OGH vom 21.02.2017, 10ObS11/17s

OGH vom 21.02.2017, 10ObS11/17s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M***** V*****, vertreten durch Mag. Manfred Arthofer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 113/16y-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 6 Cgs 70/16m-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin bezieht seit eine Berufsunfähigkeitspension von monatlich 932,92 EUR brutto zuzüglich Kinderzuschuss von 29,07 EUR. Sie ist sorgepflichtig für ihren, im selben Haushalt lebenden, am geborenen Sohn, der schwerst behindert ist und Pflegegeld der Stufe 7 erhält. Die monatliche Unterhaltspflicht des Vaters beträgt 320 EUR und zusätzlich 287 EUR an behinderungsbedingtem Sonderbedarf (unter anderem für Therapien und Behandlungen). Der Sohn bezieht einen monatlichen Unterhaltsvorschuss von 576,98 EUR (Höchstbetrag nach § 6 Abs 1 UVG).

Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte die Gewährung einer Ausgleichszulage an die Klägerin ab, weil deren monatliches Gesamteinkommen den Richtwert übersteige.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Gewährung einer Ausgleichszulage von zumindest 86,07 EUR monatlich. Ihr eigenes Einkommen übersteige zwar den Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Personen. Der Richtsatz erhöhe sich jedoch für jedes Kind, dessen Nettoeinkommen 324,69 EUR nicht übersteige, um 136,21 EUR. Die Unterhaltsleistung von 287 EUR an monatlichem Sonderbedarf diene im Sinn des § 292 Abs 4 lit d ASVG dem Ausgleich von Behinderungen und sei daher nicht als Einkommen ihres Sohnes zu berücksichtigen.

Die Beklagte meint hingegen, der gewährte Unterhaltsvorschuss sei zur Gänze Nettoeinkommen des Kindes im Sinn des § 292 Abs 3 ASVG.

Das Erstgericht teilte den Rechtsstandpunkt der Beklagten und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der im Unterhaltsvorschuss anteilig enthaltene Sonderbedarf als Nettoeinkommen des Sohnes der Klägerin im Sinn des § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG anzurechnen sei. Der Unterhaltsbeitrag sei nicht in Leistungen zur Befriedigung des „sonstigen“ Unterhaltsbedarfs und des zweckgebundenen Sonderbedarfs aufzusplitten, wie der Oberste Gerichtshof in der – die Gewährung des Unterhaltsvorschusses an den Sohn der Klägerin betreffenden – Entscheidung 10 Ob 20/13h ausgeführt habe. Der in diesem Fall behinderungsbedingte, im Rahmen des Unterhalts zu leistende Sonderbedarf sei den in § 292 Abs 4 lit d ASVG demonstrativ aufgezählten, bei der Ermittlung des Nettoeinkommens des Ausgleichszulagewerbers nicht zu berücksichtigenden Einkünften – anders als das Pflegegeld – nicht gleichzuhalten. Sonderbedarf eines Kindes sei nur dann vom Geldunterhaltspflichtigen zu leisten, wenn er nicht durch Sozialleistungen, wie beispielsweise das Pflegegeld gedeckt sei. Nur ein behinderungsbedingter Sachaufwand könne Sonderbedarf sein. Die Anrechnung des vom Sohn bezogenen Pflegegeldes als fiktives Eigeneinkommen der Klägerin scheide aus, weil sich die Beklagte darauf nicht berufen habe.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Klärung der Frage zu, ob ein behinderungsbedingter Sonderbedarf als Nettoeinkommen des Kindes eines Ausgleichszulagenwerbers zu berücksichtigen sei. Eine gewisse Ähnlichkeit dieses Sonderbedarfs mit den in § 292 Abs 4 lit d ASVG angeführten, wegen des besonderen körperlichen Zustands gewährten Einkünften sei nicht zu leugnen. Es sei auch denkbar, dass für die Ermittlung des Nettoeinkommens des Kindes der Ausnahmekatalog des § 292 Abs 4 ASVG analog heranzuziehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die – nicht beantwortete – Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Die Ausgleichszulage ist ein Differenzbetrag, der gemäß § 292 Abs 1 ASVG einem Pensionsberechtigten gebührt, wenn die Summe aus (Brutto-)Pension und sonstigen Nettoeinkünften unter Berücksichtigung gewisser Unterhaltsansprüche sowie des Nettoeinkommens des/der Ehegattin/Ehegatten oder eingetragenen Partners/Partnerin einen bestimmten Mindestbetrag, den Richtsatz (§ 293 Abs 1 ASVG) nicht erreicht (Pfeil in SVKomm [38. Lfg] § 292 ASVG Rz 2; 10 ObS 89/16k).

