OGH vom 29.06.1989, 8Ob553/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold A***, Gastwirt, Deinhardsteingasse 17/1/6, 1160 Wien, vertreten durch Dr. Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Ingrid T***, Hausfrau, Schlehengasse 5-7, 3400 Klosterneuburg und
2.) Martina S***, Krankenschwesterschülerin, Montleartstraße 37, 1160 Wien, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,000.000,-- sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 11 R 227/88-32, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 10 Cg 230/86-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind schuldig, dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar die Erstbeklagte S 5.133,65 (einschließlich S 855,61 Umsatzsteuer) und die Zweitbeklagte von S 15.400,93 (einschließlich S 2.566,82 Umsatzsteuer).
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte von der Erstbeklagten die Zahlung von S 250.000,-- sA und von der Zweitbeklagten eine solche von S 750.000,-- sA. Er brachte vor, daß er am Helmut S*** ein Darlehen von S 1,000.000,-- zugezählt habe. Es sei vereinbart worden, daß dieses Darlehen spätestens bis zur Rückzahlung fällig sei, wobei eine Verzinsung von 12 % vereinbart wurde. Nach dem am erfolgten Tod des Schuldners habe er diese Forderung am im Verlassenschaftsverfahren 3 A 516/78 des Bezirksgerichtes Hernals angemeldet. Seine Forderung sei unbestritten geblieben und dem errichteten Inventar zugrundegelegt worden. Der Nachlaß des Schuldners sei auf Grund des Gesetzes und der zum Nachlaß abgegebenen bedingten Erbserklärung der Erstbeklagten zu einem Viertel und der Zweitbeklagten zu drei Viertel rechtskräftig eingeanwortet worden. Der Reinnachlaß habe S 1,336.238,63 betragen. Die Beklagten hafteten für die Schuld des Erblassers zu einem Viertel bzw. zu drei Viertel. Der Nachlaß reiche zur Befriedigung aus. Ergänzend brachte der Kläger vor, daß er sein Begehren hilfsweise auch auf einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage infolge Auflösung der Gesellschaft durch den Tod des Helmut S*** sowie auf das Rückzahlungsversprechen durch Unterfertigung des Wechsels stütze.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und bestritten die Hingabe eines Darlehens. Wenn der Kläger dem Verstorbenen tatsächlich S 1,000.000,-- zugezählt haben sollte, wäre dies eine Vermögenseinlage des Klägers als stiller Gesellschafter des Helmut S*** gewesen. Das Eventualbegehren auf Rückzahlung einer Einlage stelle eine unzulässige Klageänderung dar. Eine solche Forderung wäre auch noch nicht fällig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Hauptsache statt und wies nur ein 4 % übersteigendes Zinsenbegehren ab. Es traf - zusammgengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:
Im Verlauf des Jahres 1977 beschloß Helmut S***, von der F*** OHG ein Lokal am Tiefen Graben 22 zu erwerben und unter der Bezeichnung Golden Years Club zu einem Animierbetrieb mit Separees umzugestalten. Zum Erwerb des Lokales borgte sich S*** vom Kläger S 1,000.000,-- aus, die ihm dieser am übergab, worauf S*** zur Besicherung einen Wechsel über S 1,000.000,-- akzeptierte und dem Kläger übergab. Für die Zurverfügungstellung dieses Betrages sollte der Kläger nach der mündlichen Vereinbarung mit S 50 % des Gewinnes des Golden Years Club erhalten. Tatsächlich bekam er jedoch nichts. In der Folge stellte sich heraus, daß der Umbau des Golden Years Club wesentlich mehr kostete als von S*** veranschlagt worden war, so daß S*** vom Kläger S 300.000,-- nachforderte. Der Kläger war dazu nicht in der Lage, worauf S*** mit ihm vereinbarte, daß der Kläger am Geschäft nicht beteiligt sei, sondern S 1,000.000,-- in einem Jahr zu 10 % verzinst zurückerhalten sollte, falls nicht eine Verlängerung oder andere Vereinbarung getroffen wurde. Am verstarb Helmut S***. Die Verlassenschaft wurde seiner Witwe, der Erstbeklagten, sowie seiner Tochter, der Zweitbeklagten, zu einem Viertel bzw. drei Viertel auf Grund bedingter Erbserklärungen eingeantwortet. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die ursprüngliche Vereinbarung von den Vertragspartnern einvernehmlich abgeändert und ein eindeutiger Rückzahlungstermin sowie eine neue Zinsenregelung vereinbart wurde. Da eine Rückzahlung des Darlehens nicht erfolgte und auch eine andere Vereinbarung nicht getroffen wurde, seien die Beklagten zu einem Viertel bzw. drei Viertel zur Rückzahlung verpflichtet, zumal die klägerische Forderung in dem Nachlaß Deckung finde.