OGH vom 07.03.2006, 10ObS12/06x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Kargl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ernst-Paul J*****, Pensionist, *****vertreten durch Mag. Martin Machold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Kärntner Gebietskrankenkasse, 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8, vertreten durch Dr. Gerhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Kostenübernahme, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 65/05y-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 30 Cgs 55/05p-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revision des Klägers sind weitere Verfahrenskosten. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der am geborene Kläger leidet seit dem Jahr 1985 an Erektionsstörungen. Seit dem Jahr 1989 wendet er dagegen die SKAT-Therapie an, wobei er seit 1995 das Medikament „Caverject" verwendet. Aufgrund eines Prostatakarzinoms erfolgte im Jahr 2002 die radikale Prostatektomie. Im Anschluss daran wurde die erektile Dysfunktion weiterhin mit „Caverject" behandelt. Bis Ende des Jahres 2004 erstattete die beklagte Partei die Kosten für dieses Medikament. Mit dem Medikament „Caverject" wird eine chronische erektile Dysfunktion neurogener, vaskulärer, psychogener und kombinierter Ätiologie therapiert, d. h. wenn eine ungenügende Gliedsteife aufgrund einer Nerven- oder Gefäßerkrankung oder psychischen Erkrankung oder eine Kombination vorgenannter Ursachen vorliegt, vermag das Medikament nach Injektion in den Schwellkörper des Gliedes eine für den Geschlechtsverkehr ausreichende Gliedsteife zu erzeugen. Der Heilungserfolg der „Caverject"-Injektion ist das Auftreten einer für den Geschlechtsverkehr ausreichenden Erektion (= Gliedsteife) durch einige Stunden (1 bis 6) nach erfolgter Injektion in den Schwellkörper. Diese Therapie ermöglicht einem impotenten Mann das periodisch auftretende Bedürfnis der sexuellen Aktivität mit Vollzug des Geschlechtsverkehrs wahrzunehmen, was ihm sonst unmöglich wäre. Die Grunderkrankung des Klägers (bösartige Neubildung an der Prostata) wird mit dieser Therapie nicht behandelt, wohl aber eine direkte Folge der an ihm im Jahr 2002 durchgeführten operativen Therapie, nämlich der „radikalen retropubischen Prostatektomie". Diese Operation führt nämlich aufgrund der Durchtrennung des für die Erektion notwendigen „Gefäß-Nervenbündels", welches am seitlichen Rand der Prostata entlang zum Glied verläuft und im Sinne einer tumorchirurgisch adäquaten Radikalität geopfert werden muss, zur erektilen Dysfunktion, die dann mit Hilfe der „SKAT (= Schwellkörper-Selbst-Injektions-Therapie)" mit einer vasoaktiven Substanz, in obigem Sinne mit gutem Erfolg therapiert werden kann. Der Beginn der SKAT-Therapie wegen erektiler Dysfunktion erfolgte beim Kläger aus einer psychogenen Indikation (berufliche Überlastung und konsekutive depressive Verstimmung).
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Kärntner Gebietskrankenkasse den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten des Medikamentes „Caverject" ab.
