OGH vom 13.07.1989, 8Ob580/88
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als Richter in der Rechtssache der kündigenden Partei Maria S 6791 St.Gallenkirchen, Nr. 17, vertreten durch Dr.Michael Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die gekündigte Partei Margarete K***, Schmitzingerstraße 76, D-7890 Walzhut 1, BRD, vertreten durch Dr.Roland Piccolruaz, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der gekündigten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom , GZ 1 a R 107/88-12, womit infolge Rekurses der kündigenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Montafon vom , GZ 1 C 54/88 d-6, aufgehoben wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die kündigende Partei kündigte der Kündigungsgegnerin am das gemietete "ganze" Haus Maisäßhütte Nr. 183 in Gallenkirchen aus dem Grunde des Eigenbedarfs für den auf. Im für diese Kündigung verwendeten ZP-Formular Nr. 102 wurden zum vorgedruckten Vorbringen "unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat - drei Monaten unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist....." keinerlei Angaben gemacht.
Gegen die am zugestellte Aufkündigung erhob die gekündigte Partei fristgerecht Einwendungen, in welchen sie primär die Zurückweisung der Kündigung mit der Begründung beantragte, der Bestandgegenstand sei "zu Beginn der 60er-Jahre" auf 99 Jahre gemietet worden und der Bestandzins sei jährlich fällig, so daß die gesetzliche Kündigungsfrist drei Monate betrage und nicht eingehalten worden sei. Im übrigen bestritt sie das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes und beantragte die Aufhebung der Kündigung.
In der mündlichen Verhandlung vom brachte die klagende Partei (§ 571 Abs 2 ZPO) vor, sie habe mit der Beklagten schon vor Einbringung der Kündigung, nämlich am , die einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses per wegen Eigenbedarfs vereinbart, diese verweigere jedoch die Räumung und benütze den Bestandgegenstand seit dem letztgenannten Zeitpunkt titellos. Im Hinblick auf die einvernehmliche Auflösung werde "das Klagebegehren dahin modifiziert", daß die Beklagte schuldig sei, die von der Klägerin gemietete Maisäßhütte Nr. 183, St.Gallenkirch, binnen vierzehn Tagen von allen Fahrnissen zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben und die Prozeßkosten zu ersetzen. Diese Klagsänderung in einem Bestandverfahren sei grundsätzlich zulässig. Es trete auch keine Änderung der Zuständigkeit des Prozeßgerichtes und keine Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens ein.
Der Beklagtenvertreter brachte hierauf vor wie in den Einwendungen und beantragte neuerlich die Zurückweisung der Aufkündigung. Im übrigen bestritt er das Neuvorbringen der klagenden Partei und sprach sich gegen die Zulassung der Klagsänderung aus. Da die als Partei vernommene Klägerin das Fehlen von Vereinbarungen über Kündigungsfristen und Kündigungstermine und die vereinbarte halbjährliche Zahlung des Bestandzinses angegeben sowie die einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses per behauptet hatte, wies das Erstgericht die Aufkündigung mangels Wahrung der dreimonatigen Kündigungsfrist des § 560 Abs 1 lit d ZPO zurück. Es vertrat die Ansicht, daß diese Kündigungsfrist auch bei Einbringung einer Kündigung statt einer Räumungsklage gelte.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur Fortsetzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von S 15.000,-- übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. In seiner Entscheidungsbegründung führte es aus, die Klägerin habe ihr Kündigungsbegehren in ein Räumungsbegehren geändert, was entgegen der Ansicht der Rechtsprechung zulässig sein müsse, weil es den Parteien freistehe, den Gegenstand des Rechtsstreites zu bestimmen, soferne nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstünden. Vorliegendenfalls habe sich die Beklagte in die Verhandlung über die geänderte Klage eingelassen und solcherart gemäß der Rechtsvermutung des § 235 Abs 2 ZPO dieser Klageänderung zugestimmt. Da auch die übrigen Erfordernisse, insbesondere die Prozeßvoraussetzungen, für den Räumungsstreit erfüllt seien, habe das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren den diesbezüglichen Sachverhalt festzustellen und hierüber zu entscheiden. Im Hinblick darauf, daß die Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit der Änderung eines Kündigungsbegehrens in ein Räumungsbegehren uneinheitlich sei (dagegen MietSlg 33.587, 33.680; JBl 1956, 474; SZ 21/80; dafür EvBl 1947, 740) lägen die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1,§ 527 Abs 2 ZPO vor.
Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Sie vertritt die Ansicht, daß die Dringlichkeit des Kündigungsverfahrens eine Klageänderung ausschließe und daß mit einer solchen stets auch eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens verbunden sei. Das Rekursgericht hätte die erstgerichtliche rechtliche Beurteilung mangels Rechtsrüge auch gar nicht überprüfen dürfen und seine Ansicht, die Beklagte habe der Klageänderung zugestimmt, sei unrichtig, weil sie sich im gleichen Atemzug mit dem Bestreiten des geänderten Vorbringens auch schon gegen die Zulässigkeit der Klageänderung ausgesprochen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht gerechtfertigt.