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es unterließ einen Ausspruch nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (hinsichtlich der Erstbeklagten), weil die Ansprüche gegen die Beklagten gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN zusammenzurechnen seien. Das Gericht zweiter Instanz hielt der Verfahrensrüge der Beklagten entgegen, daß der Kläger bereits in der Klage seinen Anspruch darauf gestützt hatte, S*** ein Darlehen von S 1,000.000,-- gegeben zu haben, das bis spätestens zur Rückzahlung fällig gewesen sei. Die oben dargestellten Feststellungen des Erstgerichtes hielten sich daher durchaus im Rahmen des klägerischen Vorbringens, weshalb kein Verstoß gegen § 405 ZPO vorliege. Im übrigen könne die rechtliche Qualifikation der ursprünglich zwischen den Vertragspartnern getroffenen Vereinbarung ungeprüft bleiben, weil diese durch ihre zuletzt getroffene Vereinbarung aufgehoben und durch eine nunmehr eindeutige Darlehensvereinbarung ersetzt wurde. Die Parteien hätten damit einen Neuerungsvertrag im Sinn der §§ 1376 f ABGB geschlossen. Da es bis zum Tode Helmut S*** zu keiner weiteren Vereinbarung mehr kam, sei das Darlehen zur Rückzahlung fällig.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit die Beklagten angebliche Verfahrensverstöße erster Instanz behaupten, ist ihnen entgegenzuhalten, daß das Gericht
2. Instanz die diesbezüglich bereits im Berufungsverfahren erhobene Rüge verwarf, so daß die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO gestützte Verfahrensrüge erfolglos bleiben muß (§ 510 Abs 3 ZPO).
In der Rechtsrüge vertreten die Beklagten den Standpunkt, daß es die Vorinstanzen zu Unrecht unterlassen hätten, die Rechtsnatur der "ersten" Vereinbarung klarzustellen. Dies sei aber notwendig, weil die Beendigung des ursprünglichen Gesellschaftsverhältnisses eine Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern zur Folge gehabt hätte und nur ein allfälliges Auseinandersetzungsguthaben als Darlehenssumme der Novation unterzogen werden konnte.
Dazu war zu erwägen:
Geld borgen, heißt ein Darlehen geben. Die für das Darlehen begriffsnotwendige Zurückzahlungsverpflichtung ist dem Begriff "Borgen" immanent. Der Darlehensvertrag gehört zu den entgeltlichen Rechtsgeschäften; die Gegenleistung des Darlehensnehmers sind die Zinsen (Koziol-Welser, Grundriß I8 95), denn sie sind die Vergütung für die Zurverfügungstellung von Geld auf Zeit. Als Gegenleistung kann aber auch die Beteiligung am Gewinn (sogen. partiarisches Darlehen; vgl. Straube in Straube, HGB Rz 31 zu § 335 Art 7 Nr 22) des mit dem Darlehen finanzierten Geschäftes des Darlehensnehmers vereinbart werden; wurden dabei keine besonderen Mitwirkungsrechte des Darlehensgebers vereinbart, wie sie für das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses nach der Art einer stillen Gesellschaft charakteristisch sind, dann ist ein Gesellschaftsverhältnis auszuschließen und Darlehen mit Gewinnbeteiligung anzunehmen (vgl. EvBl 1956/3; 1960/117; HS 3085). Hier hat der Kläger Geld geborgt und mit dem Darlehensnehmer vereinbart, daß er "für die Zurverfügungstellung dieses Betrages" 50 % des Gewinns des Golden Years Club erhalten soll. Später wurde diese, die Vergütung für die Darlehenszuzählung betreffende Vereinbarung derart abgeändert, daß der Darlehensgeber anstatt der Beteiligung "am Geschäft", nämlich am Geschäftsgewinn, 10 % Zinsen bekommen sollte; falls nicht eine Verlängerung oder andere Vereinbarung getroffen werde, mußte das Darlehenskapital von S 1,000.000,-- innerhalb eines Jahres zurückgezahlt werden. Die Parteien des ursprünglichen partiarischen Darlehensvertrages haben demnach die Gewinnbeteiligung des Darlehensgebers im Novationswege (§ 1376 ABGB) in eine Zinsenvereinbarung umgewandelt und eine Fälligkeitsabrede für die Zurückzahlung des Darlehens getroffen. Demgemäß ist auch das Klagebegehren berechtigt, die Revision der Beklagten gegen die im Ergebnis richtigen Entscheidungen der Vorinstanzen jedoch nicht gerechtfertigt.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.