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OGH vom 30.04.1991, 10ObS118/91

OGH vom 30.04.1991, 10ObS118/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Oezelt (Arbeitgeber) und Leo Samwald (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Edith S*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Karl Zerner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ANGESTELLTEN, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Höhe der Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Rs 246/90-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 23 Cgs 514/90-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 1.811,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 301,92 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am geborene Klägerin besuchte in Österreich bis die Schule und emigrierte in der Folge nach Palästina (Israel). Am stellte sie in Israel den Antrag auf Alterspension. In Österreich stellte sie einen solchen (formlosen) Antrag erst am . Sie hat in Israel in der Zeit vom bis , vom bis und vom bis insgesamt 267 Versicherungsmonate erworben. Die Zeit vom bis wurde auf Grund des § 502 Abs. 6 iVm Abs. 1 ASVG und die Zeit vom bis auf Grund des § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG in der Pensionsversicherung der Angestellten beitragsfrei begünstigt angerechnet. Insgesamt liegen 516 Versicherungsmonate vor, davon 249 Monate nach dem ASVG.

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom wurde der Klägerin ab die Alterspension in Höhe von S 4.606,20, ab S 4.712,10 und ab S 4.811,10 gewährt. Der Pensionsbeginn wurde ausdrücklich auf Art. VI Abs. 15 der 44. ASVG-Novelle gestützt. Der Leistungsberechnung wurde eine Bemessungsgrundlage gemäß § 238 ASVG in Höhe von S 11.303,-- zugrunde gelegt, der Steigerungsbetrag wurde für insgesamt 516 erworbene Versicherungsmonate angenommen. Die so errechnete fiktive Vollpension von S 8.646,80 wurde unter Bedachtnahme auf den zwischenstaatlichen Kürzungsfaktor von 48 % und auf Grund der Pensionsanpassung in der oben genannten Höhe festgesetzt. Mit einem weiteren Bescheid der beklagten Partei vom wurde einem "Antrag vom auf freiwillige Weiterversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten" gemäß § 17 ASVG für den Monat Jänner 1986 stattgegeben. Als Beitragsgrundlage wurde S 30.100,-- angenommen und gemäß § 77 Abs. 2 iVm § 76 a ASVG ein Beitrag von S 6.020,-- festgesetzt; die Klägerin zahlte diesen Betrag am ein.

Mit ihrer am fristgerecht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Zahlung einer österreichischen Teilpension von S 9.473,80 ab und in den Folgejahren in entsprechend aufgerechnetem Ausmaß. Gemäß § 238 Abs. 3 ASVG umfasse die Bemessungszeit die nach Abs. 2 in Betracht kommenden Beitragsmonate und Ersatzmonate nach § 229 ASVG. Da die Klägerin in den letzten 120 Versicherungsmonaten einen Beitragsmonat in der freiwilligen Weiterversicherung (Jänner 1986), im übrigen aber ausschließlich Ersatzzeiten gemäß § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG erworben habe, umfasse die Bemessungszeit ausschließlich den Beitragsmonat der freiwilligen Weiterversicherung (Jänner 1986) mit einer Beitragsgrundlage von S 30.100,--. Davon ausgehend betrage die fiktive Vollpension der Klägerin 76,5 % hievon oder S 19.337,--, nach Kürzung um den Anteil der ausländischen Versicherungszeiten S 9.473,80.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie vertrat die Auffassung, der Pensionsanspruch sei zum Stichtag zu prüfen. Der Beitragsmonat Jänner 1986 könne selbst dann keinen Einfluß auf die gegenständliche Pensionsberechnung nehmen, wenn man - ausgehend von der Antragstellung - einen Stichtag annehme.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin die Alterspension ab in der dem angefochtenen Bescheid entsprechenden Höhe zu gewähren, und wies das Mehrbegehren ab. Es legte zunächst mit eingehender Begründung dar, daß als Stichtag der anzusehen sei. Der Monat Jänner 1986, für den erst 1990 die freiwillige Weiterversicherung auf Grund eines Antrages im Jahr 1989 gewährt worden sei, könne nicht berücksichtigt werden, da nach § 230 Abs. 1 ASVG Beiträge, die nach dem Stichtag geleistet wurden, für die Leistung aus dem eingetretenen Versicherungsfall unwirksam seien. Die Ausnahmebestimmung des § 230 Abs. 2 ASVG könne deshalb nicht angewendet werden, da das Verfahren eben erst durch einen im Jahr 1989 gestellten Antrag eingeleitet worden sei.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge. Das Erstgericht habe die Rechtsfrage zutreffend gelöst. Die Klägerin lasse außer acht, daß die Zahlung des Beitrages für die freiwillige Weiterversicherung erst im Feber 1990 und somit jedenfalls nach dem Stichtag erfolgt sei, weshalb sich diese Zahlung gemäß § 230 ASVG nicht mehr auf die Leistungshöhe auswirken könne.