Das Erstgericht wies das auf „Übernahme der Kosten des Medikamentes Caverject" gerichtete Klagebegehren ab. Es vertrat unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 10 ObS 227/03k, im Wesentlichen die Auffassung, es handle sich nach den herrschenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen in den Bereichen, in denen Bedürfnisse aus der höchstpersönlichen Lebenssphäre des einzelnen Versicherten prägend in den Vordergrund träten - hier bei der Erektionsfähigkeit des Mannes - nicht um „lebenswichtige persönliche Bedürfnisse", deren Ermöglichung § 133 Abs 2 ASVG für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Heilmittelgewährung voraussetze. Soweit ein Versicherter für sich persönlich mit diesen gesellschaftlichen Wertungen nicht konform gehe, müsse er eine Beseitigung oder Besserung des von ihm persönlich nicht tolerierten Zustandes auf seine eigenen Kosten veranlassen. Die Verabreichung des Medikamentes „Caverject" diene ausschließlich der Ermöglichung der Durchführung des Geschlechtsverkehrs durch den Kläger. Nach den in der Entscheidung 10 ObS 227/03k dargelegten Grundsätzen treffe die beklagte Partei für ein nur darauf abzielendes Medikament keine Verpflichtung zur Kostenübernahme.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und billigte die auf die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gestützte rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Soweit in der Berufung geltend gemacht werde, die Behandlung der erektilen Dysfunktion habe beim Kläger nicht nur organische (Zustand nach radikaler Prostatektomie) sondern auch psychische (depressive Verstimmung) Ursachen, sei darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof bereits im Zusammenhang mit Kosten für eine In-vitro-Fertilisation dargelegt habe, dass die Behandlung einer Depression bzw die Behandlung bei auftretender depressiver Reaktion Sache des Psychiaters und nicht des - hier Urologen - sei. Nur Ersterem sei daher - jedenfalls aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht - die Krankenbehandlung (§ 133 Abs 2 ASVG) zur Herstellung, Festigung oder Besserung der Gesundheit eines psychisch Erkrankten aus dem Versicherungsfall der Krankheit im Sinn des § 120 Abs 1 Z 1 ASVG übertragen und es könne daher auch nur für eine solche Behandlung ein Leistungsbegehren aus dem Titel der Krankenversicherung mit Erfolg erhoben werden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO im Hinblick auf die hier auch zu beurteilende Frage, ob die beim Kläger festgestellte depressive Verstimmung einen Kostenübernahmeanspruch allenfalls begründen könnte, zulässig sei. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteiles im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag an das Erstgericht gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung erkennbar, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, weil der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 10 ObS 227/03k die angesprochene Frage inhaltlich nicht behandeln musste. Sie ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt. Der Kläger macht in seinen Revisionsausführungen im Wesentlichen geltend, dass bei ihm zwingende therapeutische Gründe, nämlich sowohl psychische (depressive Verstimmung) als auch organische (Zustand nach radikaler Prostatektomie) Ursachen, für eine Behandlung mit dem Medikament „Caverject" vorlägen. Die Verabreichung des Medikamentes „Caverject" diene daher der Wiederherstellung, Festigung und Besserung seiner Gesundheit. Der gegenständliche Fall unterscheide sich von dem der Entscheidung 10 ObS 227/03k zugrunde liegenden Sachverhalt insofern, als in dem der zitierten Entscheidung zugrunde liegenden Fall keine derartigen therapeutischen Gründe für die Abreichung eines vergleichbaren Medikamentes gesprochen hätten. Diesen Ausführungen kommt im Sinne der beschlossenen Aufhebung Berechtigung zu.