2. Bei Pensionsberechtigten mit einem Anspruch auf Ausgleichszulage nach § 293 Abs 1 lit a ASVG erhöht sich der jeweilige Richtsatz nach Abs 1 letzter Satz für jedes Kind um einen bestimmten Betrag, sofern (unter anderem) das eigene Nettoeinkommen des Kindes nicht den Betrag des Richtsatzes für Pensionsberechtigte auf Waisenpension bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres (§ 293 Abs 1 lit c sublit aa Fall 1 ASVG) erreicht.

3. Der Oberste Gerichtshof hat zu 10 ObS 89/16k die an ein minderjähriges Kind monatlich ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse zu dessen Nettoeinkommen im Sinn des § 293 Abs 1 lit c sublit aa erster Fall ASVG (einfach verwaiste Kinder) gezählt, was die Klägerin in ihrer Revision auch nicht bezweifelt. Sie meint allerdings, die behinderungsbedingte Unterhaltsleistung (Sonderbedarf) decke nur wirklich auflaufende, durch die schwerste Behinderung bedingte Kosten. Ohne Behinderung liege der normale Unterhalt unter der maßgeblichen Grenze. In diesem Fall erhielte die Klägerin eine Ausgleichszulage. Das Ergebnis der vorinstanzlichen Entscheidungen widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Kindern. Begehre der minderjährige Sohn der Klägerin im Fall des Todes seines geldunterhaltspflichtigen Vaters eine Ausgleichszulage, sei der Sonderbedarf nach § 292 Abs 4 ASVG bei Ermittlung des eigenen Einkommens nicht zu berücksichtigen.

4. Es geht im vorliegenden Fall aber nicht um einen fiktiven eigenen Anspruch des Sohnes der Klägerin und die Ermittlung des für einen solchen Anspruch maßgeblichen Nettoeinkommens nach den Kriterien des § 292 ASVG. Schon deshalb erübrigten sich Überlegungen zu eigenen Ansprüchen des Sohnes der Klägerin im Vergleich zu solchen von Kindern ohne besondere Bedürfnisse. Es ist ausschließlich zu beurteilen, ob die Klägerin den erhöhten Richtsatz in Anspruch nehmen kann, weil das Nettoeinkommen ihres Sohnes den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht. Jeder, diesen Richtsatz übersteigende – auch an ein gesundes Kind – monatlich zu leistende Geldunterhalt führt zum selben Ergebnis, wenn mit dem Unterhalt zum Teil tatsächlich bestehender Sonderbedarf (zB Ausbildungskosten) zu decken ist.

5. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs lehnt die – von der Klägerin gewünschte – Aufsplittung monatlicher Unterhaltszahlungen in Leistungen zur Befriedigung des „allgemeinen“ Unterhaltsbedarfs und Sonderbedarfs mit der Begründung ab, dass die Gesamtleistung an Unterhalt der Abdeckung aller unterschiedlicher Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten dient (10 Ob 20/13h mwN). Diese Entscheidung betraf den Antrag des Sohnes der Klägerin, ihm zusätzlich zum Unterhaltsvorschuss von 320 EUR („allgemeiner Unterhalt“) einen monatlichen Unterhaltsvorschuss in Höhe des mit gesondertem Beschluss festgesetzten monatlichen Sonderbedarfs von 287 EUR zu gewähren. Der Oberste Gerichtshof stellte klar, dass beide getrennte Unterhaltsbeschlüsse zusammen der Festsetzung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs, der im Hinblick auf die Behinderung des Minderjährigen über den Regelbedarf gesunder Kinder der gleichen Altersgruppe hinausgehe, dienten.

6. Die dem Zulassungsausspruch zugrunde gelegte Frage der Berücksichtigung eines behinderungsbedingten Sonderbedarfs als Nettoeinkommen eines Kindes eines Ausgleichszulagenwerbers lässt sich mit der vorliegenden Judikatur des Obersten Gerichtshofs im Sinn der Entscheidung des Berufungsgerichts beantworten. Die Revision ist daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00011.17S.0221.000
Schlagworte:
Sozialrecht

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