OGH vom 22.01.2009, 13Os142/08v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schörghuber als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Robert B***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 37 Hv 22/06a-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wr. Neustadt verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe :
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch (§ 214 FinStrG) enthält, wurde Robert B***** (des Finanzvergehens, richtig:) mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 (im Urteil irrig auch Abs 3 lit a; vgl RIS-Justiz RS0087102), 13 FinStrG schuldig erkannt.
Danach hat er in (gemeint: im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts) Mödling vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten durch Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen Verkürzungen an Einkommensteuer bewirkt und zu bewirken versucht (§ 13 FinStrG) und zwar:
1. für 2001 in Höhe von 24.356,30 Euro;
2. für 2002 in Höhe von 59.108,43 Euro und
3. für 2000 in Höhe von 71.335,93 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.
Vorweg Grundsätzliches:
Nach aktueller Judikatur des mit Finanzstrafsachen beim Obersten Gerichtshof exklusiv befassten Senats 13 (vgl etwa 13 Os 104/08f, 13 Os 80/08a, 13 Os 76/08p, 13 Os 69/08h, 13 Os 16/08i und 13 Os 14/08w) wird - bezogen auf ein Steuersubjekt - mit Abgabe einer unrichtigen Jahressteuererklärung unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags ein Finanzvergehen (§ 1 Abs 1 FinStrG) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO). Mit (nacheinander erfolgter) Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen mehrere Veranlagungsjahre hindurch werden (hier drei) real konkurrierende Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet, mit Abgabe inhaltlich unrichtiger Jahreserklärungen zu unterschiedlichen Steuerarten wird für jedes Jahr und jede Abgabenart je ein Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begründet (zur Realkonkurrenz: 11 Os 84/81, SSt 52/61; 15 Os 130/96; 11 Os 36/04).
Solcherart bildet die Jahreserklärung zu einer Steuerart - allenfalls auch als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte - das kleinste nicht mehr teilbare Element des Sachverhalts, also eine selbstständige Tat im materiellen Sinn (§ 21 Abs 1 FinStrG; zum Begriff: RIS-Justiz RS0113754; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 517; ders, Zur Unzulässigkeit einer Subsumtionseinstellung, JBl 2006, 291 [292]).
Anders bei Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a oder b FinStrG: Diese werden durch dort pönalisiertes Verhalten bezogen auf Voranmeldungs- (lit a) oder Entrichtungszeiträume (lit b) verwirklicht, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums und jeder Steuerart unabhängig von der Höhe der Hinterziehungsbeträge eine selbstständige Tat und damit jeweils ein Finanzvergehen verwirklicht wird.
Für die Urteilsanfechtung gilt:
Entscheidend für die Subsumtion als Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG ist die Abgabe einer inhaltlich unrichtigen Steuererklärung oder das Unterlassen einer Erklärung durch den dazu Verpflichteten.
Entscheidend für die gerichtliche Sanktionsbefugnis ist die Gerichtszuständigkeit unter Berücksichtigung subjektiver und objektiver Konnexität (§ 53 Abs 1 lit b bis Abs 4 FinStrG).
Eine selbstständige Tat (im obigen Sinn) ist (nur) dann Gegenstand eines Freispruchs (§ 214 FinStrG), wenn - unter Berücksichtigung objektiver und subjektiver Konnexität (§ 53 Abs 1 bis Abs 4) - die (bei mehreren selbstständigen Taten nach Maßgabe gleicher Zuständigkeit [§ 53 Abs 1 lit b FinStrG] durch eine Zusammenrechnung der Abgabenbeträge determinierte) Gerichtszuständigkeit zu verneinen ist (11 Os 142/06a) oder wenn sich der auf eine von mehreren selbstständige Taten entfallende strafbestimmende Wertbetrag auf null reduziert (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 402 und 626). Nur mit diesem Ziel können Verfahrensmängel nach Z 2 bis 4, Begründungsmängel nach Z 5, erhebliche Bedenken nach Z 5a und fehlende Feststellungen nach Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht werden.
Ansonsten führen fehlende Feststellungen zu Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall, Begründungsmängel zu Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall iVm Z 5 und erhebliche Bedenken zu Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall iVm Z 5a (14 Os 71/00, Ratz, WK-StPO § 281 Rz 400, 402 und 626; anders 13 Os 46/00, 11 Os 117/02, 14 Os 177/05i und 11 Os 115/05d), weil in solchen Fällen die Subsumtion unter ein Strafgesetz und die gerichtliche Sanktionsbefugnis nicht angesprochen sind, sich die Relevanz vielmehr auf die Strafrahmenbildung als Grenze der Sanktionsbefugnis beschränkt. Berührt ein Verfahrensmangel (Z 2 bis 4) solcherart nur die Grenzen der Sanktionsbefugnis, kann er aus Z 11 erster Fall iVm Z 2 bis 4 aufgegriffen werden (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 24 ff).