Nach § 116 Abs 1 Z 2 ASVG trifft die gesetzliche Krankenversicherung unter anderem Vorsorge für den Versicherungsfall der Krankheit. Aus diesem Versicherungsfall nennt § 117 Z 2 ASVG als zu erbringende Leistung der Krankenversicherung unter anderem die Krankenbehandlung. Nach der Definition in § 120 Abs 1 Z 1 ASVG ist Krankheit ein „regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der der Krankenbehandlung bedarf". Ziel der Krankenbehandlung ist es, nach § 133 Abs 2 ASVG die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederherzustellen, zu festigen oder zu bessern. Die Krankenbehandlung soll ausreichend und zweckmäßig sein, darf aber das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Während in der Medizin die Krankheit als Störung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, somit als eine Abweichung von der Norm „Gesundheit" definiert wird, wird in der Krankenversicherung ein Leiden nur bei Behandlungsbedürftigkeit als Krankheit anerkannt (Binder in Tomandl, SV-System 17. ErgLfg 202 f mwN; SSV-NF 3/69 ua; RIS-Justiz RS0084692). Auf die Ursache der Krankheit kommt es nicht an (Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts5 Rz 161). Da das Gesetz weder die „Regelwidrigkeit" noch die „Behandlungsbedürftigkeit" näher definiert, wurden in der Lehre verschiedene Versuche unternommen, den Krankheitsbegriff zu definieren. Nach Schrammel, Veränderung des Krankenbehandlungsanspruches durch Vertragspartnerrecht, ZAS 1986, 145 ff [149] ist ein Zustand regelwidrig, wenn aus der Sicht des Versicherten aufgrund störender Symptome das Bedürfnis nach ärztlicher Behandlung besteht, aus der Sicht des Arztes ärztliches Tätigwerden in Form von Diagnose und Therapie erforderlich ist und er nach allgemeiner Auffassung auf Kosten der Versichertengemeinschaft behandelt werden soll. Auch nach Mazal, Krankheitsbegriff und Risikoabgrenzung [1992], 64, 122 ff und 213 ff liegt eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vor, wenn das Krankenversicherungsrecht eine entsprechende Leistung zur Behebung dieses Zustandes vorsieht und der Zustand unter Bedachtnahme auf die Ziele der Krankenbehandlung und im Hinblick auf ihre Notwendigkeit nach einem sozialen Konsens auch behandelt werden soll. Nach diesen in der Lehre herausgearbeiteten Kriterien, auf die sich auch die Rechtsprechung - zum Teil mit unterschiedlicher Gewichtung - immer wieder berufen hat (vgl ZAS 1994/18, 203 [Tomandl]; ZAS 2002/10, 84 [K. Posch]), beeinflusst daher auch das gesellschaftliche Grundverständnis das krankenversicherungsrechtliche Leistungsrecht. Unter Berücksichtigung dieses Kriteriums gelangte der erkennende Senat in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung 10 ObS 227/03k vom (= JBl 2005, 527) zu dem Ergebnis, dass die gesetzliche Krankenversicherung dem damaligen Kläger bei wertender Betrachtung des Begriffs der „Krankheit" keine Erstattung der Kosten für Medikamente zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion, die die Folge einer behandlungsbedürftigen Grunderkrankung (Diabetes) war, schulde. Der Oberste Gerichtshof begründete diese Auffassung im Wesentlichen damit, dass es sich nach den herrschenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen in den Bereichen, in denen Bedürfnisse aus der höchstpersönlichen Lebenssphäre des einzelnen Versicherten prägend in den Vordergrund treten - so wie bei den aus diesem Bereich stammenden Funktionsstörungen (hier: Erektionsfähigkeit des Mannes) - nicht um „lebenswichtige persönliche Bedürfnisse", deren Ermöglichung § 133 Abs 2 ASVG für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Heilmittelgewährung voraussetze, handle. Es wurde daher in dem damals zu beurteilenden Fall eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung schon deshalb verneint, weil nach dem gesellschaftlichen Grundverständnis, welches auch im Gesetz seinen Niederschlag gefunden habe, eine erektile Dysfunktion nicht auf Kosten der Sozialversicherung beseitigt bzw vorübergehend behoben werden solle.