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin führt aus, daß der Monat Jänner 1986 der einzige im Bemessungszeitraum liegende Beitragsmonat wäre, würde man den Beitrag in der freiwilligen Weiterversicherung als zum Stichtag wirksam entrichtet ansehen. Der Betrag von S 30.100,-- gekürzt um 1/7 wäre dann die Bemessungsgrundlage für die gegenständliche Pension. Das Berufungsgericht habe übersehen, daß der freiwillige Beitrag für den Jänner 1986 mit Bescheid der beklagten Partei vom auf Grund des Antrages der Klägerin vom bewilligt worden sei. Das Verfahren auf freiwillige Weiterversicherung sei daher mehr als ein Jahr vor dem Stichtag eingeleitet, jedoch erst mit einem nach dem Stichtag ergangenen Bescheid abgeschlossen worden. Der freiwillige Beitrag sei fristgerecht eingezahlt worden und daher gemäß § 230 Abs. 2 lit. a ASVG wirksam.

Die beklagte Partei hält dem in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen, daß nach den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen der Antrag auf freiwillige Weiterversicherung erst am gestellt worden und am (richtig offenbar: am ) bei der beklagten Partei eingelangt sei. Die Pensionsbemessung zum Stichtag sei daher gemäß § 241 ASVG unter Berücksichtigung eines Vierzehntels der in der Unfallversicherung geltenden Bemessungsgrundlage in der Höhe des angefochtenen Bescheides zutreffend erfolgt.

Beide Teile gehen nunmehr übereinstimmend von einem Stichtag zum aus. Diese Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung des erkennenden Senates (10 Ob S 55/90 = SSV-NF 4/129 - in Druck). Entstand ein Leistungsanspruch auf Grund Art. VI Abs. 15 der 44. ASVG-Novelle erst ab , so ist dann, wenn die Voraussetzungen des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle zutreffen, die Erfüllung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach dem Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles zu prüfen. Die Leistungshöhe bestimmt sich jedoch auch in diesem Fall nach dem durch den Leistungsantrag bzw. bei Antragstellung vor dem durch das Inkrafttreten der 44. ASVG-Novelle während des anhängigen Verfahrens neu ausgelösten Stichtag.

Weiters gehen die Streitteile übereinstimmend davon aus, daß der Monat Jänner 1986, der von der beklagten Partei als Beitragszeit der freiwilligen Weiterversicherung anerkannt wurde, auf die Bemessungsgrundlage von entscheidendem Einfluß ist. Streitig ist lediglich, ob dieser Beitragsmonat im Hinblick auf den Stichtag mit Rücksicht darauf, daß die Klägerin den formellen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung erstmals am (Blatt 64 des Anstaltsaktes) und wiederholt am (Blatt 70 des Anstaltsaktes) stellte, iS des § 230 ASVG wirksam werden konnte. Nach § 230 Abs. 1 ASVG sind nämlich Beiträge, die nach dem Stichtag für einen anderen Beitragszeitraum als den letzten dem Stichtag zeitlich unmittelbar vorangehenden entrichtet werden, für die Leistung aus dem eingetretenen Versicherungsfall unwirksam. Gemäß § 230 Abs. 2 lit. a ASVG ist allerdings Abs. 1 nicht anzuwenden auf Beiträge für Zeiträume, für welche die Versicherungspflicht oder die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung erst nach dem Stichtag in einem schon vorher eingeleiteten Verfahren festgestellt wurde. In den Gesetzesmaterialien wird diese Ausnahme damit begründet, daß in solchen Fällen eine spekulative einseitige Verschiebung der Versicherungslast wohl nicht vorliegen könne (EB zur Stammfassung des ASVG 599 BlgNR 7. GP 74).