Für Teilrechtskraft gilt:
Zeigt sich für den Obersten Gerichtshof unter dem Aspekt des § 289 StPO, dass Relevanz ausschließlich in Betreff der Sanktionsbefugnis besteht - die Subsumtion zum Beispiel als Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG nicht in Frage steht (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), also richtig ist - so steht es ihm frei, lediglich den Sanktionsausspruch aufzuheben, und zwar aus Z 2 bis 5a oder Z 9 lit a wenn gerichtliche Strafbarkeit in Frage steht und in den übrigen Fällen aus Z 11 erster Fall allenfalls iVm Z 2 bis 5a (anders noch 13 Os 46/00 und 11 Os 115/05d).
Erwüchse das Urteil solcherart vorerst nur hinsichtlich Finanzvergehen mit einem die gerichtliche Zuständigkeitsgrenze nicht erreichenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 und 2 FinStrG) in Teilrechtskraft und würde dieser auch nachfolgend nicht erreicht, so wäre auch in Ansehung der (solcherart auflösend bedingt für den Fall der Gerichtszuständigkeit) bereits rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche nach § 214 FinStrG freizusprechen (11 Os 142/06a; vgl Ratz, WK-StPO § 289 Rz 8).
Liegen einem Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG mehrere steuerlich trennbare Einzelaspekte zugrunde, denen nach den Urteilsfeststellungen jeweils ziffernmäßig nachvollziehbar Hinterziehungsbeträge zuzuordnen sind, die in Summe den auf dieses Finanzvergehen entfallenden strafbestimmenden Wertbetrag ergeben, so bleibt es dem Obersten Gerichtshof bei Aufhebung (bloß) des Sanktionsausspruchs unbenommen, auf einzelne solcher Einzelaspekte entfallende Hinterziehungsbeträge zufolge deren eigenständiger rechtlichen Basis als selbstständige Verfügung (§ 289 erster Satz StPO) mit der Konsequenz bestehen zu lassen, dass sie einer später vorzunehmenden Strafrahmenbildung als Wertbeträge ohne weiters zugrunde zu legen sind. In diesem Umfang kommt die Anfechtung des Urteils eines weiteren Rechtsgangs mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht mehr in Betracht (§ 293 Abs 4 StPO).
Denn ein solcher steuerlich trennbarer Einzelaspekt stellt nur deshalb nicht bereits für sich allein ein - in welche Zuständigkeit immer fallendes (vgl § 53 Abs 1 FinStrG) - Finanzvergehen dar, weil er zusammen mit anderen gleichartigen Einzelaspekten nur als tatbestandliche Handlungseinheit, demnach insgesamt nur einmal im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) als strafbare Handlung für begründet angesehen wird.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Im Sinn obiger Ausführungen definiert die Rüge den Verfahrensgegenstand zutreffend als drei selbstständige Taten, nämlich die Abgabe von drei Jahreserklärungen mit (laut Anklageschrift ON 10) unterschiedlichen steuerlich relevanten Aspekten und reklamiert mit Recht, dass das Urteil keine die Subsumtion jeweils nach § 33 Abs 1 FinStrG (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) tragende Konstatierungen enthält (der Sache nach Z 9 lit a).
Dem Urteil fehlen nämlich Feststellungen dazu,
wann der Angeklagte welche Steuererklärung mit welchem Inhalt im örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich welcher Finanzstrafbehörde (§ 53 Abs 1 lit b zweiter Fall FinStrG) abgegeben,
welche steuerlich relevanten Sachverhaltsaspekte er dabei wahrheitswidrig erklärt oder verschwiegen und
welches Ausmaß an Abgabenverkürzung er, bezogen auf das jeweilige Veranlagungsjahr, auf diese Weise bewirkt hat oder zu bewirken versuchte; die Tatbeschreibung im Spruch eines Urteils vermag fehlende Feststellungen auf Tatsachenebene nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0114639, RS0114639). Es ist daher nur zur Vollständigkeit anzumerken, dass der zur Strafrahmenbildung herangezogene Betrag (164.539,76 Euro; US 12) dem Ausmaß der Abgabenhinterziehung laut Schuldspruch (154.800,46 Euro) nicht entspricht (vielmehr mit jenem der ursprünglichen Anklage ON 10 übereinstimmt) und die Feststellungen zum Vorsatz in Betreff der Schuldspruchpunkte 1 und 3 unzureichend sind.
Ein Kostenausspruch nach § 390a StPO hatte zu unterbleiben (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).