Die Aufkündigung der kündigenden Partei war zunächst insoweit unvollständig, als sie wohl im Sinne der Vorschrift des § 562 Abs 1 ZPO den Zeitpunkt, in welchem das Bestandverhältnis enden sollte (), nicht jedoch im Sinne des § 560 Abs 1 Z 1 und Z 2 lit d ZPO angab, ob eine Kündigungsfrist vereinbart worden war oder verneinendenfalls, in welchen Abständen der Zins zu zahlen sei, so daß die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht überprüfbar war. Da hierin jedoch kein inhaltlicher Mangel - zu Form und Inhalt der gerichtlichen Aufkündigung siehe § 562 Abs 1 ZPO - der Aufkündigung lag, war aus diesem Grunde eine amtswegige Zurückweisung gemäß § 562 Abs 2 ZPO nicht vorzunehmen.
Nach fristgerechter Erhebung von Einwendungen durch die gekündigte Partei hat die klagende Partei ihr Kündigungsbegehren ausdrücklich in ein Räumungsbegehren abgeändert. Obschon in älteren Entscheidungen eine solche Klageänderung für unzulässig angesehen wurde, ist dem Rekursgericht in seiner auch auf Fasching gestützten gegenteiligen Ansicht aus folgenden Gründen im Ergebnis beizutreten:
Es ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, daß nach Erhebung von Einwendungen gegen die Aufkündigung die Zurücknahme dieser Aufkündigung zulässig ist (Fasching III Anm.2 zu § 237 und Handbuch Rz 1255 E; EvBl 1955/70 = MietSlg 4.114; SZ 22/37 ua). Ändert der Aufkündigende, der nach Erhebung der Einwendungen als Kläger im streitigen Verfahren gilt, sein Begehren im Sinne des § 235 ZPO, so bedeutet dies in Wahrheit, daß er seinen ursprünglichen Anspruch, nämlich den aus der Aufkündigung zurücknehmen und durch einen anderen ersetzen will. Sofern dadurch nicht die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes berührt wird, muß eine Klageänderung selbst dann für zulässig angesehen werden, wenn damit gleichzeitig auf eine andere Verfahrensart übergegangen wird. So ist etwa auch allgemein anerkannt, daß auch im Wechselmandatsverfahren eine Klageänderung im Wege der Ersetzung des Klagegrundes Wechselanspruch durch den des Grundgeschäftes zulässig ist (5 Ob 580/82 v.; SZ 23/247; SZ 43/173; 1 Ob 791/79 v.; Heil im Rechtslexikon, F IV; Fasching IV 614). Gleiches muß im Verfahren nach den §§ 561 ff ZPO gelten. Widerspricht der vormals Aufgekündigte und nunmehrige Beklagte dieser Klageänderung, so muß sie dennoch zugelassen werden, wenn daraus keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zu besorgen ist (§ 235 Abs 3 ZPO). Mit der Wirksamkeit der Klageänderung entfällt dann auch jene der ursprünglich ausgesprochenen Aufkündigung, denn diese gilt als zurückgenommen.
Entgegen der Behauptung der nunmehrigen Rekurswerberin durfte das Rekursgericht vorliegendenfalls auf die vom Erstgericht aus rechtlichen Gründen für entbehrlich gehaltene Behandlung des Vorbringens über die Klageänderung eingehen, weil die klagende Partei in ihrem gegen den erstgerichtlichen Beschluß gerichteten Rekurs ON 7 die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes inhaltlich angefochten, also auch Rechtsrüge erhoben hatte, so daß die rechtliche Beurteilung vom Rekursgericht zur Gänze zu überprüfen ist. Die bei dieser rechtlichen Beurteilung vom Gericht zweiter Instanz vertretene Ansicht der grundsätzlichen Zulässigkeit der vorliegenden Klageänderung ist im Sinne der obenstehenden Ausführungen zu billigen.
Es ist dem Rekursgericht aber auch darin zu folgen, daß der Widerspruch der Beklagten gegen die von der Klägerin vorgenommene Klageänderung verspätet war und daher nicht berücksichtigt werden kann.
Die Beklagte hat nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles ON 5 AS 16 das Kündigungsvorbringen bestritten, ihrerseits vorgetragen wie in ihren Einwendungen und die Zurückweisung der Aufkündigung beantragt. Sodann bestritt sie das geänderte Vorbringen der Klägerin betreffend das Räumungsbegehren und sprach sich gegen die Zulassung dieser Klageänderung aus.
Gemäß § 235 Abs 2 zweiter Halbsatz ZPO ist die Einwilligung zur Klageänderung anzunehmen, wenn der Gegner über die geänderte Klage verhandelt. Diese Bestimmung wird von der ständigen Rechtsprechung so ausgelegt, daß auch die bloße Bestreitung des Vorbringens der Gegenseite ein Tatsachenvorbringen und damit ein "Verhandeln" darstellt (SZ 49/25; IndS.1978 H 3/1108; Arb.10.214; 8 Ob 69, 70/86 ua). Somit ist im Sinne der vorgenannten Gesetzesbestimmung die Einwilligung der Beklagten zur gegenständlichen Klageänderung als vorhanden anzunehmen.
Die rekursgerichtliche Entscheidung erweist sich demgemäß insgesamt als frei von Rechtsirrtum, sodaß dem Rekurs der Beklagten ein Erfolg versagt bleiben muß.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.