OGH vom 27.09.2017, 9Ob30/17b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Prader, Ortner, Fuchs, Wenzel Rechtsanwälte GesbR in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Peter Berethalmy und Dr. Christiane Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung eines Übergabsauftrags (Streitwert RATG: 80.000 EUR; Streitwert GGG und JN jeweils 750 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 333/16y-11, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Voranzustellen ist, dass die Klägerin in ihrer Revision nicht in Zweifel zieht, dass die mit 5. Nachtrag zum Mietvertrag 1989 abgeschlossene Befristungsvereinbarung mit Endtermin nicht durchsetzbar war.
Verfahrensgegenständlich ist nur mehr die Zulässigkeit des in der Vereinbarung vom / enthaltenen Endtermins .
2. Die Bestimmungen des MRG zugunsten des Mieters sind wegen des vom Gesetzgeber als typisch erachteten und ohne Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalls ausnahmslos anzunehmenden ökonomischen und sozialen Drucks im Zweifel stets als zwingend anzusehen, auch wenn dies nur bei einzelnen Bestimmungen betont wird. Ein nachträglicher Verzicht des Mieters auf die Geltendmachung der ihm entgegen anderslautenden Vereinbarungen erwachsenen Rechte ist zwar zulässig, setzt aber voraus, dass der erwähnte ökonomische und soziale Druck weggefallen ist (RIS-Justiz RS0034015).
3. Im konkreten Fall sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Beklagte bei Abschluss der Befristungsvereinbarung in einer Drucksituation war. Entgegen der Revision wurde daher die Unwirksamkeit der Befristung nicht aus einer erfolgreichen Geltendmachung eines Irrtums nach § 871 ABGB abgeleitet. Auf die Voraussetzungen dafür sowie die Wahrung der Frist des § 1487 ABGB kommt es daher nicht an.
4. Die Beurteilung, ob ein Parteienvorbringen ausreichend bestimmt und schlüssig ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte (RIS-Justiz RS0116144 [T2, T 5]; RS0037780 ua), wovon im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist.
5. Novation ist die Umänderung des Schuldverhältnisses, die in der Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands einer Forderung besteht (RISJustiz RS0032502). Eine Änderung des Rechtsgrundes liegt vor, wenn der Entstehungsgrund des Anspruchs geändert wird (RIS-Justiz RS0032440). Hauptgegenstand ist der primäre Leistungsinhalt. Eine Änderung des Hauptgegenstands tritt ein, wenn ein wesentlich anderer an seine Stelle tritt. Es muss eine „artliche“ Verschiedenheit sein, eine bloß „maßliche“ genügt nicht. Eine bloße Vermehrung oder Verminderung ist nicht „Verwechslung“ iSd § 1376 ABGB (2 Ob 210/13s mwN).
Zur Novation gehört die Absicht der Parteien, durch die Konstituierung einer neuen Verbindlichkeit die alte zu tilgen (der animus novandi). Sonst bestehen beide Verträge nebeneinander. Diese Absicht muss zwar nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch aus den Umständen hervorleuchten. Doch wird sie im Zweifel nicht vermutet, sondern die alte Verbindlichkeit nicht für aufgelöst gehalten, solange sie mit der neuen noch wohl bestehen kann (RISJustiz RS0032303, RS0032417). Der Wille der Parteien muss erweislich dahin gehen, dass auf das alte Vertragsverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden soll (RIS-Justiz RS0032330).
Schuldänderung liegt hingegen vor, wenn die näheren Bestimmungen, wo, wann und wie eine schon vorhandene Verbindlichkeit erfüllt werden soll, und andere Nebenbestimmungen, wodurch mit Rücksicht auf den Hauptgegenstand oder den Rechtsgrund keine Umänderung geschieht, geändert werden (6 Ob 31/06m mwN; vgl auch RISJustiz RS0032332). Entscheidendes Abgrenzungs-kriterium ist, ob das ursprüngliche Rechtsverhältnis trotz der Änderungen noch als das alte angesehen werden kann.
6. Die von den Umständen des Einzelfalls abhängige (RIS-Justiz RS0032502 [T8]) Beurteilung des Berufungsgerichts, das ursprüngliche Mietverhältnis sei nicht durch einen neuen Mietvertrag ersetzt worden, entspricht dieser Judikatur. Die Ausstellung einer neuen Vertragsurkunde rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass das ursprüngliche Mietverhältnis nach der maßgeblichen Parteienabsicht durch ein neues ersetzt werden sollte. Die Änderung von einzelnen Nebenabreden, der Dauer des Mietverhältnisses und die offenbar den wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasste Erhöhung des Mietzinses nicht als Novation, sondern nur als nach der Parteienabsicht „Verlängerung“ des Mietvertrags anzusehen, ist jedenfalls vertretbar. Das von der Vermieterin eingeräumte Recht zur Errichtung eines Superädifikats ist eine Nebenabrede zum Mietvertrag (3 Ob 80/06w). Dass von den Mietern ein neues Superädifikat errichtet wird, bedeutet daher keine Änderung eines Hauptpunktes des Vertrags über die Vermietung der Fläche, auf der die Errichtung des Objekts erfolgen sollte. Dabei entspricht es der Rechtsprechung, dass die analoge Anwendbarkeit des MRG bzw zumindest der Kündigungsschutzbestimmungen bei Anmietung eines Grundstücks zwecks Errichtung eines Superädifikats durch den Mieter zu bejahen ist, wenn dessen tatsächliche Durchführung binnen angemessener Frist erfolgt. Auch für den Fall eines Abrisses samt Neuerrichtung binnen angemessener Frist kann nichts anderes gelten. Damit ist aber den Überlegungen in der Revision zur temporären Unanwendbarkeit des Kündigungsschutzes die Grundlage entzogen.
7. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00030.17B.0927.000 |
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