges Ausmaß, dass das Einkommen die Geringfügigkeitsgrenze nicht mehr übersteigt, nicht als weitere schädliche Beendigungsart genannt hat, stellt entgegen der Ansicht der beklagten Partei auch keine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke dar. Eine Lücke im Rechtssinn ist gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müsste. Das Gesetz ist in einem solchen Fall, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, ergänzungsbedürftig, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS-Justiz RS0008866; RS0008845).

4.3.2  Zu § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG wurde unter Hinweis auf Enzlberger, DRdA 1994, 186 und Resch, ZAS 1995, 73 referiert, dass nach dem Regelungs-zusammenhang der Katalog der Beendigungsgründe taxativ zu verstehen sei, dennoch die Aufzählung der „schädlichen“ Auflösungsarten in § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG offensichtlich unvollständig geblieben sei (10 ObS 125/08t, SSV-NF 22/85 = DRdA 2010/40, 409 [J. Naderhirn] = ZAS 2010/30, 182 [Knallnig]; Windisch-Graetz in SV-Komm § 122 Rz 25 mwN). Im Sinn einer „sozialen Rechtsanwendung“ zwinge der Schutzzweck des § 122 Abs 3 ASVG ganz allgemein zu einem äußerst vorsichtigen Umgang mit Analogien zu Lasten der Sozialversicherten (10 ObS 101/94, SSV-NF 8/99).

4.3.3 Nimmt man auf den Regelungsinhalt des § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG und dessen Zielsetzung Bedacht, ist auf die Gesetzesmaterialien zum Karenzurlaubser-weiterungsgesetz BGBl 1990/408 (AB 1410 BlgNR 17. GP) zurückzugreifen. Nach diesen ist die Einführung „schädlicher Auflösungsarten“ damit begründet, dass die Pflichtversicherung bei Ablauf sachlich nicht gerechtfertigter befristeter Arbeitsverhältnisse während der Schwangerschaft weiterlaufen solle. Löst die Arbeitnehmerin selbst das Arbeitsverhältnis durch Kündigung auf oder trägt sie zu seiner Auflösung durch Herstellen des Einvernehmens mit dem Arbeitgeber bei, soll die Pflichtversicherung aber nicht fortdauern. Mit der 50. ASVG-Novelle wurde der Katalog um Auflösungsarten erweitert, die der Versicherten vorwerfbar sind, nämlich unberechtigter vorzeitiger Austritt und verschuldete Entlassung (10 ObS 125/08t, SSV-NF 22/85 = DRdA 2010/40, 409 [J. Naderhirn] = ZAS 2010/30, 182 [Knallnig]). Das Gemeinsame der „schädlichen“ Auflösungsarten liegt demnach darin, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses der Arbeitnehmerin zuzurechnen ist oder sie durch Herstellung des Einvernehmens mit dem Arbeitgeber über die Auflösung daran mitwirkt. Es kommt aber nicht ausschließlich darauf an, ob die Initiative zur Auflösung des Dienstverhältnisses von der Dienstnehmerin ausgegangen ist, sondern vielmehr auch darauf, ob für diese einseitige Auflösung des Dienstverhältnisses durch die Dienstnehmerin ein rechtlich anerkannter Grund vorgelegen ist. So handelt es sich etwa beim „Mutterschaftsaustritt“ nach § 23a Abs 3 AngG, mit dem der Mutter erleichtert werden soll, bei ihrem Kind zu bleiben, ohne an Kündigungsfristen und -termine gebunden zu sein, nicht um eine „vorwerfbare“ Beendigungsart (RIS-Justiz RS0028476). Die Ausschlusstatbestände, die die Erweiterung des Wochengeldanspruchs verhindern, lassen sich somit dahin zusammenfassen, dass die Dienstnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne besonderen Grund von sich aus beendet oder nach dem Ende des Kinderbetreuungsgeldbezugs ihre vorherige Beschäftigung nicht wieder aufnimmt.

4.3.4 Zur Frage einer analogen Anwendung der Ausschlussbestimmung des § 11 Abs 3 Satz 2 erste Alternative ASVG auf den vorliegenden Fall ist daher darauf hinzuweisen, dass die Erweiterung des Wochengeldanspruchs familienpolitischen Zielsetzungen dient und die materielle Absicherung der Mutter und ihres Kindes sicherstellen soll. Nach dieser im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung ist aber nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber - wäre ihm der vorliegend zu beurteilende Fall einer Reduktion des Arbeitszeitausmaßes zwecks Vermeidung der Gefährdung der Schwangerschaft bzw des Kindes vor Augen gestanden - daran die Rechtsfolge des Verlusts des Wochengeldanspruchs geknüpft hätte. Nach der dargestellten Zielsetzung und Wertung des § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber für eine derartige Vorgehensweise einen rechtlich anerkannten Grund als gegeben angenommen hätte. Es fehlt somit an einer Gesetzeslücke und damit auch an der Grundvoraussetzung einer ergänzenden Rechtsfindung. Es steht den Gerichten nicht zu, in einem solchen Fall gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt neu zu schaffen. Die in § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG genannten „schädlichen Auflösungsarten“ sind deshalb (auch) nicht im Wege der Analogie auf den vorliegenden Sachverhalt zu erweitern.

5. Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00123.15H.1117.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAD-82571