Die Klägerin hat in einem nach Erstattung der Berufung eingebrachten Schriftsatz (ON 13) darauf hingewiesen, daß es im Hinblick auf § 225 Abs. 1 Z 3 lit. b ASVG ausgeschlossen sei, auf Grund eines Antrages vom (gemeint offenbar: vom , bei der beklagten Partei eingelangt am , Blatt 70 des Anstaltsaktes) einen freiwilligen Beitrag für Jänner 1986 vorzuschreiben. Nach dieser Gesetzesstelle sind als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem unter anderem Zeiten einer sonstigen freiwilligen Versicherung anzusehen, wenn die Beiträge innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, wirksam entrichtet worden sind. Die beklagte Partei ist diesem Problem dadurch entgangen, daß sie den Antrag der Klägerin vom auf Gewährung der Alterspension auch als Antrag auf freiwillige Weiterversicherung ansah (so der Wortlaut des Bescheides vom und der Dienstzettel vom 28.11./, Blatt 94 des Anstaltsaktes). Eine Bindung der Gerichte an das im Bescheid vom angegebene offenbar unrichtige Antragsdatum ("") besteht schon deshalb nicht, weil die Feststellung dieses Antragsdatums nicht Gegenstand einer bescheidmäßigen Absprache zu sein hatte: diese war vielmehr auf die Bewilligung der freiwilligen Weiterversicherung gemäß § 17 ASVG für den Zeitraum 1. bis , auf die Feststellung der Beitragsgrundlage und des zu leistenden Beitrages beschränkt.

Für das Vorliegen der Ausnahme nach § 230 Abs. 2 lit. a ASVG ist aber nur entscheidend, ob die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung in einem schon vor dem Stichtag eingeleiteten Verfahren festgestellt wurde. Unter diesem "Verfahren" kann nach Wortlaut und Regelungszweck der Norm nur das - zu den Verwaltungssachen im Sinn des § 355 ASVG gehörende - Verfahren auf Feststellung der Versicherungsberechtigung verstanden werden, nicht aber das davon unabhängige - zu den Leistungssachen im Sinn des § 354 ASVG zählende - Verfahren auf Gewährung der Alterspension. Nach den mit dem Inhalt der Anstaltsakten im Einklang befindlichen und unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes hat die Klägerin wohl am die Alterspension beantragt, das Recht auf freiwillige Weiterversicherung jedoch frühestens im Jahr 1989 erstmals geltend gemacht: entsprechende Anträge auf Weiterversicherung sind bei der beklagten Partei am (Blatt 64 des Anstaltsaktes) und am (Blatt 70 des Anstaltsaktes) eingelangt. Wie schon das Erstgericht zutreffend darlegte, wurde das Verfahren zur Berechtigung der Weiterversicherung erst nach dem Stichtag (und zwar nach jedem möglichen hier in Betracht kommenden Stichtag) eingeleitet, sodaß die Beitragszahlung für Jänner 1986 für die hier zu beurteilende Pensionshöhe nicht wirksam werden konnte.

Abschließend sei darauf verwiesen, daß die Klägerin - entgegen den Ausführungen ihres Rechtsvertreters in seinem an die beklagte Partei gerichteten Schreiben vom (Blatt 70 des Anstaltsaktes) - auch am keinen (wirksamen) Antrag auf freiwillige Weiterversicherung gestellt hat. In dem am im Nachhang vorgelegten (bei der beklagten Partei am eingelangten) Formular betreffend den "Antrag auf Alterspension" findet sich zwar im Vordruck folgender Satz:

"Weiterversicherung in der Pensionsversicherung:

Für den Fall, daß die Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen notwendig sein sollte, so gilt dieser Pensionsantrag auch als Antrag auf Weiterversicherung. Gegebenenfalls ergeht an Sie eine gesonderte Verständigung" (Blatt 18 des Anstaltsaktes).

Schon nach dem klaren Wortlaut handelt es sich hier um einen nur für den Fall der Notwendigkeit einer Weiterversicherung zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Alterspension, also bedingt gestellten (Eventual-) Antrag. Im Fall der Klägerin trat die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Alterspension durch eine Änderung der Rechtslage zum ein, nicht aber durch die Erbringung freiwilliger Beitragszahlungen.

Dies zeigt sich ja schon darin, daß der Bescheid über die Bewilligung der Weiterversicherung erst nach dem Pensionsbescheid erlassen wurde.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 ASGG abhing, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin die Hälfte der Kosten ihres Vertreters für die Erhebung der Revision zuzusprechen (SSV-NF 1/66, 2/29, 4/19, 4/84 ua).