Zutreffend macht der Kläger in seiner Revision nunmehr geltend, der vorliegende Fall unterscheide sich von dem der Entscheidung 10 ObS 227/03k zugrunde liegenden Sachverhalt jedenfalls insofern, als er nach seinem erkennbaren Vorbringen als Folge der erektilen Dysfunktion auch an psychischen Problemen mit Krankheitswert leide. Im Sinne der bereits erwähnten Definition von Krankheit im § 120 Abs 1 Z 1 ASVG handelt es sich bei seelischen Leiden zweifellos um einen regelwidrigen Geisteszustand und damit um eine psychische Krankheit (Erkrankung), gleichgültig, welche Ursache sie im konkreten Fall haben mögen (vgl SSV-NF 12/82 = DRdA 1999/27, 222 [Enzlberger]). Liegt also eine psychische Störung „mit Krankheitswert" vor, besteht für den Versicherten ein Rechtsanspruch auf Krankenbehandlung (vgl auch § 135 Abs 1 Z 3 ASVG). Vom Versicherungsfall der Krankheit werden aber nicht nur rein seelische Leidenszustände erfasst, sondern auch aus körperlichen und seelischen Komponenten zusammengesetzte Krankheitsbilder, wenn beispielsweise der Ausfall wichtiger körperlicher Funktionen zu einer seelischen Beeinträchtigung führt (vgl Binder, Psychotherapie und sozialversicherungsrechtlicher Krankheitsbegriff, SozSi 1999, 1173 ff [1186]). Löst somit die erektile Dysfunktion, wie dies vom Kläger erkennbar für sich behauptet wird, psychische Probleme mit Krankheitswert aus und kann davon ausgegangen werden, dass mit erfolgreicher Behandlung der erektilen Dysfunktion auch die psychischen Probleme des Versicherten behoben oder verbessert werden können, kann die Verabreichung von Potenzmitteln auch als notwendige Krankenbehandlung der psychischen Probleme gesehen werden. Eine Kostenübernahme für Potenzmittel durch die gesetzliche Krankenversicherung kommt daher nach Auffassung des erkennenden Senates grundsätzlich dann in Betracht, wenn die mangelnde Erektionsfähigkeit des Mannes zu einem psychischen Leiden führt, das seinerseits die Krankenbehandlung erforderlich macht. Soweit die beklagte Partei in diesem Zusammenhang in ihrer Revisionsbeantwortung geltend macht, es sei auch bereits in dem vom Obersten Gerichtshof zu 10 ObS 227/03k entschiedenen Fall vom damaligen Kläger in der Revision geltend gemacht worden, eine erektile Dysfunktion entfalte negative Auswirkungen auf die Psyche des Betroffenen und Krankheiten der menschlichen Psyche seien als behandlungsbedürftige Krankheiten im sozialversicherungsrechtlichen Sinn anzusehen, ist dem entgegenzuhalten, dass damals keine psychischen Beeinträchtigungen des Versicherten aufgrund der erektilen Dysfunktion festgestellt worden waren und die vom damaligen Kläger in der Revision außerhalb des festgestellten Sachverhaltes geltend gemachte bloße Möglichkeit des Umschlagens einer psychischen Belastung in eine psychische Störung mit Krankheitswert nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch keine Krankheit und damit auch noch keinen Versicherungsfall im Sinn des § 120 Abs 1 Z 1 ASVG darstellt, weil ein regelwidriger Geisteszustand noch nicht eingetreten ist und ein Leistungsanspruch für Krankheitsverhütung nur für die in § 156 ASVG aufgezählten Maßnahmen vorgesehen ist, worunter dieser Fall jedoch nicht zu subsumieren ist (SSV-NF 12/82 = DRdA 1999/27, 222 [Enzlberger]; SSV-NF 16/76). Aus diesem Grund hatte sich der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 10 ObS 227/03k mit dieser Frage nicht näher zu befassen.
Da der Kläger im vorliegenden Fall seinen Anspruch jedoch erkennbar auch darauf gestützt hat, dass die erektile Dysfunktion bei ihm bereits zu psychischen Leidenszuständen mit Krankheitswert geführt habe, welche mit dem von ihm begehrten Medikament erfolgreich behandelt werden könnten, erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig, weil die Richtigkeit dieser Behauptung des Klägers von den Tatsacheninstanzen bisher nicht überprüft wurde (vgl SSV-NF 1/9 zur Frage der Beweislast).
Zur Behandlung des Versicherungsfalles der Krankheit (und damit auch zur Beseitigung bzw Linderung von psychischen Leidenszuständen mit Krankheitswert) sieht § 133 Abs 1 ASVG ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe vor, wobei die Krankenbehandlung nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle ausreichend und zweckmäßig sein muss, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf, und die aufgezählten Leistungen der Krankenbehandlung entweder als Sachleistung oder in Form der Kostenerstattung zur Verfügung gestellt werden. Nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften hat ein Versicherter hiebei (nur) Anspruch auf eine seinem Leidenszustand adäquate (ausreichende und zweckmäßige) Behandlung, wobei grundsätzlich alle medizinisch gebotenen Behandlungsmethoden zum Leistungskatalog gehören (SSV-NF 12/82 = DRdA 1999/27, 222 [Enzlberger] mwN).
Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Frage, ob die Verabreichung von Potenzmitteln auch als notwendige Krankenbehandlung psychischer Probleme mit Krankheitswert, die Folge einer erektilen Dysfunktion sind, gesehen werden könne, auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur In-vitro-Fertilisation verwiesen, wonach eine künstliche Insemination keine von der Krankenversicherung zur Behandlung von Depressionen zur Verfügung gestellte Krankenbehandlung darstelle, weil es sich hiebei nicht um eine unmittelbare Behandlung der psychischen Störung, sondern vielmehr um eine Maßnahme handle, bei der ein ganz anderer Erfolg, nämlich die Erfüllung eines bisher versagten Kinderwunsches, im Vordergrund stehe (SSV-NF 12/82 = DRdA 1999/27, 222 [Enzlberger]; 10 ObS 247/98s). Dieser Auffassung lag zugrunde, dass es nach dem in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zitierten Schrifttum keine psychische Indikation (wohl aber Gegenindikationen) für eine extracorporale Befruchtung gibt und aus medizinischer Sicht Schwangerschaft und Geburt, aber eben nicht Depressionsbehandlung die anzustrebenden Erfolgskriterien jeglicher Sterilitätsbehandlung sind. Davon unterscheidet sich aber der vorliegende Fall schon dadurch, dass nach den bisher vorliegenden Verfahrensergebnissen (vgl dazu die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen in seinem Gutachten) eine erektile Dysfunktion zweifellos auch zu Depressionen oder zu anderen psychischen Beschwerden führen kann und mit einer erfolgreichen Behandlung der erektilen Dysfunktion auch die psychischen Probleme des Klägers behoben bzw verbessert werden können. Da die erektile Dysfunktion im gegenständlichen Fall somit auch als Auslöser einer gesellschaftlich anerkannten psychischen Krankheit in Frage kommt, kann im Sinne der dargelegten Ausführungen die Verabreichung von Potenzmitteln auch als notwendige Krankenbehandlung der psychischen Probleme gesehen werden. Die Leistungsberechtigten besitzen im Rahmen der für die Krankenbehandlung allgemein geltenden Grundsätze Anspruch auf Beistellung der ärztlich verordneten notwendigen Arzneien und der sonstigen Heilmittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen (§ 136 Abs 1 ASVG). Der Versicherte hat keinen Anspruch auf Beistellung eines jeden (von ihm gewünschten oder ihm vom Arzt verschriebenen) Heilmittels, es steht ihm nur das im konkreten Fall notwendige und wirtschaftlichste Heilmittel zu. Es soll mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand ein möglichst großer Heilerfolg erzielt werden. In erster Linie sollen die Wirksamkeit des Mittels und das Wohl des Kranken ausschlaggebend sein; stehen jedoch mehrere gleich wirksame Heilmittel zur Verfügung, soll das ökonomisch günstigste verschrieben werden. Die Verordnung der Heilmittel erfolgt durch den Arzt auf der Grundlage des vom Hauptverband herausgegebenen Erstattungskodex (früher: Heilmittelverzeichnis). Darin finden sich jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten, die nach den in- und ausländischen Erfahrungen und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten annehmen lassen (§ 31 Abs 3 Z 12 ASVG; Binder in Tomandl, SV-System 17. ErgLfg 233 f). Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (SSV-NF 3/68 = ZAS 1990/22, 170 [Mazal]; SSV-NF 10/30; DRdA 1997/50, 472 [Binder] ua), schränkt das vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger herausgegebene Heilmittelverzeichnis (nunmehr: Erstattungskodex) das Recht des Versicherten auf die für eine ausreichende und zweckmäßige Krankenbehandlung notwendigen Heilmittel nicht ein (vgl auch Tomandl aaO Grundriss5 Rz 162; Thaler/Plank, Heilmittel und Komplementärmedizin in der Krankenversicherung [2005], 45 und 80). Auch Rebhahn, Die Bereitstellung von Arzneimitteln in Grillberger/Mosler [Hrsg], Europäisches Wirtschaftsrecht und soziale Krankenversicherung [2003] 209 ff [223 ff] verweist darauf, dass jeder Leistungsberechtigte bei Krankheit einen gesetzlichen Leistungsanspruch auf eine ausreichende, zweckmäßige und das Maß des Notwendigen nicht überschreitende Krankenbehandlung hat (§ 133 Abs 2 ASVG), was auch für Heilmittel und damit für Arzneimittel gilt. Die Konkretisierung des Gesetzes erfolgt im Streitfall durch die Gerichte, weil der gesetzliche Leistungsanspruch nach dem Gesetz letztlich nur im Einzelfall und nicht durch abstrakte Regelungen wie das Heilmittelverzeichnis abschließend bestimmt werden darf. Die soziale Krankenversicherung hat demnach keine eigenständige Befugnis, den Leistungsumfang (hier: bei den Arzneimitteln) endgültig festzulegen.
Da somit, wie bereits oben dargelegt, die bisherigen Verfahrensergebnisse zu einer abschließenden Beurteilung noch nicht ausreichen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine ergänzende Verhandlung und neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Rechtsmittelkosten des Klägers gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Die Entscheidung, dass die beklagte Partei die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen hat, beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 ASGG, weil sich kein Hinweis darauf ergeben hat, dass der Kläger der beklagten Partei die Kosten der Revisionsbeantwortung durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung verursacht hätte (§ 77 Abs 3 ASGG).